Die Überraschung im Garten von Johann Peter Hebel

»Wer sprüzt mer alli Früeih mi Rosmeri?
Es cha doch nit der Tau vom Himmel si;
sust hätt der Mangeld au si Sach,
er stoht doch au nit unterm Dach.
Wer sprüzt mer alle Früeih mi Rosmeri?
Und wenn i no so früeih ins Gärtli spring,
und unterwegs mi Morgeliedli sing,
isch näumis gschafft. Wie stöhn jez reihewis
die Erbse wieder do am schlanke Ris
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in ihrem Bluest! I chumm nit us dem Ding.
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Was gilt's, es sin die Jumpferen usem See!
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Me meint zwar, 's chöm, wie lang scho, keini meh.
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Sust sin sie in der Mitternacht,
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wenn niemes meh as d'Sterne wacht,
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in d'Felder use gwandelt usem See.
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Sie hen im Feld, sie hen mit frummer Hand
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de brave Lüte gschafft im Garteland,
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und isch me früeih im Morgeschimmer cho,
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und het jez wellen an si Arbet go,
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isch alles fertig gsi - und wie scharmant!
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Du Schalk dört hinte, meinsch i seh di nit?
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Jo, duck di numme nieder, wie de witt!
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I ha mer's vorgstellt, du würsch's si.
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Was falleder für Jesten i?
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O lueg, vertritt mer mini Sezlig nit!«
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»O Kätterli, de hesch's nit solle seh!
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Jo, dine Blume hani z'trinke ge,
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und wenn de wotsch, i gieng für di dur's Füür
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und um mi Lebe wär mer dis nit z'tüür
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und 's isch mer, o gar sölli wohl und weh.«
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So het zum Kätterli der Friedli gseit;
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er het e schweri Lieb im Herze treit,
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und het's nit chönne sage just,
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und es het au in siner Brust
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e schüüchi zarti Lieb zum Friedli treit.
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»Lueg, Friedli, mini schöne Blüemli a!
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's sin nummen alli schöne Farbe dra.
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Lueg, wie eis gegen em andere lacht
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in siner holde Früehligstracht,
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und do sitzt scho ne flißig Immli dra.«
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»Was helfe mer die Blüemli blau und wiß?
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O Kätterli, was hilft mer's Immlis Fliß?
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Wärsch du mer hold, i wär im tiefste Schacht,
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i wär mit dir, wo au kei Blüemli lacht
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und wo kei Immli summst, im Paradies.«
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Und drüber hebt si d'Sunne still in d'Höh,
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und luegt in d'Welt, und seit: »Was muß i seh
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in aller Früeih?« - Der Friedli schlingt si Arm
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um's Kätterli, und 's wird em wohl und warm.
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Druf het em 's Kätterli e Schmützli ge.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.5 KB)

Details zum Gedicht „Die Überraschung im Garten“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
50
Anzahl Wörter
377
Entstehungsjahr
1760 - 1826
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Überraschung im Garten“ stammt von Johann Peter Hebel, einem deutschschweizerischen Schriftsteller und Lyriker der 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Das Werk kann aufgrund seiner Sprache und seines Inhalts typischerweise dem späten Rokoko und der frühen Romantik zugeordnet werden.

Beim ersten Eindruck entsteht durch die schweizerdeutsche Mundart eine besondere Atmosphäre, die dem Gedicht einen authentischen und volksnahen Charakter verleiht. Es spricht vornehmlich Themen des alltäglichen und ländlichen Lebens an, insbesondere die ländlichen Handlungen des Gärtnerns und die damit verbundenen Überraschungen sowie die zwischenmenschlichen Beziehungen.

Im Inhalt des Gedichts geht es darum, dass das lyrische Ich sich wundert, wer jeden Morgen seine Rosen mit Wasser besprüht. Er spekuliert, es könnten Frauen aus dem See sein, die nachts auf den Feldern und in den Gärten arbeiten. Als er einen vermeintlichen Übeltäter entdeckt, erkennt er, dass es sich um einen Liebenden handelt, der Wasser auf die Rosen sprüht, um seinen Zuneigungsbekundungen Kraft zu verleihen. Diesem follgt erklärtes Annähern und Liebesschwüre, die der Liebhaber dem lyrischen Ich, Kätterli, macht.

In der Form und Sprache weist das Gedicht eine klare Struktur auf, obwohl es in der Mundart verfasst ist und sich deshalb möglicherweise schwerer analysieren lässt. Die Verse sind lyrisch geschrieben und oft mit rhetorischen Fragen und Ausrufen verziert. Die Verwendung lokaler Ausdrücke und Umgangssprache schafft ein authentisches Bild von der dörflichen Lebenswelt und den Charakteren. Die Sprache ist poetisch und bildhaft, und durch die Verwendung von Metaphern und anderen Stilelementen wird eine starke emotionale Atmosphäre erzeugt. Die naturbezogenen Bilder und das einfache, ländliche Leben vermitteln ein Gefühl der Idylle und Harmonie. Dabei kombiniert Johann Peter Hebel lyrische Formen mit der Sprache und Kultur seiner Heimat, was ihm eine einzigartige Stellung in der Geschichte der deutschen Literatur einräumt. Das Gedicht endet mit einem intimen Moment, vermutlich einem Kuss ('Schmützli'), das den Liebesakt sowohl bestätigt als auch beschließt.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Überraschung im Garten“ des Autors Johann Peter Hebel. Geboren wurde Hebel im Jahr 1760 in Basel. In der Zeit von 1776 bis 1826 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zu. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das 377 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 50 Versen mit nur einer Strophe. Der Dichter Johann Peter Hebel ist auch der Autor für Gedichte wie „Auf einem Grabe“, „Das Habermuß“ und „Das Hexlein“. Zum Autor des Gedichtes „Die Überraschung im Garten“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 60 Gedichte vor.

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