Das Gewitter von Johann Peter Hebel

Der Vogel schwankt so tief und still,
er weiß nit, woner ane will.
Es chunnt so schwarz, und chunnt so schwer,
und in de Lüfte hangt e Meer
voll Dunst und Wetter. Los, wie's schallt
am Blauen, und wie's widerhallt.
In große Wirble fliegt der Staub
zum Himmel uf, mit Halm und Laub,
und lueg mer dört sel Wülkli a!
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I ha ke große Gfalle dra;
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lueg, wie mers usenander rupft,
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wie üser eis, wenn's Wulle zupft.
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Se helfis Gott, und bhüetis Gott!
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Wie zuckt's dur's Gwülch so füürig rot,
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und 's chracht und stoßt, es isch e Gruus,
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aß d'Fenster zitteren und 's Hus.
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Lueg 's Bübli in der Waglen a!
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Es schloft, und nimmt si nüt drum a.
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Sie lüte z'Schlienge druf und druf,
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je, und 's hört ebe doch nit uf.
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Sel bruucht me gar, wenn's dundere soll,
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und 's lütet eim no d'Ohre voll.
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O, helfis Gott! - Es isch e Schlag!
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Dört siehsch im Baum am Gartehag?
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Lueg, 's Bübli schloft no alliwil
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und us dem Dundere macht's nit vil.
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Es denkt: 'Das ficht mi wenig a,
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er wird jo d'Auge binem ha.'
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Es schnüfelet, es dreiht si hott
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ufs ander Öhrli. Gunn der's Gott!
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O, siehsch die helle Streife dört?
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O los! Hesch nit das Raßle ghört?
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Es chunnt. Gott wellis gnädig si!
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Göhnt weidli, hänket d'Läden i!
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's isch wieder akurat wie fern.
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Gut Nacht, du schöni Weizenern.
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Es schettert uffem Chilchedach;
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und vorem Hus, wie gäutscht's im Bach,
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und 's loßt nit no - daß Gott erbarm!
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Jez simmer wieder alli arm.
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Zwor hemmer au scho gmeint, 's seig so,
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und doch isch 's wieder besser cho.
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Lueg, 's Bübli schloft no allewil,
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und us dem Hagle macht's nit viel!
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Es denkt: 'Vom Briege loßt's nit no,
46 
er wird mi Teil schon übrig lo.'
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He jo, 's het au, so lang i's ha,
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zu rechter Zit si Sächli gha.
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O gebis Gott e Chindersinn!
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's isch große Trost und Sege drinn.
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Sie schlofe wohl und traue Gott,
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wenn's Spieß und Nägel regne wott,
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und er macht au si Sprüchli wohr
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mit sinen Englen in der Gfohr.
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Wo isch das Wetter ane cho?
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D'Sunn stoht am heitre Himmel do.
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's isch schier gar z'spot, doch grüß di Gott!
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»He«, seit sie, »nei, 's isch no nit z'spot;
59 
es stoht no menge Halm im Bah
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und menge Baum, und Öpfel dra.«
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Potz tausig, 's Chind isch au verwacht.
62 
Lueg, was es für e Schnüüfeli macht!
63 
Es lächlet, es weiß nüt dervo.
64 
Siehsch, Friederli, wie's ussieht do?
65 
Der Schelm het no si Gfalle dra.
66 
Gang, richt em eis si Päppli a!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (28.2 KB)

Details zum Gedicht „Das Gewitter“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
66
Anzahl Wörter
438
Entstehungsjahr
1760 - 1826
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Gewitter“ ist von Johann Peter Hebel, einem deutschen Dichter und Schriftsteller, der zwischen 1760 und 1826 gelebt hat. Aufgrund dessen lässt sich das Gedicht grob der Epoche der Weimarer Klassik (1786-1832) zuordnen, in der das Streben nach Harmonie und Ideal von großer Bedeutung war.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Gedicht in alemannischer Mundart geschrieben ist. Es handelt sich um eine recht lange Ballade, die das Naturereignis eines aufziehenden und dann abklingenden Gewitters beschreibt.

Inhaltlich schildert das lyrische Ich den Ablauf des Gewitters. Dem Gewitter wird eine gewisse Bedrohlichkeit zugeschrieben, durch die expressiven Beschreibungen vermittelt das lyrische Ich den Eindruck von Angst und Ehrfurcht vor der Naturerscheinung. Die Natur wird als überwältigend und chaotisch dargestellt, gleichzeitig zeigt das lyrische Ich aber auch Respekt und Bewunderung für die gewaltige Schönheit dieses Phänomens. Eingewoben in die dramatische Schilderung des Gewitters ist die Beobachtung eines schlafenden Kindes, für das das Ungewitter keine Bedrohung darstellt. Das Kind zeigt sich unbeeindruckt und friedlich – eine Metapher für unschuldiges Vertrauen und Gelassenheit gegenüber den Unwägbarkeiten des Lebens.

Formal fällt die Länge des Gedichts mit 66 Versen auf, die jedoch in freier Form strukturiert sind, es gibt keine strenge Versform oder ein festes Reimschema. Der Dialekt und die Alltagssprache erzeugen eine volksnahe, unverblümte Sprechweise, die zur lebendigen Beschreibung und emotionalen Aufladung des Gewitters beiträgt. Das Gedicht lebt von starken Bildern und Vergleichen, die die Kräfte der Natur greifbar und eindringlich darstellen.

Zusammenfassend erzählt das Gedicht „Das Gewitter“ von Johann Peter Hebel auf sehr nachdrückliche Weise von der Macht, Faszination und möglichen Bedrohlichkeit der Natur, aber auch von der kindlichen Unschuld und Gelassenheit im Angesicht solcher Naturgewalten.

Weitere Informationen

Johann Peter Hebel ist der Autor des Gedichtes „Das Gewitter“. 1760 wurde Hebel in Basel geboren. Zwischen den Jahren 1776 und 1826 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 438 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 66 Versen mit nur einer Strophe. Der Dichter Johann Peter Hebel ist auch der Autor für Gedichte wie „Der Bettler“, „Der Karfunkel“ und „Der Knabe im Erdbeerschlag“. Zum Autor des Gedichtes „Das Gewitter“ haben wir auf abi-pur.de weitere 60 Gedichte veröffentlicht.

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