Der liebende Schöpfer von Johann Gottfried Herder

»Was singt Ihr Vögel so mit Macht?
Wem singet Ihr so früh?«
Ihm, der sie froh und frei gemacht,
Dem Schöpfer singen sie.
 
»Wem blüht Ihr Blumen auf der Au?
Wem duftet Ihr so früh?«
Der ihnen Farben gab und Thau,
Dem Schöpfer duften sie.
 
Wach auf, o Herz, erwache, Geist!
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Sieh, was er Dir gethan!
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Der aller Schöpfung Schöpfer heißt,
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Blickt Dich als Vater an.
 
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Blüh auf, schwing auf Dich über Luft
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Und Sonn' und Himmelblau,
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Du, mehr als aller Blumen Duft,
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Als Sang und Morgenthau.
 
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Du, als die Schöpfung lieblicher,
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Unendlicher als sie,
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Wer ist wie Du? Du bist wie Er,
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Der Dir sein Bild verlieh.
 
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Fall' an sein Herz, an seine Brust,
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Als Kind in seinen Schooß!
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Du bist in Vaters Lieb' und Lust
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Mehr als die Schöpfung groß.
 
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Und gehe fort an seiner Hand,
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In Lieb' und Güte fest!
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Wird ihm sein eignes Herz entwandt,
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Alsdann er Dich verläßt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25.8 KB)

Details zum Gedicht „Der liebende Schöpfer“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
153
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorgestellte Gedicht „Der liebende Schöpfer“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst. Herder lebte im 18. Jahrhundert und gehörte der Epoche der Aufklärung und der Weimarer Klassik an.

Auf den ersten Blick lässt sich sagen, dass das Gedicht eine ausgesprochen lebendige und reichhaltige Naturthematik aufweist, die mit einer religiösen Reflexion verknüpft ist. Man kann davon ausgehen, dass der lyrische Ich in diesem Werk die Natur als Zeichen für Gottes großer schöpferischer Liebe sieht und sich dabei intensiv an den Leser wendet, um diesen über die Wichtigkeit von Anerkennung und Dankbarkeit für den Schöpfer zu unterweisen.

Im Gedicht stellen sich der Sprecher und das lyrische Ich Fragen in Bezug auf die Ursprünge des natürlichen Schönen (Blumen, Vögel) und schlussfolgern, dass dies das Werk des Schöpfers, Gottes, ist. Das lyrische Ich zeichnet dann ein visuelles Bild, um den Leser anzuspornen und ihn dazu zu ermutigen, mehr als nur die äußere Schönheit der Natur zu erkennen, sondern auch ihren geistigen Kern: die Liebe Gottes. In den letzten Strophen entwickelt sich ein intimer und persönlicher Umgang mit Gott, in dem das lyrische Ich die Menschheit als Gottes bevorzugte Schöpfung darstellt und auffordert, das Leben mit Liebe und Dankbarkeit zu führen.

In Bezug auf die Form sind die Strophen sehr geordnet. Jede Strophe besteht aus vier Versen, und es gibt eine klare und beständige Reimstruktur (Kreuzreim), die das Gedicht gut strukturiert und leicht zugänglich macht. In Bezug auf die Sprache ist das Gedicht sehr bildlich und nutzt Metaphern und bildhafte Darstellungen, um ein klareres Bild des Schöpfers und seiner Schöpfungen zu vermitteln. Es ist bemerkenswert, dass Herder die Natur als eine Art Brücke nutzt, um die göttliche Existenz und Präsenz darzustellen.

Alles in allem ist „Der liebende Schöpfer“ ein Werk, das den Lesern die Schönheit und Würde der Schöpfung zeigt und sie dazu ermutigt, den Schöpfer als liebevollen Vater zu erkennen, zu lieben und zu vertrauen. Die Verwendung der Natur als Metapher stellt eine wesentliche Verbindung zwischen dem Göttlichen und der Menschheit dar und betont die Bedeutung der gegenseitigen Liebe und Dankbarkeit.

Weitere Informationen

Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „Der liebende Schöpfer“. Der Autor Johann Gottfried Herder wurde 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Im Zeitraum zwischen 1760 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Der Schriftsteller Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Die Epoche des Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird der Sturm und Drang auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter waren meistens junge Autoren, zumeist nicht älter als 30 Jahre. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit seinen beiden wichtigen Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Die Literaturepoche der Weimarer Klassik dauerte von 1786 bis 1832 an. Zentrale Vertreter dieser Epoche waren Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die zeitliche Abgrenzung orientiert sich dabei an dem Schaffen Goethes. So wird dessen erste Italienreise 1786 als Beginn der deutschen Klassik angesehen, die dann mit seinem Tod 1832 ihr Ende nahm. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. Der Begriff Humanität ist von zentraler Bedeutung für die Zeit der Klassik. Die wichtigsten inhaltlichen Merkmale der Klassik sind: Harmonie, Selbstbestimmung, Toleranz, Menschlichkeit und die Schönheit. In der Gestaltung wurde das Gesetzmäßige, Wesentliche, Gültige sowie die Harmonie und der Ausgleich gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache oft roh und derb ist, bleibt die Sprache in der Weimarer Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Goethe und Schiller.

Das Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen und umfasst dabei 153 Worte. Die Gedichte „Bilder und Träume“, „Das Flüchtigste“ und „Das Gesetz der Welten im Menschen“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Zum Autor des Gedichtes „Der liebende Schöpfer“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

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