Am Hängetau von Joachim Ringelnatz

Das Hängetau ist lang und steil.
Jedoch die Übung an dem Seil
Ist heilsam und veredelt.
Dieweil du kletterst, wächst das Tau
Dir hintenraus und wedelt
A la Wauwau.
 
Marie, die unten nach dir blickt,
Kommt mit der Quaste in Konflikt.
 
Ich wette um ein Faß Gelee:
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Drei Meter über der Erden
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Erfaßt dich plötzlich die Idee,
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Du möchtest Seemann werden.
 
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Der Kletterschluß mißlingt dir freilich.
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Er klingt auch häßlich papageilich.
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Schon dieserhalb und um so mehr
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Schwankst du verzweifelt hin und her,
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Als atemloser Pendel.
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Und jäh umgibt dich in der Luft
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Ein unartikulierter Duft
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Sehr abseits von Lawendel.
 
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Und dann erreichst du ganz verzagt
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Den Balken unter Pusten,
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Und weil Marie von unten fragt,
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Und weil die Stimme dir versagt,
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So fängst du an zu husten.
 
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Die Dame frägt, ob schwindelfrei
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Und schüttelt die Manilla.
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Du mimst voll Angst und Heuchelei
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Den schwärmenden Gorilla.
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Doch weil allmählich Zeit vergeht
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Und nirgends eine Leiter steht,
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Entschließt du dich voll Grausen
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Und präsentierst dein Hinterteil
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Und angelst lange nach dem Seil
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Und läßt dich plötzlich sausen.
 
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Du plumpst der Dame auf die Brust
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Und tust, als tätst du das bewußt,
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Und blähst dich wie ein Segel.
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Und nickst ein heiteres Allheil!
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Und lachst und fühlst dich doch derweil
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Teils Burschenschaft, teils Flegel.
 
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Kein Mädchen, nicht einmal die Braut,
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Sieht gerne Hände ohne Haut.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Am Hängetau“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
43
Anzahl Wörter
223
Entstehungsjahr
1920
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Am Hängetau“ stammt von dem deutschen Schriftsteller und Dichter Joachim Ringelnatz, der von 1883 bis 1934 lebte. Damit lässt sich das Gedicht zeitlich der Epoche des Expressionismus und der Weimarer Republik zuordnen.

Auf den ersten Blick kommt das Gedicht humorvoll und mit leichter, spielerischer Sprache daher. Es handelt von einem lyrischen Ich, das sich an einem Tau, also einem Seil, hinaufzieht, während eine Frau namens Marie zusehen.

Das lyrische Ich beschreibt seine Erfahrungen und Gefühle während des Kletterns auf humorvolle und spielerische Weise. Es wird die Herausforderung des Kletterns thematisiert, aber auch die möglichen Ablenkungen, wie die Anwesenheit von Marie. Zudem spielt das Gedicht mit der absurden Idee, mitten im Klettern plötzlich den Wunsch zu verspüren, Seemann werden zu wollen.

Formal besteht das Gedicht aus unterschiedlich vielen Versen pro Strophe, was eine gewisse Flexibilität und Spontanität in der Darstellung unterstreicht. Die Sprache ist alltagsnah und humorvoll, mit zahlreichen Bildern und Metaphern. Beispielsweise der Vergleich mit dem „Wauwau“ und dem „schwärmenden Gorilla“, was die komische und absurde Atmosphäre des Gedichts verstärkt.

Darüber hinaus nutzt Ringelnatz hier eine Mischung aus Hochsprache und Umgangssprache, die den lustigen und lebendigen Ton des Gedichts unterstützt. Der abschließende Vers „Sieht gerne Hände ohne Haut“ suggeriert, dass das Klettern am Hängetau trotz aller Bemühungen und dem Versuch, sich lässig zu geben, tatsächlich eine sehr anstrengende und schmerzhafte Erfahrung für das lyrische Ich war.

Zusammenfassend gibt das Gedicht auf humorvolle Weise die Erlebnisse und Gefühle des lyrischen Ichs während des Kletterns wieder. Dabei spielt es mit absurden Gedanken, spielerischer Sprache und einer lebendige Atmosphäre, was zu dem humorvollen und unterhaltsamen Charakter des Gedichts beiträgt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Am Hängetau“ des Autors Joachim Ringelnatz. Der Autor Joachim Ringelnatz wurde 1883 in Wurzen geboren. Im Jahr 1920 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist München. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Moderne oder Expressionismus zuordnen. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 223 Wörter. Es baut sich aus 8 Strophen auf und besteht aus 43 Versen. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „Abglanz“, „Abschied von Renée“ und „Abschiedsworte an Pellka“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Am Hängetau“ weitere 560 Gedichte vor.

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