Geisterbesuch auf dem Feldberg von Johann Peter Hebel

Hani gmeint, der Denglegeist, ihr Chnabe vo Todtnau
seig e böse Geist, jez wüßti andere Bricht z'ge.
Us der Stadt, das bini, und will's au redli bekenne,
mengem Chaufher verwandt, vo siebe Suppe ne Tünkli,
aber e Sunntigchind. Wo näume luftigi Geister
uffem Chrützweg stöhn, in alte Gwölbene huse,
und verborge Geld mit füürigen Augen hüete,
oder vergosse Blut mit bittere Träne wäsche,
und mit Grund verscharre, mit rote Nägle verchratze,
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sieht's mi Aug, wenn's wetterleicht. Sie wimsle gar sölli.
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Und wo heilige Engel mit schöne blauen Auge
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in der tiefe Nacht in stille Dörfere wandle,
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an de Fenstere lose, und, höre sie lieblig Rede,
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gegen enander lächlen, und an de Hustüre sitze,
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und die frumme Lüt im Schlof vor Schade bewahre,
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oder wenn sie, selbander und -dritt, uf Gräbere wandle,
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und enander sage: »Do schloft e treui Mutter,
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do en arme Ma, doch het er niemes betroge.
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Schlofet sanft und wohl, mer wennich wecke, wenn's Zit isch«,
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sieht's mi Aug im Sterneliecht, und höri sie rede.
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Menge chenni mit Namen, und wemmer enander bigegne,
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biete mer is d'Zit, und wechsle Reden und Antwort:
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»Grüß di Gott! Hesch guti Wacht?« - »Gott dank der! so zimli.«
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Glaubet's oder nit! - Nemol, se schickt mi der Vetter
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Todtnau zu, mit allerhand verdrießlige Gschäfte.
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Wo mer's Kaffi trinken und Ankeweckli drin tunke:
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»Halt er si nienen uf, und schwetz er nit, was em ins Mul chunnt«,
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rüft mer der Vetter no, »und loß er si Tabatiere
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nit im Wirtshus lige, wie's sust bim Here der Bruuch isch.«
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Uf und furt, i gang, und was mi der Vetter ermahnt het,
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hani richtig versorgt. Jez sitzi z'Todtnau im Adler
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und jez gang i spaziere und mein, i chönn nit verirre,
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mein, i seig am Dorf; zlezt chresmi hinten am Feldberg,
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d'Vögel hen mi g'lockt, und an de Bächlene d'Blümli.
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Selle Fehler hani, i cha mi an allem vertörle.
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Drüber wird es chüel, und d'Vögel sitzen und schwige.
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S' streckt scho dört und do e Stern am düstere Himmel
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's Chöpfli use, und luegt, öb d'Sunn echt aben ins Bett seig,
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öb es echt dörf cho, und ruft den andere: »Chömmet!«
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Und i ha kei Hoffnig meh. Druf leg i mi nieder.
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's isch e Hütte dört, und isch en Ärfeli Strau drinn.
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'O du liebe Zit', so denki, 'wenn i deheim wär!
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Oder es wär scho Mitternacht. Es wird doch e Gspenstli
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näume dohinte si, und z'nacht um Zwölfi verwache,
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und mer d'Zit vertribe, bis früeih die himmlische Lichter
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d'Morgeluft verlöscht, und wird mer zeige, wo's Dorf isch.'
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Und jez, woni's sag, und mittem vordere Finger
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's Zitli frog, wo's Zeigerli stand, 's isch z'finster für's Aug gsi,
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und wo's Zitli seit, 's gang ab den Ölfen, und woni
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's Pfifli use leng, und denk: »Jez trinki no Tubak,
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aßi nit verschlof' - bim Bluest, se fangen uf eimol
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ihrer zwee ne Gspröchli a. I mein, i ha gloset.
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»Gell, i chumm hüt spoot? Drum isch e Meideli gstorbe
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z'Mambech, 's het e Fieberli gha und leidigi Gichter.
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's isch em wohl. Der Todesbecher hani em gheldet,
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aß es ringer gang, und d'Augen hani em zudruckt,
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und ha gseit: Schlof wohl! Mer wen di wecke, wenn's Zit isch.
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Gang, und bis so gut und hol mer e wengeli Wasser
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in der silberne Schale, i will jez mi Sägese dengle.«
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'Dengle', han i denkt, 'e Geist?' und düsele use.
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Woni lueg, so sitzt e Chnab mit goldene Fegge
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und mit wiißem Gwand und rosefarbigem Gürtel
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schön und liebli do, und nebenem brenne zwei Lichtli.
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»Alle gute Geister«, sagi »Herr Engel, Gott grüeß di!«
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»Loben ihre Meister«, seit druf der Engel, »Gott dankder!«
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»Nüt für übel, Her Geist! Und wenn e Frögli erlaubt isch,
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sag mer, was hesch du denn z'dengle?« - »D'Sägese«, seit er.
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»Jo, sel siehni«, sagi, »und ebe das möchti gern wisse,
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wozu du ne Sägese bruuchsch.« - »Zum Meihe. Was hesch gmeint?«
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seit er zu mer. Druf sagi: »Und ebe das möchti gern wisse«,
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sagi zunem: »Isch's verlaubt? Was hesch du denn z'meihe?«
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»Gras, und was hesch du so spoot do hinte z'verrichte?«
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»Nit gar viel«, hani gseit, »i trink e wengeli Tubak.
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Wäri nit verirrt, wohl wär's mer z'Todtnau im Adler.
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Aber mi Red nit z'vergesse, se sag mer, wenn d' witt so gut si,
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was du mittem Gras witt mache.« - »Futtere«, seit er.
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»Eben und das nimmt mi Wunder, de wirsch doch, Gott will, ke Chue ha?«
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»Nei, ne Chue just nit, doch Chalbele«, seit er, »und Esel.
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Siehsch dört selle Stern?« Druf het er mer obe ne Stern zeigt.
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»'s Wiehnechtchindlis Esel, und 's heilige Fridelis Chalble
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otme d'Sterneluft dört oben, und warten ufs Futter.
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Und dört wachst kei Gras, dört wachse numme Rosinli«,
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het er gseit, »und Milch und Honig rieslen in Bäche,
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aber 's Vieh isch semper, 's will alli Morge si Gras ha,
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und e Löckli Heu, und Wasser us irdische Quelle.
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Dordurwille dengli jez, und willi go meihe.
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Wärsch nit der Ehre wert, und seisch, de wellsch mer au helfe?«
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So het der Engel gseit. Druf sagi wieder zum Engel:
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»Lueg, 's isch so ne Sach. Es sott mer e herzligi Freud si,
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d'Stadtlüt wisse nüt vo dem; mer rechnen und schribe,
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zähle Geld, sel chönne mer, und messen und wäge;
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laden uf, und laden ab, und essen und trinke.
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Was me bruucht ins Muul, in Chuchi, Cheller und Chammer,
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strömt zu alle Toren i, in Zeinen und Chreze;
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's lauft in alle Gassen, es rueft an allen Ecke:
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Chromet Chirsi, chromet Anke, chromet Andivi!
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Chromet Ziebele, geli Rüebe, Peterliwurze!
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Schwebelhölzli, Schwebelhölzli, Bodekolrabe!
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Paraplü, wer koof? Reckholderberi und Chümmi!
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Alles für bar Geld, und alles für Zucker und Kaffee ...
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Hesch du au scho Kaffi trunke, Her Engel, wie schmeckt's der?«
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»Schwetz mer nit so närsch«, seit druf der Engel und lächlet.
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»Nei, mir trinke Himmelsluft und esse Rosinli,
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vieri alli Tag, und an de Sunntige fünfi.
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Chumm jez, wenn de mit mer wit, jez gangi go meihe,
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hinter Todtnau abe, am Weg, an grasige Halde.«
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»Jo, Her Engel, frili willi, wenn de mi mitnimmsch,
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's wird efange chüel. I will der d'Sägese trage.
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Magsch e Pfifli Tubak rauche, stoht's der zu Dienste.«
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Sieder rüeft der Engel: »Puhuh!« Ne füürige Ma stoht,
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wie im Wetter, do. »Chumm, zündis abe go Todtnau!«
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Seit's, und voris her marschiert der Puhuh in Flamme,
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über Stock und Stei und Dorn, e lebigi Fackle.
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»Gell, 's isch chummli so«, seit jez der Engel: »was machsch echt?
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Worum schlagsch denn Füür? Und worum zündisch di Pfifli
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nit am Puhuh a? De wirsch en doch öbbe nit förchte,
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so ne Fraufastechind, wie du bisch - het er di gfresse?«
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»Nei, Her Engel, gfresse nit. Doch mußi bikenne,
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halber hani'm numme traut. Gut brennt mer der Tubak.
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Selle Fehler hani, die füürige Manne förchi;
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lieber sieben Engel as so ne brennige Satan.«
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»'s isch doch au ne Gruus«, seit jez der Engel, »aß d'Mensche
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so ne Furcht vor Gspenstere hen, und hätte's nit nötig.
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's sind zwee einzigi Geister de Mensche gfährli und furchtbar;
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Irrgeist heißt der eint, und Ploggeist heißt der ander;
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und der Irrgeist wohnt im Wi. Us Channe und Chruse
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stigt er eim in Chopf, und macht zerrüttete Sinne.
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Selle Geist führt irr im Wald uf Wegen und Stege,
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's goht mit eim z'unterst und z'öberst; der Bode will unter eim breche!
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d'Brucke schwanke, d'Berge biwege si, alles isch doppelt.
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Nimm di vorem in Acht!« Druf sagi wieder zum Engel:
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»'s isch e Stich, er blutet nit! Her Gleitsma, i merk di.
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Nüechter bini gwis. I ha en einzig Schöpli
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trunke gha im Adler, und frog der Adlerwirt selber.
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Aber bis so gut und sag mer, wer isch der ander?«
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»Wer der ander isch«, seit jez der Engel, »das frogsch mi?
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's isch e böse Geist, Gott well di vorem biwahre.
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Wemme früeih verwacht, um Vieri oder um Fünfi,
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stoht er vorem Bett mit große füürigen Auge,
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seit eim gute Tag mit glühige Ruten und Zange.
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's hilft kei 'Das walt Gott', und hilft kei »Ave Maria!«
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Wemme bete will, enanderno hebt er eim's Muul zu;
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wemmen an Himmel luegt, se streut er Äschen in d'Auge;
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het me Hunger, und ißt - er wirft eim Wermut in d'Suppe;
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möcht me z'Obed trinke, er schüttet Gallen in Becher.
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Lauft me, wie ne Hirz, er au, und blibt nit dehinte;
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schlicht me wie ne Schatte, so seit er: Jo, mer wen gmach tu.
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Stoht er nit in der Chilchen, und sitzt er nit zu der in Wirtshuus?
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Wo de gosch und wo de stohsch, sin Gspenster und Gspenster.
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Gosch ins Bett, tuesch d'Auge zu, se seit er: 's pressiert nit
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mittem Schlof. Los, i will der näumis verzehle:
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Weisch no, wie de gstohle hesch, und d'Waisli bitroge?
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So und so, und das und deis, und wenn er am End isch,
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fangt er vorne a, und viel will's schlofe nit sage.«
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So het der Engel gseit, und wie ne füürige Luppe
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het der Puhu gsprüzt. Druf sagi wieder: »I bi doch
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au ne Sunntigchind, mit mengem Geistli befründet,
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aber bhüt mi Gott der Her!« Druf lächlet der Engel:
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»Bhalt di Gwisse rein, 's goht über Bsiebnen und Bsegne,
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und gang jez das Wegli ab, dört nieden isch Todtnau.
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Nimm der Puhuh mit, und lösch en ab in der Wiese,
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aß er nit in d'Dörfer rennt, und d'Schüüre nit azündt.
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Bhüt di Gott, und halt di wohl!« Druf sagi: »Her Engel!
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Bhüt di Gott der Her, und zürn nüt! Wenn de in d'Stadt chunnsch,
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in der heilige Zit, se bsuch mi, 's soll mer en Ehr si.
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's stöhn der Rosinli z'Dienst und Hypokras, wenn er di animmt.
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D'Sterneluft isch rau, absunderlig nebe der Birsig.«
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Drüber graut der Tag, und richtig chummi go Todtnau,
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und gang wieder Basel zu im lieblige Schatte.
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Woni an Mambech chumm, so trage sie 's Meideli use,
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mittem heilige Chrütz und mit der verblichene Fahne,
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mittem Chranz am Totebaum, und briegen und schluchze.
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Hent der's denn nit ghört? Er will's jo wecke, wenn's Zit isch,
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und am Zistig druf, se chummi wieder zum Vetter.
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D'Tubakdose hani richtig näume lo liege.

Details zum Gedicht „Geisterbesuch auf dem Feldberg“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
175
Anzahl Wörter
1683
Entstehungsjahr
1760 - 1826
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichtes „Geisterbesuch auf dem Feldberg“ ist Johann Peter Hebel. Im Jahr 1760 wurde Hebel in Basel geboren. Zwischen den Jahren 1776 und 1826 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das vorliegende Gedicht umfasst 1683 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 175 Versen. Johann Peter Hebel ist auch der Autor für Gedichte wie „Das Hexlein“, „Das Liedlein vom Kirschbaum“ und „Der Bettler“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Geisterbesuch auf dem Feldberg“ weitere 60 Gedichte vor.

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