Der Jänner von Johann Peter Hebel

Im Ätti sezt der Öldampf zu.
Mer chönnte 's Ämpeli use tue,
und d'Läden uf. Der Morgeschi
blickt scho zum runde Nastloch i.
O lueget doch, wie chalt und rot
der Jänner uf de Berge stoht!
Er seit: »I bi ne bliebte Ma,
der Stern am Himmel lacht mi a!
Er glitzeret vor Lust und Freud,
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und mueß er furt, sen isch's em leid;
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er luegt mi a, und cha's nit lo,
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und würd bizite wieder cho.
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Und untermer in Berg und Tal,
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wie flimmeret's nit überal!
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An allen Ende Schnee und Schnee;
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's isch alles mir zu Ehre gscheh,
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und woni gang im wite Feld,
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sin Stroße bahnt, und Brücke gstellt.«
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Er seit: »I bi ne frische Ma,
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i ha ne luftig Tschöpli a,
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und roti Backe bis ans Ohr,
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e heiter Aug und Duft im Hoor,
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ke Wintergfrist, ke Gliederweh,
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und woni gang, se chracht der Schnee.«
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Er seit: »I bi ne gschickte Ma,
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lueg, wieni überzuckere cha!
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I chuuch, und an de Hürste hangt's,
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und an de zarte Birche schwankt's.
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Der Zuckerbeck mit gschickter Hand,
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mit Geld und Gut wär's nit im Stand.
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Jez lueg au dini Schiben a,
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und wieni Helgli chritzle cha!
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Do hesch e Blüemli, wenn's der gfallt,
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do hesch e ganze Tannewald!
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Der Früehlig chönnt's nit halber so,
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's isch mit der Farb nit alles to.«
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Er seit: »I bi ne starche Ma,
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und zwing mi näumer, wenn er cha!
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Der Forster gstablet uf der Jacht,
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der Brunntrog springt, der Eichbaum chracht.
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D'Frau Sunne mittem Gsichtli rund
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het's Herz nit, aß sie füre chunnt.«
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's isch wohr, me weiß nit, was sie tribt.
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und wo sie alli Morge blibt.
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Wie länger Nacht, wie spöter Tag,
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wie besser aß sie schlofe mag,
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und blieb es bis um Zehni Nacht,
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se chäm sie erst, wenn's Ölfi schlacht.
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Nei, het sie's ghört? Dört chunnt sie jo!
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Me meint, 's brenn alles liechterloh!
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Sie stoht im chalte Morgeluft,
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sie schwimmt im rote Nebelduft.
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Zeig, chuuch e wenig d'Schiben a,
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's isch, aß me besser luege cha!
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Der Nebel woget uf und ab,
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und d'Sunne chämpft, sie loßt nit ab.
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Jez het sie's gunne. Wit und breit
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strahlt ihri Pracht und Herrlichkeit.
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O lueg, wie 's über d'Dächer wahlt,
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am Chilchefenster, lueg, wie's strahlt!
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Der Jänner sezt si Arm in d'Huft,
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er ruckt am Hut, und schnellt in d'Luft.
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Der Jänner seit: »I förch di nit.
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Chumm, wenn de mit mer baschge witt!
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Was gilt's, de würsch bizite goh,
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und rüehmsch dim Büebli nüt dervo!«
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Je, 's wär wohl hübsch und liebli so,
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im warme Stübli gfallt's eim scho.
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Doch mengi Frau, daß Gott erbarm,
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sie nimmt ihr nackig Chind in d'Arm,
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sie het em nüt um d'Gliedli z'tue,
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und wicklet's mittem Fürtuech zue.
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Sie het kei Holz, und het kei Brot,
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sie sizt und chlagt's im liebe Gott.
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Gfriert Stei und Bei, wohl taut der Schmerz
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no Tränen uf im Muetterherz.
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Der Jänner isch e ruuche Ma,
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er nimmt si nüt um d'Armet a.
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Gang, bring der arme Fischer-Lis
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e Säckli Mehl, e Hemdli wiß,
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nimm au ne Wellen oder zwo,
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und sag, sie soll au zuenis cho,
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und Weihe hole, wenni bach,
84 
und decket jez der Tisch alsgmach.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (30.1 KB)

Details zum Gedicht „Der Jänner“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
84
Anzahl Wörter
532
Entstehungsjahr
1760 - 1826
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Jänner“ stammt von Johann Peter Hebel (1760 - 1826), der aufgrund seiner unverwechselbaren Alemannischen Mundartdichtung vor allem im süddeutschen Raum bekannt ist. Das Gedicht wurde wahrscheinlich zu Beginn des 19. Jahrhunderts verfasst.

Auf den ersten Blick handelt es sich um eine personaifizierte Beschreibung des Januars, der als robuste und lebendige Figur dargestellt wird, die die kalte und raue Landschaft des Winters freudig und stolz beherrscht. Trotz seiner kalten, teilweise harschen Eigenschaften, wird der Januar als eine notwendige und geschätzte Phase in der Abfolge der Jahreszeiten beschrieben.

Der Inhalt des Gedichts ist eine charakterstarke Darstellung des Januars. Mit stolzen Beschreibungen hebt er seine Stärken hervor, wie z.B. die glitzernde Schneedecke, die er über die Landschaft legt, oder das lustige Knirschen des Schnees unter seinen Füßen. Mit der Zeit bedroht jedoch die Wärme der Sonne, personifiziert als die „Frau Sunne“, seine beherrschende Position. Letztlich wendet sich das Gedicht jedoch dem realen, schwierigen Leben zu. Es wird eine arme Frau vorgestellt, die aufgrund des kalten Winters leidet und enthaltsam leben muss.

Das lyrische Ich könnte hier Interpretationsspielraum offenlassen. Es könnte die Rolle des Erzählers einnehmen, der über die Personifizierung des Januars spricht, oder es könnte den Ablauf der Jahreszeiten aus menschlicher Perspektive darstellen. Die melancholische Wendung am Ende könnte eine Kritik an der Ungerechtigkeit der Gesellschaft oder eine Erinnerung an die Bedeutung von Mitgefühl und Großzügigkeit in harten Zeiten sein.

Das Gedicht ist ausgeschmückt mit einer sehr bildhaften und sensorischen Sprache, die die Wahrnehmungen und Erfahrungen im Januar lebhaft darstellt. Es besteht aus 84 Versen und folgt keinem traditionellen Reimschema. Die Sprache ist Alemannisch, eine Dialektregion, die große Teile Süddeutschlands, Ostfrankreichs, die Schweiz und Liechtenstein umfasst. Dies gibt dem Gedicht einen ganz besonderen regionalen Charakter.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der Jänner“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Peter Hebel. Geboren wurde Hebel im Jahr 1760 in Basel. Zwischen den Jahren 1776 und 1826 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Die Angaben zur Epoche prüfe bitte vor Verwendung auf Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da sich die Literaturepochen zeitlich teilweise überschneiden, ist eine reine zeitliche Zuordnung fehleranfällig. Das Gedicht besteht aus 84 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 532 Worte. Johann Peter Hebel ist auch der Autor für Gedichte wie „Auf den Tod eines Zechers“, „Auf einem Grabe“ und „Das Habermuß“. Zum Autor des Gedichtes „Der Jänner“ haben wir auf abi-pur.de weitere 60 Gedichte veröffentlicht.

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