Der neue Amadis von Johann Wolfgang von Goethe
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Als ich noch ein Knabe war, |
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Sperrte man mich ein. |
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Und so saß ich manches Jahr |
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Ueber mir allein, |
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Wie im Mutterleib. |
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Doch du warst mein Zeitvertreib, |
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Goldne Phantasie; |
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Und ich ward ein warmer Held, |
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Wie der Prinz Pipi, |
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Und durchzog die Welt. |
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Baute manch Cristallen Schloß, |
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Und zerstört es auch, |
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Warf mein blinkendes Geschoß |
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Drachen in den Bauch. |
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Ja ich war ein Mann. |
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Ritterlich befreyt ich dann |
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Die Prinzeßin Fisch. |
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Sie war gar zu obligeant, |
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Führte mich zu Tisch’, |
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Und ich war galant! |
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Und ihr Kuß war Himmelsbrod, |
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Glühend wie der Wein. |
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Ach! ich liebte fast mich todt. |
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Rings mit Sonnenschein |
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War sie emaillirt. |
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Ach wer hat sie mir entführt! |
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Hielt kein Zauberband |
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Ihr verräthrisch Fliehn? |
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Sagt, wo ist ihr Land? |
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Wo der Weg dahin? |
Details zum Gedicht „Der neue Amadis“
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um 1770
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Dieses Gedicht wurde von Johann Wolfgang von Goethe geschrieben, einem der bedeutendsten Dichter der deutschen Literatur, geboren am 28. August 1749 und gestorben am 22. März 1832. Somit kann das Gedicht dem 18. oder frühen 19. Jahrhundert zugeordnet werden.
Beim ersten Lesen fällt kindliche Unschuld und Feuer der Fantasie auf, das durch das Gedicht ausgestrahlt wird. Es handelt sich um eine kindliche Fantasie-Reise, welche der Protagonist in seiner Isolation aufgreift und weiterführt.
Das Gedicht beginnt mit der Schilderung des lyrischen Ichs als jungen Jungen, der isoliert wurde, und vergleicht diese Isolation mit der Zeit im Mutterleib. Die Phantasie wird zur Ablenkung und erfindet eine fantasievolle Welt, in der er ein Held ist, wie Prinz Pipi, der durch die Welt zieht. Er baut und zerstört Schlösser, bekämpft Drachen und befreit Prinzessinnen. Er ist in diese Prinzessin verliebt, doch sie wird ihm entrissen und er bleibt mit der Frage zurück, wo sie ist und wie er sie erreichen kann - eine metonymische Darstellung des Übergangs vom Traum zur Realität, des Verlusts der kindlichen Fantasie durch das Erwachsenwerden.
Formal besteht das Gedicht aus sechs Strophen mit jeweils fünf Versen, was eine klare Struktur und einen rhythmischen Fluss beim Lesen erzeugt. Die Sprache ist im Allgemeinen einfach und leicht verständlich, was die kindliche Unschuld und Naivität des lyrischen Ichs unterstreicht. Die kindliche Fantasie ist durch Begriffe wie Drachen, Prinzen, Prinzessinnen und Schlösser gekennzeichnet. Vor allem der Begriff „Prinz Pipi“ macht klar, dass das lyrische Ich die Welt durch die Augen eines Kindes sieht, was durch die Erwähnung von 'Mutterleib' in der ersten Strophe bereits angedeutet wird.
Insgesamt stellt Goethe in „Der Neue Amadis“ die Kraft und den Reichtum der kindlichen Vorstellungskraft dar und wie diese die Einschränkungen der physischen Welt überwinden kann. Andererseits zeigt er auch den unvermeidlichen Übergang in die Erwachsenenwelt, wo diese Fantasiewelt verschwindet und alltägliche Realität übernimmt.
Weitere Informationen
Johann Wolfgang von Goethe ist der Autor des Gedichtes „Der neue Amadis“. Goethe wurde im Jahr 1749 in Frankfurt am Main geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1770 entstanden. Der Erscheinungsort ist Düsseldorf. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei Goethe handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Epoche der Literatur, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Rebellieren gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Bei den Autoren handelte es sich meist um junge Schriftsteller. Meist waren sie unter 30 Jahre alt. Die Schriftsteller versuchten in den Dichtungen eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Mit der Hinwendung Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.
Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und endete mit Goethes Tod im Jahr 1832. Literarisches Zentrum und Ausgangspunkt der Weimarer Klassik (kurz auch oftmals einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Die Klassik geht von der Erziehbarkeit des Menschen zum Guten aus. Ihr Ziel ist die Humanität, die wahre Menschlichkeit (das Schöne, Gute, Wahre). Die Autoren der Klassik gingen davon aus, dass Gott den Menschen Vernunft und Gefühle gibt und die Menschen damit dem Leben einen Sinn geben. Der Mensch ist also von höheren Mächten abhängig. In der Lyrik haben die Autoren auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders geschätzt. Des Weiteren verwendeten die Autoren eine gehobene, pathetische Sprache. Die berühmtesten Dichter der Klassik sind: Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried von Herder.
Das Gedicht besteht aus 30 Versen mit insgesamt 6 Strophen und umfasst dabei 126 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Wolfgang von Goethe sind „An Lida“, „An den Mond“ und „An den Schlaf“. Zum Autor des Gedichtes „Der neue Amadis“ haben wir auf abi-pur.de weitere 1618 Gedichte veröffentlicht.
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