Die Fliege im Flugzeug von Joachim Ringelnatz
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Ich war der einzige Passagier |
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Und hatte – nur zum Spaße – |
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Eine lebende Fliege bei mir |
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In einem Einmachglase. |
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Ich öffnete das Einmachglas. |
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Die Fliege schwirrte aus und saß |
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Plötzlich auf meiner Nase |
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Und rieb sich die Vorderpfoten. |
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Das verletzte mich. |
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Ich pustete. Sie setzte sich |
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Auf das Schildchen „Rauchen verboten“. |
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Ich sah: der Höhenzeiger wies |
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Auf tausend Meter. Ha! Ich stieß |
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Das Fenster auf und dachte |
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An Noahs Archentaube. |
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Die Fliege aber – ich glaube, |
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Sie lachte. |
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Und hängte sich an das Verdeck |
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Und klebte sehr viel Fliegendreck |
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Um sich herum, im Kreise, |
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Unmenschlicherweise. |
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Und als es dann zur Landung ging, |
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Unser Propeller verstummte, |
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Da plusterte das Fliegending |
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Sich fröhlich auf und summte. |
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Gott weiß, was in mir vorging, |
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Als solches mir durchs Ohr ging. |
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Ich weiß nur noch, ich brummte |
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Was vor mich hin. So ungefähr: |
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Ach, daß ich eine Fliege wär. |
Details zum Gedicht „Die Fliege im Flugzeug“
Joachim Ringelnatz
5
30
142
1929
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das lyrische Gedicht „Die Fliege im Flugzeug“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der von 1883 bis 1934 lebte. Die Epoche, in die es einzuordnen ist, kann daher der Übergang vom 19. in das 20. Jahrhundert sein, einer Zeit, in der Gedichte nicht mehr nur romantischen und idealistischen Themen folgten, sondern auch Anklänge an den aufkommenden Expressionismus aufweisen konnten.
Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht humorvoll und regt zum Schmunzeln an. Es erzählt die Geschichte eines Alleinreisenden im Flugzeug, der eine lebende Fliege in einem Glas mit sich führt. Als er das Glas öffnet, schwirrt die Fliege heraus und verhält sich so, wie es Fliegen tun: Sie setzt sich erst auf seine Nase, dann auf ein Schild, und hinterlässt schließlich ihre Spuren auf dem Verdeck des Flugzeugs. Bei der Landung plustert sie sich auf und summt fröhlich. Schließlich bringt die Begegnung das lyrische Ich dazu, zu wünschen, selbst eine Fliege zu sein.
Dieser Wunsch des lyrischen Ichs kann als möglicher Wunsch nach Freiheit und Ungebundenheit interpretiert werden. Während das lyrische Ich als Mensch an Normen gebunden ist und sich an Regeln halten muss - symbolisiert durch das Schild „Rauchen verboten“ - , kann die Fliege sich frei im Flugzeug bewegen und tun und lassen, was sie will.
Auf der formalen Ebene zeichnet sich das Gedicht durch seine einfache Sprache und den Einsatz von Reimen am Ende der Verse aus, was zur humorvollen Atmosphäre des Gedichts beiträgt. Trotz des lockeren Tons behandelt es jedoch ein ernstes Thema: Den Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit. Hinzu kommt das Spiel mit den Perspektiven zwischen Mensch und Tier, das typisch für Ringelnatz' Stil ist und seine Gedichte oft regelrecht skurril macht.
Insgesamt ist „Die Fliege im Flugzeug“ also ein humorvolles, aber dennoch tiefsinniges Gedicht, das den Wunsch des lyrischen Ichs nach Freiheit in einer humorvollen Alltagsszene wiedergibt und durch seine leichte Sprache und Form sowohl für Unterhaltung als auch für lyrische Reflexion sorgt.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Die Fliege im Flugzeug“ ist Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Im Jahr 1929 ist das Gedicht entstanden. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 142 Worte. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abgesehen von der Profitlüge“, „Abglanz“ und „Abschied von Renée“. Zum Autor des Gedichtes „Die Fliege im Flugzeug“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.
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Zum Autor Joachim Ringelnatz sind auf abi-pur.de 560 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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