Die Dirne von Paul Boldt
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Die Zähne standen unbeteiligt, kühl |
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Gleich Fischen an den heißen Sommertagen. |
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Sie hatte sie in sein Gesicht geschlagen |
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Und trank es — trank — entschlossen dies Gefühl |
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In sich zu halten, denn sie ward ein wenig |
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Wie früher Mädchen und erlitt Verführung; |
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Er aber spürte bloß Berührung, |
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Den Mund wie einen Muskel, mager, sehnig. |
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Und sollte glauben an ihr Offenbaren, |
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Und sah, wie sie dann dastand — spiegelnackt — |
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Das Falsche, das Frisierte an den Haaren; |
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Und unwillig auf ihren schlechten Akt |
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Schlug er das Licht aus, legte sich zu ihr, |
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Mischend im Blut Entsetzen mit der Gier. |
Details zum Gedicht „Die Dirne“
Paul Boldt
4
14
94
1914
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die Dirne“ wurde von Paul Boldt verfasst, einem deutschen Dichter und Vertreter des Expressionismus. Boldts Schaffen wurde maßgeblich durch die gesellschaftlichen und kulturellen Strömungen des frühen 20. Jahrhunderts geprägt.
Beim ersten Lesen erzeugt das Gedicht einen düsteren und teilweise verstörenden Eindruck. Es werden provokante und zum Teil brutale Bilder hervorgerufen, die eine unbehagliche Stimmung kreieren.
Inhaltlich beschreibt das Gedicht eine Begegnung zwischen dem lyrischen Ich und einer Dirne - eine Frau, die ihren Körper verkauft. Die Frau wird zunächst als kühl und unbeteiligt dargestellt, die jedoch versucht, Gefühle zu erzeugen oder vorzutäuschen („trank [...] entschlossen dies Gefühl“). Anschließend wird sie als „früher Mädchen“ dargestellt, das „einem wenig“ verführt wird. Der Mann hingegen spürt nur eine physische Berührung und sieht sie letztlich als ein bloßes Objekt („Mund wie einen Muskel“). Am Ende des Gedichts wird das ungeschönte Bild der Prostitution zum Ausdruck gebracht - eine Vermischung von Abscheu („Entsetzen“) und Trieb („Gier“).
Die Form des Gedichts ist ungewöhnlich, da die Länge der Strophen variiert. Die Sprache ist sehr bildreich und metaphorisch, was typisch für den Expressionismus ist. Die Sprache ist auch sehr direkt und unverblümt, was die harte Realität der Prostitution betont. So steht die Kälte und Distanz der Frau („unbeteiligt, kühl„; „den Mund wie einen Muskel“) im deutlichen Kontrast zu den erzwungenen Gefühlen und der sexuellen Begierde des Mannes („trank es — trank — entschlossen dies Gefühl„; „Mischend im Blut Entsetzen mit der Gier“).
Insgesamt scheint das Gedicht die dunkle Seite der Prostitution aus der Perspektive des Freiers aufzeigen zu wollen und dabei den illusionären Aspekt der vermeintlichen Intimität zu thematisieren. Dabei zeigt Boldt eindrücklich die entmenschlichende Wirkung, die die Prostitution sowohl auf die Dirne als auch auf den Freier haben kann.
Weitere Informationen
Paul Boldt ist der Autor des Gedichtes „Die Dirne“. Boldt wurde im Jahr 1885 in Christfelde bei Preußisch-Friedland (Westpreußen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1914 zurück. Der Erscheinungsort ist Leipzig. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das Gedicht besteht aus 14 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 94 Worte. Weitere Werke des Dichters Paul Boldt sind „Adieu Mädchenlachen!“, „Andere Jüdin“ und „Berlin“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Dirne“ weitere 49 Gedichte vor.
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