Die Deutschenhetze von Rudolf Lavant

Ob ihre Zunge nun von Fusel,
Ob sie vom Traubenblute schwer –
Wir sehn vom gleichen blöden Dusel
Erfaßt die Völker um uns her.
Ob sie des Zaren Unterthanen,
Ob eine Republik ihr Ruhm –
Sie alle hassen den Germanen
Und fluchen dem Germanenthum.
 
Und ob sie sich Romanen nennen,
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Ob slavisch ihre Mutter sang,
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Ob Länder sie und Ströme trennen –
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Sie schwören uns den Untergang.
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Man liest es klar in ihren Blicken,
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Wenn es die Lippe auch verhehlt,
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Daß sie am dumpfen Haß ersticken,
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Der wider Deutsches sie beseelt.
 
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Ja, selbst im Reich der edlen Czechen,
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Am Moldaustrand, im goldnen Prag,
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Muß man sich hüten, deutsch zu sprechen,
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Sonst fliegt der Stein, sonst fällt der Schlag,
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Indeß sie alle Huld verschwenden
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Aus Deutschenhaß mit Mund und Hand
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An vier verbummelte Studenten,
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Die das Quartier latin gesandt.
 
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Wir haben auch ein Preßgesindel,
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Das wund und lahm die Finger schreibt
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Und einen gutbezahlten Schwindel
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Mit deutscher Macht und Größe treibt.
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Doch das ist Alles Schaum und Blase,
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Von der des Volkes Tiefen frei,
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Man hält das Tuch sich vor die Nase
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Und geht, so schnell man kann, vorbei.
 
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Man weiß, es ist an dieser Klippe
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Noch kein gerader Sinn zerschellt;
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Zu Deroulède und seiner Sippe
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Hat unsre Schreier man gesellt.
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Man läßt sie patriotisch rasen
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Vom judenfreien Vaterland,
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Doch findet man in ihren Phrasen
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Nur Ungeschmack und Unverstand.
 
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Ja, wär’ es so im Land der Franken
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Und hegte im Palast und Zelt
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Die gleichen friedlichen Gedanken
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Der Moskowiter Slavenwelt,
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Wir würden nur darüber scherzen,
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Wenn es im Hexenkessel braust –
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So schießt das Blut uns heiß zum Herzen
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Und ungewollt ballt sich die Faust.
 
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Die Juden scheucht man durch Gesetze,
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Hinaus in Fremde, Nacht und Noth,
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Doch käm es erst zur Deutschenhetze –
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Uns schlügt ihr ohne Weit’res todt!
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Doch ist es klug, den Leu zu necken?
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Zwar rastet er und schlummert noch,
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Doch könntet ihr ihn schließlich wecken –
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Und seine Tatze kennt ihr doch?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.7 KB)

Details zum Gedicht „Die Deutschenhetze“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
56
Anzahl Wörter
321
Entstehungsjahr
1893
Epoche
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das besprochene Gedicht trägt den Titel „Die Deutschenhetze“ und wurde von Rudolf Lavant verfasst, einem deutschen Poeten, der von 1844 bis 1915 lebte. Dies deutet darauf hin, dass das Gedicht im späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert entstanden ist, einer Zeit, die von politischen Spannungen und nationalistischen Tendenzen geprägt war.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Gedicht in einer direkten, provokativen Art und Weise verfasst ist. Die Verse sind geprägt von Beschreibungen der Ablehnung und Feindseligkeit gegenüber den Deutschen von verschiedenen Nationen und Volksgruppen. Das lyrische Ich drückt dabei ein Gefühl der Verletzung und Empörung aus über die negative Haltung gegenüber Deutschland und den Deutschen.

Im Kern setzt sich das Gedicht mit der sogenannten „Deutschenhetze“ auseinander, das heißt der scharfen Kritik und dem Hass gegen Deutschland und seine Bewohner. Das lyrische Ich fühlt sich ungerecht behandelt und in seiner Identität bedroht. Es werden verschiedene Nationen genannt, die dem Lyrischen Ich zufolge alle eine feindselige Haltung gegenüber Deutschland einnehmen, unabhängig davon, ob sie Monarchien, Republiken, Romanen oder Slawen sind. Darüber hinaus wird auch Kritik an der eigenen Presse und dem sogenannten „Preßgesindel“ geübt, die die deutsche Macht und Größe mit einem „gutbezahlten Schwindel“ untergraben würden.

Das Gedicht ist in sieben Strophen aufgeteilt, jede bestehend aus acht Versen. Die Verszeilen sind in Kreuzreimen angelegt, wodurch das Gedicht trotz seines schweren Themas einen fließenden Rhythmus erhält. Die Sprache des Gedichts ist zwar direkt und auf den ersten Blick einfach gehalten, enthält jedoch zahlreiche Anspielungen und Metaphern, die eine Kenntnis des historischen und politischen Kontexts erfordern, um vollständig verstanden zu werden. So ist beispielsweise der häufige Gebrauch des Wortes „Deutschenhetze“ wahrscheinlich als Anspielung auf die damalige politische Situation und die Spannungen zwischen Deutschland und seinen Nachbarn zu verstehen. Besonders hervorzuheben ist das Bild des „Leus“, der schlummert und durch die Provokationen geweckt werden könnte – eine Metapher für das deutsche Volk, das, so die Befürchtung des lyrischen Ichs, zur Verteidigung seiner Ehre und Identität zurückschlagen könnte.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Die Deutschenhetze“ ist Rudolf Lavant. 1844 wurde Lavant in Leipzig geboren. 1893 ist das Gedicht entstanden. Erschienen ist der Text in Stuttgart. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Naturalismus oder Moderne zuordnen. Bei Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit der Zuordnung. Die Auswahl der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und muss daher nicht unbedingt richtig sein. Das Gedicht besteht aus 56 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 321 Worte. Die Gedichte „An unsere Feinde“, „An unsere Gegner“ und „An la belle France.“ sind weitere Werke des Autors Rudolf Lavant. Zum Autor des Gedichtes „Die Deutschenhetze“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 96 Gedichte vor.

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