Die Bosheiten der Stadt von Christian Felix Weiße

Crispus kauft und baut Palläste,
Lebet herrlich, groß und reich;
Hält Maitressen, feyert Feste,
Und traktirt den Fürsten gleich:
Dennoch sagt die karge Stadt,
Daß er nicht viel übrig hat.
 
Mops zählt seinen Eheseegen
Uns in funfzehn Kindern her;
Und man rühmet allerwegen,
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Daß sie klüger sind, als Er:
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Dennoch sagt die böse Stadt,
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Daß er sich verzählet hat.
 
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Agnes schlägt die Augen nieder,
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Hasset Tanz, Musik und Spiel,
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Singet stets Bekehrungslieder,
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Und hält auf den Cubach viel:
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Doch sagt die verbuhlte Stadt,
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Daß sie Fleisch und Blut noch hat.
 
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Ueberall verfolgt Selinden
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Ein gepudert Stutzerheer;
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Jeden weis sie zu entzünden,
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Und ihr wird kein Sieg zu schwer:
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Dennoch sagt die höhnsche Stadt,
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Daß sie keine Freyer hat.
 
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Stax beweist aus vielen Fällen
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Seinen göttlichen Verstand,
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Und aus seinen Ehrenstellen
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Sein Verdienst ums Vaterland:
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Doch sagt die vermeßne Stadt,
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Daß er keins von beyden hat.
 
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Mit dem vollen Federhute
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Prangt der güldne Gänserich,
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Und von seinem edlen Blute
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Ueberzeugt sein Wappen mich:
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Dennoch sagt die plumpe Stadt,
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Daß kein Kutscher Ahnen hat.
 
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Crantor richtet alle Sachen
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Nach der strengsten Billigkeit,
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Und man wird ihn böse machen,
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Wenn man ihm Geschenke beut:
41 
Doch sagt die verwegne Stadt,
42 
Daß er sie betrogen hat.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Die Bosheiten der Stadt“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
201
Entstehungsjahr
1758
Epoche
Aufklärung

Gedicht-Analyse

Der vorliegende Text ist ein Gedicht von Christian Felix Weiße, einem Vertreter der Aufklärung, der von 1726 bis 1804 lebte. Der erste Eindruck des Gedichts ist, dass Weiße einen kritischen Blick auf verschiedene Persönlichkeiten und deren Rollen und Verhaltensweisen in der Gesellschaft wirft.

Das Gedicht besteht aus sieben Strophen mit jeweils sechs Versen und stellt in jeder Strophe eine Person vor, wobei die letzte Zeile jeder Strophe eine nachsichtige Aussage über die genannte Person trifft. Die Personen, die Weiße porträtiert, sind typisierte Charaktere aus der Gesellschaft seiner Zeit, wie ein reicher Mann (Crispus), ein Mann mit vielen Kindern (Mops), eine religiöse Frau (Agnes), eine begehrenswerte Frau (Selinde), ein geistreicher Patriot (Stax), ein prahlerischer Adliger (der „güldne Gänserich“) und ein gerechter Richter (Crantor). Hinterhältig ist jedoch, dass die Stadt, also die kollektive Stimme der Gesellschaft, stets die Leistungen und Verdienste dieser Personen in Frage stellt oder gar verleumdet.

Diese Art von Kritik an der Gesellschaft und ihrem Urteilswesen soll darauf hinweisen, dass Menschen oft anders wahrgenommen werden, als sie tatsächlich sind, oder dass ihre Taten und Absichten missverstanden werden. Es kritisiert, wie schnell Gerüchte und Vorurteile sich verbreiten und wie diese die Reputation einer Person beeinflussen können.

Das Gedicht hat eine klare und einfache Struktur und Sprache, was typisch ist für die oft klar und streng konstruierten Werke der Aufklärung. Besonders auffällig ist die ironische Distanz, mit der das lyrische Ich die Gesellschaft und ihr Urteil darstellt. Durch diese Ironie wird deutlich, dass es dem Dichter nicht nur um die Darstellung der individuellen Schicksale geht, sondern vor allem auch um eine Kritik an der Art und Weise, wie die Gesellschaft über Individuen urteilt. Es ist eine Aufforderung, genauer hinzusehen und weniger voreilig zu urteilen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Die Bosheiten der Stadt“ ist Christian Felix Weiße. Der Autor Christian Felix Weiße wurde 1726 in Annaberg geboren. Im Jahr 1758 ist das Gedicht entstanden. In Leipzig ist der Text erschienen. Eine Zuordnung des Gedichtes zur Epoche Aufklärung kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Weiße handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epoche. Das vorliegende Gedicht umfasst 201 Wörter. Es baut sich aus 7 Strophen auf und besteht aus 42 Versen. Christian Felix Weiße ist auch der Autor für Gedichte wie „Befehl an Zephyr“, „Cephalus und Aurore“ und „Chloe“. Zum Autor des Gedichtes „Die Bosheiten der Stadt“ haben wir auf abi-pur.de weitere 100 Gedichte veröffentlicht.

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