Die Flucht von Johann Peter Hebel

Es chunnt e Burst mit blutigem Rock
mit sölligem Schnufe und Schwitze
ins Wirtshus z'laufe zum goldene Bock,
wo preußische Werber sitze:
»Her Werber, Her Werber, o rettet mi gschwind;
verstoche hani mis Vaters Chind,
mi Schätzli, das hani verstoche.«
»Und wenn du dein Schätzlein verstochen hast,
ist alle sein Leiden vollendet.«
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»Her Werber, das bringt mer kei Ruh und kei Rast,
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im Böse bini verpfändet.
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I gehr jo kei Handgeld, o rettet mi gschwind,
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's chunnt hinter mer z'laufe wie Wetter und Wind,
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furt über Bahnstei und Gränze.
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I ger ke Handgeld, Euch gib i no
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vier Taler, wenn der mi rettet.
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O chömmet, o chömmet enanderno,
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sust isch mi Lebe verwettet.«
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Der Werber gürtet si Sebel a,
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druf henkt er si Rauchtubaksblotere dra
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und ladet sini Pistole.
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Sie wandlen uf unvertrauter Bahn
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's Land ab und alliwil abe.
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Sie luegen enander bald freudig a:
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»Jez wäre mer überem Grabe.«
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Dört stoht der Bahnstei im grasige Feld,
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der Bursch lengt in d'Täschen und chnüslet im Geld:
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»Her Werber, vier bairische Taler.«
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.9 KB)

Details zum Gedicht „Die Flucht“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
172
Entstehungsjahr
1760 - 1826
Epoche
Aufklärung,
Empfindsamkeit,
Sturm & Drang

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts „Die Flucht“ ist Johann Peter Hebel, ein deutscher Dichter und Schriftsteller, der von 1760 bis 1826 lebte. Aus dieser Zeitspanne geht hervor, dass Hebel zur Zeit der deutschen Romantik schrieb.

Auf den ersten Blick handelt das Gedicht von einer dramatischen Flucht. Die Protagonisten sind ein junger Mann und ein preußischer Werber. Der junge Mann kommt in blutiger Kleidung in eine Gaststätte, in der der Werber sitzt. Offensichtlich in großer Not bittet der junge Mann den Werber um Hilfe, da er befürchtet, seiner Geliebten Unrecht getan zu haben. Die beiden machen sich auf den Weg und fliehen gemeinsam über die Landesgrenze. Der junge Mann verspricht dem Werber sogar Geld für seine Hilfe.

Die Aussage des lyrischen Ichs ist verzweifelt und voller Angst. Die Worte des jungen Mannes drücken tiefe Reue und Schuldgefühle aus. Er glaubt, seine Geliebte „verstochen“ zu haben, was im Dialekt von Hebel wahrscheinlich „verletzt“ oder „betrogen“ bedeutet. Er ist in einer verzweifelten Lage und wendet sich an den preußischen Werber, um Hilfe zu finden und seinen Verfolgern zu entkommen.

Das Gedicht ist in der Mundart des südwestdeutschen Raums verfasst, was dem Text eine volksnahe, authentische Note verleiht. Die Form des Gedichtes ist in Versen organisiert, jedoch ohne ein striktes Reimschema. Die Verwendung von Alltagssprache und der direkten Rede geben dem Gedicht einen realistischen Anstrich. Dies steht im Kontrast zu der dramatischen und fast überlebensgroßen Situation, in der sich der flüchtende Mann befindet.

Insgesamt zeichnet Hebel mit seinem Gedicht „Die Flucht“ ein starkes Bild von Verzweiflung, Schuld und der Flucht vor den eigenen Taten. Dabei weicht er von der Hochsprache ab und nutzt den Dialekt seiner Heimatregion, um die Szene realistisch und nachvollziehbar darzustellen.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Flucht“ des Autors Johann Peter Hebel. Geboren wurde Hebel im Jahr 1760 in Basel. Das Gedicht ist in der Zeit von 1776 bis 1826 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Aufklärung, Empfindsamkeit, Sturm & Drang, Klassik, Romantik, Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Die Richtigkeit der Epochen sollte vor Verwendung geprüft werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Da es keine starren zeitlichen Grenzen bei der Epochenbestimmung gibt, können hierbei Fehler entstehen. Das 172 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 28 Versen mit nur einer Strophe. Weitere Werke des Dichters Johann Peter Hebel sind „Auf einem Grabe“, „Das Habermuß“ und „Das Hexlein“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Flucht“ weitere 60 Gedichte vor.

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