Die Dämmerung von Johann Gottfried Herder

Der Aether und die Liebe war
Das ältste hohe Götterpaar;
Sie zeugten die Unsterblichen,
Den Himmel und die Seligen.
 
Und tiefer in der Wolken Reich
Ward ihr Geschlecht der Wolke gleich;
Sie, ewigschön und ewigjung,
Erzeugten uns die Dämmerung.
 
Aus Licht und Schatten webten sie
10 
Der Menschen trügend Daseyn hie;
11 
Nur Dämmerung ist unser Blick,
12 
Nur Dämmerung ist unser Glück.
 
13 
Der Jugend holdes Morgenroth
14 
Verbirget, was der Tag uns droht;
15 
Der Blume schwülen Mittag kühlt
16 
Ein Zephyr, der am Abend spielt.
 
17 
Und Ohr und Auge täuscht sich gern;
18 
Das Herz, es pochet in die Fern’;
19 
Es wünscht und hat und glaubets kaum:
20 
Denn ach sein schönstes Glück ist Traum.
 
21 
Die Hoffnung, ewigschön und jung,
22 
Ist auch ein Kind der Dämmerung;
23 
Auch ihre Schwester Sehnsucht liebt
24 
Den Schleier, der die Lieb’ umgiebt.
 
25 
Ich dank euch, die ihr um mich schwebt,
26 
Daß ihr die Hülle mir gewebt;
27 
Doch Lieb’ und Aether, leiht o leiht
28 
Mir einst ein heller Pilgerkleid.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Die Dämmerung“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
157
Entstehungsjahr
1787
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Dämmerung“ ist von Johann Gottfried Herder geschrieben worden. Herder gehört zu den bedeutenden Vertretern der Weimarer Klassik - genauer zur Zeit der Aufklärungsperiode, die vom 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts andauerte.

Auf den ersten Blick kreiert das Gedicht eine Stimmung, die stark mit dem Titel „Die Dämmerung“ verbunden ist: eine Stimmung zwischen Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit, Realität und Traum.

In sieben Strophen schildert Herder das Dasein der Menschen, verglichen mit der Dämmerung. Die ersten beiden Strophen handeln von den ältesten Göttern, dem Aether und der Liebe, die laut Herder sämtliche Unsterbliche und die „Dämmerung“ hervorgebracht haben. In den folgenden Strophen wird „Dämmerung“ metaphorisch für das menschliche Dasein und Glück verwendet.

Herder spielt in seinem Gedicht mit der Dualität des Daseins: Licht und Schatten, Glück und Unglück, Hoffnung und Sehnsucht zeigen die Widersprüchlichkeit und die Verwobenheit unseres Lebens. Das „schönste Glück“ ist nur ein Traum sowie Hoffnung und Sehnsucht Kinder der Dämmerung sind, was zeigt, dass unser Leben oft von Ungewissheit und Zwiespältigkeit geprägt ist.

Die Form des Gedichts ist ein gereimter Vierzeiler mit Kreuzreim. Jede Strophe besteht aus vier Versen, die wiederum in zwei Paare unterteilt sind. Diese Form unterstreicht die Dualität, die im gesamten Gedicht zum Ausdruck kommt.

Die sprachliche Umsetzung ist gekennzeichnet durch eine melodische, rhythmisches Sprache mit poetischen Bildern und Metaphern. Herder verwendet Wörter wie „äther“, „Unsterblichen“, „Dämmerung“ und „trügend Dasein“ um seine Gedanken zum Ausdruck zu bringen.

Insgesamt handelt es sich bei „Die Dämmerung“ um ein philosophisches Gedicht, das die Gegensätze und Unsicherheiten des menschlichen Lebens darstellt und darüber hinaus zum Nachdenken über unsere Existenz anregt. Es verbindet das Unbeständige und Flüchtige mit der Ewigkeit und dem Göttlichen. Dabei steht die Dämmerung als Symbol für die Unklarheit und die Widersprüchlichkeiten unseres Daseins.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Die Dämmerung“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Gottfried Herder. Der Autor Johann Gottfried Herder wurde 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. 1787 ist das Gedicht entstanden. In Gotha ist der Text erschienen. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang (häufig auch Geniezeit oder Genieperiode genannt) ist eine literarische Epoche, welche zwischen 1765 und 1790 existierte und an die Empfindsamkeit anknüpfte. Später ging sie in die Klassik über. Die Epoche des Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen das gesellschaftliche System und die Prinzipien der Aufklärung wendeten. Bei den Autoren handelte es sich meist um junge Schriftsteller. Meist waren sie unter 30 Jahre alt. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Mit seinen beiden bedeutenden Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Die Literaturepoche der Weimarer Klassik dauerte von 1786 bis 1832 an. Zentrale Vertreter dieser Literaturepoche waren Goethe und Schiller. Die zeitliche Abgrenzung orientiert sich dabei an dem Schaffen Goethes. So wird dessen erste Italienreise im Jahr 1786 als Beginn der deutschen Klassik angesehen, die dann mit seinem Tod im Jahr 1832 ihr Ende nahm. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. Die Dichter der Klassik wollten die antiken Stoffe aufleben lassen. Mit der antiken Kunst beschäftigte sich Goethe während seiner Italienreise. Die Antike gilt nun als Ideal, um Harmonie und Vollkommenheit erreichen zu können. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Klassik kennzeichnend. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Klassik auf eine reglementierte Sprache. Schiller, Goethe, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Weimarer Klassik bezeichnet werden. Aber nur Goethe und Schiller motivierten und inspirierten einander durch enge Zusammenarbeit und wechselseitige Kritik.

Das 157 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Das Kind der Sorge“, „Das Orakel“ und „Das Ross aus dem Berge“. Zum Autor des Gedichtes „Die Dämmerung“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Johann Gottfried Herder

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Johann Gottfried Herder und seinem Gedicht „Die Dämmerung“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder (Infos zum Autor)

Zum Autor Johann Gottfried Herder sind auf abi-pur.de 413 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.