Der wilde Mann von Feldafing von Joachim Ringelnatz

Er schien zum Kriegsmann geboren.
Er trug nach allen Seiten hin Bart.
Selbst seine Beine waren behaart
Und steckten in Stiefeln mit Sporen.
Und trutzig über der Schulter hing
Ihm ein gewichtig Gewehr.
Mit gerunzelter Stirne ging
Er auf dem Bahnhof von Feldafing
Hin und her.
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Und stehend, stolz und schulterbreit
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Fuhr er dann zwei Stationen weit.
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Die Kinder bestaunten ihn sehr.
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Doch ehe noch ein Tag verging,
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Schritt er schon wieder durch Feldafing
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Mit einem Rucksack schwer.
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Doch weil es so stark regnete,
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Daß niemand ihm begegnete,
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Ärgerte er sich sehr.
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Als er durch seinen Garten schritt,
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Sang dort ein Vögelchen Kiwitt,
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Da griff er zum Gewehr:
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Puff!!!
 
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Ein kurzes Röchelchen –
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Ein kleines Löchelchen –
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Dann eine Katze – und etwas später:
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Ein kleines Knöchelchen
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Und eine Feder. –
 
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Der wilde Mann von Feldafing.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Der wilde Mann von Feldafing“

Anzahl Strophen
3
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
132
Entstehungsjahr
1928
Epoche
Moderne,
Expressionismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der wilde Mann von Feldafing“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettisten, der von 1883 bis 1934 lebte. Daher lässt sich das Gedicht zeitlich in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts einordnen.

Auf den ersten Blick handelt das Gedicht sowohl von einer individuellen als auch von einer gesellschaftlichen Erfahrung. Das lyrische Ich beschreibt einen Mann, der als martialisch und exzentrisch dargestellt wird. Dabei wird insbesondere seine Erscheinung, aber auch sein Verhalten, betont.

Inhaltlich beschreibt das Gedicht einen Mann, der sich scheinbar durch Kleidung und Verhalten als Kriegsmann inszeniert: Er trägt Bart, Stiefel mit Sporen und ein Gewehr, hat einen besonderen Gang und einen gerunzelten Gesichtsausdruck. Kontrastiert wird dieses Bild durch den Ort seines Aufenthalt, den Bahnhof Feldafing, einem Ort des Alltagslebens und der Zivilisation. Die Tatsache, dass er sich darin auffällig positioniert, zeigt seine Sehnsucht nach Anerkennung und Aufmerksamkeit, was vermutlich durch die Reaktion der Kinder als auch durch seinen Unmut über die mangelnde Beachtung bei schlechtem Wetter angedeutet wird. Das Schießen des Vogels am Ende könnte als Ausdruck seiner Frustration und Machtgelüste interpretiert werden.

Formal ist das Gedicht in drei Strophen aufgeteilt und in freien Versen geschrieben. Die Sprache ist eher schlicht gehalten und leicht verständlich, wobei die bildhafte Beschreibung des wilden Mannes eine humorvolle und leicht groteske Note hinzufügt und ihn in seiner Beeindruckendheit gleichzeitig entlarvt. Ein Spiel mit Klischees und überspitzter Darstellung, was oft für Ringelnatz' Werk charakteristisch ist und als gesellschaftskritischer, teils satirischer Kommentar gesehen werden kann.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „Der wilde Mann von Feldafing“ ein ironisches Porträt eines Mannes liefert, der sich in einer gesellschaftlichen Rolle inszeniert, welche offensichtlich nicht seiner Alltagsrealität entspricht. Es wirft Fragen nach Identität, Rollenbildern und Authentizität auf und zeigt auf humorvolle und leicht absurde Weise, die Diskrepanz zwischen Selbstbild und gesellschaftlicher Wahrnehmung.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der wilde Mann von Feldafing“ ist Joachim Ringelnatz. 1883 wurde Ringelnatz in Wurzen geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes geht auf das Jahr 1928 zurück. Berlin ist der Erscheinungsort des Textes. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Moderne oder Expressionismus zugeordnet werden. Der Schriftsteller Ringelnatz ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen. Das vorliegende Gedicht umfasst 132 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 28 Versen. Weitere Werke des Dichters Joachim Ringelnatz sind „Abschiedsworte an Pellka“, „Afrikanisches Duell“ und „Alone“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der wilde Mann von Feldafing“ weitere 560 Gedichte vor.

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