Die Frau von Heinrich Kämpchen

Wer eine Frau hat, die’s versteht,
Das Recht von Lug und Trug zu scheiden,
Die mit dem Manne kämpft und geht,
O wohl ihm, er ist zu beneiden!
 
Sie wandeln einig Hand in Hand,
In ihrem Hause wohnt der Frieden,
Doch wen’gen nur von uns’rem Stand
Ist solches hohe Glück beschieden.
 
Warum? Die Frau trifft keine Schuld,
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Sie war die stets Zurückgesetzte,
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Und mußte harren in Geduld,
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Wenn sich der Mann am Wissen letzte.
 
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Für sie war nur der Herd, der Topf
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Und all’ die kleinen Alltagssorgen,
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Was Wunder, wenn da ihrem Kopf
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Der Lauf der Dinge blieb verborgen.
 
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Und wenn sie frug, wie oft ward rauh
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Die Antwort ihr zurückgegeben:
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Schweig still, du bist zu wenig schlau
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Und kannst nicht fassen unser Streben!
 
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O bitter rächt sich solches Wort
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Gar oft an dem, der es gesprochen,
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Nicht frägt die Frau den Mann hinfort,
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Doch ihr Vertrauen ist gebrochen.
 
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Bei andern sucht sie Trost und Rat,
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Sie selber ist nicht willenskräftig,
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Und falsche „Eckarts“ sä’n die Saat
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Des Aberwitzes dann geschäftig.
 
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Die schießt ins Korn – gedüngt, gepflegt –
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Mit Macht, wir sehn’s in solchen Fällen,
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Bis hundertarmig es sich regt,
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Dem Mann die Arbeit zu vergällen. –
 
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Zu spät, zu spät sieht er dann ein,
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Was er gefehlt und unterlassen:
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Sie, die ihm Stütze könnte sein,
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Muß, wahnverblendet, ihn nun hassen. –
 
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Ihr aber, die ihr seid bemüht,
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Um euren Klassenstand zu heben,
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Seht, daß ihr euch die Frau erzieht
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Zur Helferin an eurem Streben.
 
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Gebt ihr die Zeitung in die Hand
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Und Bücher, hat sie Lust zum Lesen,
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Ihr wißt, man bildet den Verstand
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Nicht sonderlich mit Topf und Besen. –
 
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Und wenn sie nicht sogleich erfaßt,
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Und macht das Lernen ihr Beschwerde,
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So teilt mit eurer Frau die Last,
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Damit sie euch Gehilfin werde. –
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.3 KB)

Details zum Gedicht „Die Frau“

Anzahl Strophen
12
Anzahl Verse
48
Anzahl Wörter
297
Entstehungsjahr
1909
Epoche
Moderne

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht wurde von Heinrich Kämpchen geschrieben, einem deutschen Schriftsteller, der zwischen 1847 und 1912 lebte. Es lässt sich damit in die Epoche des Realismus einordnen.

Das Gedicht hinterlässt auf den ersten Blick den Eindruck, dass es die Rolle und den Status der Frau in der Gesellschaft und innerhalb der Ehe zur damaligen Zeit thematisiert. Es scheint ein Appell an die Ehemänner und die Gesellschaft zu sein, die Frauen besser zu behandeln, zu respektieren und ihre Intelligenz zu fördern.

Inhaltlich geht es in den ersten beiden Strophen um einen Mann, der das Glück hat, eine kluge und standhafte Frau an seiner Seite zu haben, die sich mit ihm einig ist. Die nächsten vier Strophen befassen sich damit, wie Frauen oft in der Gesellschaft und in der Ehe benachteiligt und zurückgesetzt sind. Sie werden oft nicht ernst genommen, herabgesetzt, unzureichend gebildet und ihrer Rolle in der häuslichen Pflege verwiesen. Das führt dazu, dass sie ihre Ehemänner und deren Arbeit oft nicht verstehen oder schätzen können. In den letzten vier Strophen fordert das lyrische Ich die Männer und die Gesellschaft auf, die Frauen zu erziehen und sie zu befähigen, eine bessere Hilfe und Partnerin zu sein.

Der Inhalt legt nahe, dass das lyrische Ich die Männer und die Gesellschaft dazu auffordert, die Frauen als gleichwertig zu betrachten, ihre Intelligenz zu wertschätzen und sie zur Verbesserung ihrer eigenen Klassenstand zu erziehen.

Formal besteht das Gedicht aus zwölf Vierzeilen-Strophen mit einem klaren Reimschema (AbAb). Die Sprache des Dichters ist einfach, klar und direkt, was den Appellcharakter des Gedichts verstärkt. Besondere sprachliche Bilder oder Metaphern sind zu diesem Zweck nicht eingebaut. Die Einfachheit und Direktheit der Sprache tragen dazu bei, den ernsten und dringenden Ton der Botschaft des Gedichts zu unterstützen. Im Ganzen ist das Gedicht ein Appell an die Gesellschaft, Frauen zu schätzen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Fähigkeiten und ihr Potenzial zu entfalten. Es ist ein frühes Plädoyer für die Gleichstellung und Bildung von Frauen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Die Frau“ ist Heinrich Kämpchen. Kämpchen wurde im Jahr 1847 in Altendorf an der Ruhr geboren. 1909 ist das Gedicht entstanden. In Bochum ist der Text erschienen. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das vorliegende Gedicht umfasst 297 Wörter. Es baut sich aus 12 Strophen auf und besteht aus 48 Versen. Weitere Werke des Dichters Heinrich Kämpchen sind „Am Kochbrunnen in Wiesbaden“, „Am Marienbrönnlein“ und „Am Rhein“. Zum Autor des Gedichtes „Die Frau“ haben wir auf abi-pur.de weitere 165 Gedichte veröffentlicht.

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