Der kluge Kranich von Wilhelm Busch

Ich bin mal so, sprach Förster Knast,
Die Flunkerei ist mir verhaßt,
Doch sieht man oft was Sonderbares.
 
Im Frühling vor fünf Jahren war es,
Als ich stockstill, den Hahn gespannt,
Bei Mondschein vor dem Walde stand.
Da läßt sich plötzlich flügelsausend
Ein Kranichheer, wohl an die tausend,
Ganz dicht zu meinen Füßen nieder.
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Sie kamen aus Ägypten wieder
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Und dachten auf der Reise nun
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Sich hier ein Stündchen auszuruhn.
 
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Ich selbstverständlich, schlau und sacht,
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Gab sehr genau auf alles acht.
 
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Du, Hans, so rief der Oberkranich,
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Hast heut die Wache, drum ermahn ich
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Dich ernstlich, halt dich stramm und paß
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Gehörig auf, sonst gibt es was.
 
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Bald schlief ein jeder ein und sägte.
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Hans aber stand und überlegte.
 
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Er nahm sich einen Kieselstein,
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Erhob ihn mit dem rechten Bein
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Und hielt sich auf dem linken nur
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In Gleichgewicht und Positur.
 
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Der arme Kerl war schrecklich müd.
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Erst fiel das linke Augenlid.
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Das rechte blinzelt zwar noch schwach,
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Dann aber folgt’s dem andern nach.
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Er schnarcht sogar. Ich denke schon:
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Wie wird es dir ergehn, mein Sohn?
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So denk ich, doch im Augenblick,
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Als ich es dachte, geht es klick!
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Der Stein fiel Hänschen auf die Zeh,
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Das weckt ihn auf, er schreit auweh!
 
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Er schaut sich um, hat mich gewittert,
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Pfeift, daß es Mark und Bein erschüttert,
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Und allsogleich im Winkelflug
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Entschwebt der ganze Heereszug.
 
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Ich rief hurra! und schwang den Hut.
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Der Vogel der gefiel mir gut.
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Er lebt auch noch. Schon oft seither
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Sah man ihn fern am Schwarzen Meer
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Auf einem Bein auf Posten stehn.
 
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Dies schreibt mein Freund, der Kapitän,
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Und was er sagt, ist ohne Frage
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So wahr, als was ich selber sage.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.2 KB)

Details zum Gedicht „Der kluge Kranich“

Anzahl Strophen
10
Anzahl Verse
46
Anzahl Wörter
280
Entstehungsjahr
nach 1848
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz,
Realismus

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der kluge Kranich“ wurde von dem deutschen Dichter und Zeichner Wilhelm Busch verfasst, der von 1832 bis 1908 lebte. Dies lässt die Vermutung zu, dass das Gedicht im späten 19. Jahrhundert entstanden ist.

Auf den ersten Blick zeigt sich das Gedicht als humorvolle und unterhaltsame Erzählung. Erzähler ist der Förster Knast, der eine Begebenheit aus seiner Vergangenheit schildert. In einfacheren Worten beschreibt er, wie er einst bei Mondschein ein großes Kranichheer beobachten konnte, das aus Ägypten zurückkehrte und sich nahe seinem Standpunkt ausruhen wollte. Die Kraniche wählten einen Wächter aus ihrer Mitte, der schlafend ein Schläfchen einlegen sollte, aber durch einen Trick wach blieb: Er balancierte einen Kieselstein auf seinem Bein, und falls er einschlafen und umfallen würde, würde der Stein ihn wecken. Als genau dies passierte, entdeckte der Kranich Förster Knast, warnte seine Kameraden und sie flogen alle weg.

Es scheint, dass das lyrische Ich diese Erinnerung mit einem Augenzwinkern erzählt, was eine humorvolle Betrachtung der Tierwelt darstellt. Außerdem betont der Förster seine Ehrlichkeit und seine Ablehnung der „Flunkerei“ (Lüge), was uns aber auch seine Erzählung hinterfragen lässt.

Das Gedicht ist reich an Metaphern und lebhaften Bildern, was es sowohl unterhaltsam als auch anschaulich macht. Die Strophenanzahl und die Anzahl der Verse variiert von Strophe zu Strophe, was ein Gefühl von Lebendigkeit und Bewegung erzeugt.

In Bezug auf die Sprache nutzt Busch einfache und direkte Ausdrücke, die eine klare und leicht verständliche Erzählung ermöglichen. Er verwendet auch Reime, um den Rhythmus zu verbessern und das Lesen des Gedichts zu einem angenehmen Erlebnis zu machen.

Insgesamt ist das Gedicht „Der kluge Kranich“ ein humorvolles und unterhaltsames Stück, das eine charmante Geschichte mit klugen und lebendigen Bildern darstellt. Durch die Betonung der Ehrlichkeit des Erzählers wird der Leser angeregt, das Gedicht und möglicherweise die Narration des Försters selbst zu hinterfragen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der kluge Kranich“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Wilhelm Busch. Busch wurde im Jahr 1832 in Wiedensahl geboren. In der Zeit von 1848 bis 1908 ist das Gedicht entstanden. In Wiesbaden u. Berlin ist der Text erschienen. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Biedermeier, Junges Deutschland & Vormärz, Realismus, Naturalismus oder Moderne zugeordnet werden. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das Gedicht besteht aus 46 Versen mit insgesamt 10 Strophen und umfasst dabei 280 Worte. Der Dichter Wilhelm Busch ist auch der Autor für Gedichte wie „Ach, wie geht’s dem Heilgen Vater“, „Als Christus der Herr in Garten ging“ und „Als er noch krause Locken trug“. Zum Autor des Gedichtes „Der kluge Kranich“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 208 Gedichte vor.

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