Die Entführung von Rainer Maria Rilke
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Oft war sie als Kind ihren Dienerinnen |
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entwichen, um die Nacht und den Wind |
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(weil sie drinnen so anders sind) |
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draußen zu sehn an ihrem Beginnen; |
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doch keine Sturmnacht hatte gewiß |
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den riesigen Park so in Stücke gerissen, |
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wie ihn jetzt ihr Gewissen zerriß, |
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da er sie nahm von der seidenen Leiter |
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und sie weitertrug, weiter, weiter: |
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bis der Wagen alles war. |
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Und sie roch ihn, den schwarzen Wagen, |
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um den verhalten das Jagen stand |
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und die Gefahr. |
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Und sie fand ihn mit Kaltem ausgeschlagen; |
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und das Schwarze und Kalte war auch in ihr. |
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Sie kroch in ihren Mantelkragen |
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und befühlte ihr Haar, als bliebe es hier, |
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und hörte fremd einen Fremden sagen: |
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Ichbinbeidir. |
Details zum Gedicht „Die Entführung“
Rainer Maria Rilke
5
19
114
1918
Moderne
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht „Die Entführung“ stammt von Rainer Maria Rilke, einem der bedeutendsten Lyriker der literarischen Moderne, welche zeitlich auf das ausgehende 19. bis in das frühe 20. Jahrhundert datiert wird. Rilke wurde am 4. Dezember 1875 geboren und verstarb am 29. Dezember 1926.
Beim ersten Lesen hinterlässt das Gedicht zunächst einen düsteren und Rätselhaften Eindruck. Es scheint einen Wendepunkt im Leben der weiblichen Protagonistin zu behandeln, eine Art Entführung oder Flucht vor ihrem bisherigen Leben.
Das Gedicht erzählt die Geschichte eines Mädchens, das im Dunkel der Nacht heimlich aus ihrem Elternhaus, repräsentiert durch den „riesigen Park“, entflieht. Im Prozess dieser Entführung wird der Park, welcher symbolisch für ihr bisheriges Leben steht, „in Stücke gerissen“, ganz so, wie ihr Gewissen. Dies deutet auf eine Art von moralischem Dilemma oder einen Konflikt, den die Flucht in ihr hervorruft, hin. Schließlich findet sie sich im Wagen, womöglich einem Fluchtwagen, wieder, begleitet von einem Fremden, der ihr versichert „Ichbinbeidir“.
Formal ist das Gedicht in fünf Strophen unterteilt, wobei die Anzahl der Verse variiert. Die Sprache ist bildhaft und metaphorisch, mit starken Kontrasten zwischen hellen und dunklen Elementen, was zur aufgeladenen Atmosphäre des Gedichts beiträgt. Insbesondere die Wiederholung des Wortes „weiter“ im Vers 9 verstärkt das Gefühl der Eile und Flucht. Ein weiteres bemerkenswertes Stilmittel ist die Personifikation des Gewissens, das den Park „in Stücke reißt“. Der abrupte, einsilbige letzte Satz „Ichbinbeidir“ scheint eine Art Versicherung oder Versprechen zu sein, steht jedoch in krassem Kontrast zur vorherigen Unruhe und Unsicherheit, was eine gewisse Spannung und Ambivalenz im Text aufrechterhält. Insgesamt ergibt sich ein Bild einer verwirrenden, beängstigenden und doch fesselnden Veränderung im Leben der Protagonistin.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Die Entführung“ ist Rainer Maria Rilke. Im Jahr 1875 wurde Rilke in Prag geboren. Im Jahr 1918 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Moderne zuordnen. Rilke ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 114 Wörter. Es baut sich aus 5 Strophen auf und besteht aus 19 Versen. Rainer Maria Rilke ist auch der Autor für Gedichte wie „Advent“, „Allerseelen“ und „Als ich die Universität bezog“. Zum Autor des Gedichtes „Die Entführung“ haben wir auf abi-pur.de weitere 338 Gedichte veröffentlicht.
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