Die Perle von Johann Gottfried Herder

Dieser Silbertropfen Band!
Denn die Göttin stiller Anmuth
Hat Dir selbst sie zuerkannt.
 
Als sie aus des Meeres Wellen
Wie ein Traum der Liebe stieg,
Kam demüthig eine Muschel,
Die sie trug und sittsam schwieg.
 
Wellen hüpften um die Göttin,
Weste buhlten um sie her;
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Aber die gefällig-gute
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Dienerin gefiel ihr mehr.
 
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»Womit soll ich Dich belohnen?«
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Sprach sie, und vom Silberglanz
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Ihrer Glieder schwamm die Muschel
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Silbern schon im Wellentanz.
 
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»Nimm den Tropfen meines Haares,
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Künftig nur der Unschuld Schmuck!«
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Und der Tropfen ward zur Perle
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In der Muschel, die sie trug.
 
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Ewig jetzt ein Schmuck der Unschuld,
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Stiller Anmuth selbst ein Bild,
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Ohne Gaukelei der Farben
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In bescheidnen Reiz gehüllt,
 
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Sehnet sie sich aus der Krone
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Des Monarchen in das Band,
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Das der Unschuld Haar umschlinget,
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Einer Göttin Haar entwandt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.8 KB)

Details zum Gedicht „Die Perle“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
27
Anzahl Wörter
132
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die Perle“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, einem bedeutenden Dichter und Philosophen der deutschen Aufklärung und Weimarer Klassik, er lebte von 1744 bis 1803.

Beim ersten Eindruck fallen die Schönheit und Eleganz der Verse und Strophen auf. Der Ton und Ausdruck des Gedichts wirken edel und anmutig, im Einklang mit der angesprochenen und gefeierten Schönheit der Perle.

Inhaltlich stellt Herder die Perle als Symbol der Unschuld, Reinheit und stillen Anmut dar. Eine Göttin überreicht demütig einer Muschel einen Tropfen ihres Haares, der zur Perle wird. Diese Geschichte betont das kostbare und einzigartige Wesen der Perle, die als Schmuck der Unschuld und Symbol der stille Anmut gilt. Das lyrische Ich beschreibt, wie die Perle sich sehnt, aus der Krone eines Monarchen entnommen und in das Haar der Unschuld eingeflochten zu werden, als Zeichen der Reinheit und himmlischer Abstammung.

Formal ist das Gedicht in sieben Strophen unterteilt, mit einer variierenden Anzahl von Versen pro Strophe, meist vier Verse. Die Sprache ist detailliert und ausdrucksstark, mit einer klaren Verwendung von Metaphern und Symbolik. Der Silbertropfen, das Haar der Göttin, und schließlich die Perle selbst, werden als Symbole der Schönheit, Reinheit und Würde dargestellt.

Die Wahl der Worte und der Aufbau des Gedichts verstärken den edlen und besonderen Charakter der Perle als Symbol. Es ist der Wunsch des Dichters, die außergewöhnliche Qualität und Bedeutung der Perle hervorzuheben, die sie zu einem geschätzten und bewunderten Objekt macht, das sowohl in der Welt der Götter als auch in der der Menschen geschätzt wird. Die auf stiller Anmut basierende Bewunderung und Wertschätzung der Perle, ihre Darstellung als Zeichen der Unschuld und außergewöhnlichen Schönheit, zeugen von Herders Fähigkeit, Bedeutung und Emotionen durch seine Kunst des Schreibens zum Ausdruck zu bringen. Durch seine Worte und Ideen ehrt Herder die Schönheit der Natur und die Werte von Reinheit und Einfachheit.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Die Perle“ des Autors Johann Gottfried Herder. Geboren wurde Herder im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen). Zwischen den Jahren 1760 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von etwa 1765 bis 1790 und wird häufig auch Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Der Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. Der Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich dabei gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich aber auch gegen das Bürgertum, das als eng und freudlos galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest der Epoche des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Die Vertreter waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, meistens nicht älter als 30 Jahre. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die traditionellen Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Goethe, Schiller und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik war geprägt durch die Französische Revolution mit ihren Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Der Kampf um eine Verfassung, die revolutionäre Diktatur unter Robespierre und der darauffolgende Bonapartismus führten zu den Grundstrukturen des 19. Jahrhundert (Nationalismus, Liberalismus und Imperialismus). Die Weimarer Klassik lässt sich zeitlich mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und mit Goethes Tod 1832 eingrenzen. Das Zentrum der Weimarer Klassik lag in Weimar. Häufig wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. Prägend für die Zeit der Klassik ist der Begriff Humanität. Toleranz, Menschlichkeit, Selbstbestimmung, Schönheit und Harmonie sind wichtige inhaltliche Merkmale der Klassik. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Klassik charakteristisch. Während man in der Epoche des Sturm und Drangs die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Goethe und Schiller.

Das Gedicht besteht aus 27 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 132 Worte. Der Dichter Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Bilder und Träume“, „Das Flüchtigste“ und „Das Gesetz der Welten im Menschen“. Zum Autor des Gedichtes „Die Perle“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.

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