Die edlere Rache von Johann Gottfried Herder

»Auf! räche Dich!« sprach ein gerechter Zorn,
Der starkbewaffnet mir im Herzen saß,
»Auf! räche Dich und gieb der Welt und Nachwelt
Zu wissen seine Schmach und Deine Unschuld!«
Erschüttert ward mein Geist, wie auf den Klang
Der kriegrischen Drommet' ein edles Roß
Emporschnaubt und den Sporn verachtet. Doch
Ein zweiter, edlerer Gedanke stieg
In mir empor und hielt den Zügel ihm
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Und bändigte mein Herz: »Wie? und Du willst
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Solch einem Namen, solcher niedern That
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Noch Welt und Leben geben? Nimmermehr!
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Erwarte ruhig, bis die starke Zeit
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Dich rächet und Dir sanft den Schmerz verwischt!«
 
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Die Rache nimmt ein edler, stolzer Geist
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An seinem niedern Feinde. Hochgemuth
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Verachtet er des Neides Schmach - und schweigt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Die edlere Rache“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
17
Anzahl Wörter
116
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Die edlere Rache“ stammt von Johann Gottfried Herder, einem Philosophen und Dichter aus der Zeit der Aufklärung (in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts).

Die erste Strophe spricht über einen Moment, in dem das lyrische Ich von einer intensiven Wut überwältigt wird, die es dazu antreibt, sich zu rächen und die Ungerechtigkeit, die ihm widerfahren ist, deutlich zu machen. Diese Wut wird durch ein kraftvolles Bild - ein Kampfpferd, das bei Kriegstrommelklang aufschreckt - veranschaulicht. Jedoch tritt ein zweiter, „edlerer“ Gedanke auf und hält das lyrische Ich davon ab, dem ersten Impuls zu folgen. Dieser Gedanke appelliert an das lyrische Ich, nicht weiter zur Schande seines Antagonisten beizutragen, indem es Aufmerksamkeit darauf lenkt und stattdessen geduldig zu warten, dass die Zeit den Schmerz lindert und eine Art natürliche Vergeltung eintritt.

Die zweite Strophe verstärkt diese Botschaft der Selbstkontrolle und des Stolzes. Es wird argumentiert, dass ein „edler, stolzer Geist“ nicht auf das Niveau eines niedrigen Feindes herabsteigen sollte, indem er sich rächt. Stattdessen sollte dieser Geist die Schmach des Neides abstreifen und schweigen.

In Bezug auf Form und Sprache fällt auf, dass das Gedicht ein freies Versmaß benutzt und keine Reime beinhaltet, was auf den ernsten Ton des Gedichts hindeutet. Die Sprache ist gehoben und metaphorisch, insbesondere hinsichtlich der Darstellung der Emotionen des lyrischen Ichs. Das lyrische Ich stellt seine Gedanken als Dialog mit sich selbst dar, was das innere Ringen und die Selbstreflexion unterstreicht.

Zusammenfassend ist Herders „Die edlere Rache“ eine poetische Darstellung der inneren Auseinandersetzung zwischen sofortiger Rache und Geduld, zwischen impulsiver Wut und stolzer Zurückhaltung. Es schlägt vor, dass die wahre Stärke nicht in der sofortigen Rache liegt, sondern in der Fähigkeit, Wut zu überwinden und Würde zu bewahren.

Weitere Informationen

Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „Die edlere Rache“. Geboren wurde Herder im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen). Das Gedicht ist in der Zeit von 1760 bis 1803 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet wird. Die Literaturepoche ordnet sich nach der Epoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Die Epoche des Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen das gesellschaftliche System und die Prinzipien der Aufklärung wendeten. Die Vertreter des Sturm und Drang waren häufig junge Schriftsteller im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten weiterhin als Inspiration. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik dauerte von 1786 bis 1832 an. Bedeutende Vertreter dieser Epoche waren Goethe und Schiller. Die zeitliche Abgrenzung orientiert sich dabei an dem Schaffen Goethes. So wird dessen erste Italienreise im Jahr 1786 als Beginn der deutschen Klassik angesehen, die dann mit seinem Tod im Jahr 1832 ihr Ende nahm. Das Zentrum dieser Literaturepoche lag in Weimar. Es sind sowohl die Bezeichnungen Klassik als auch Weimarer Klassik gebräuchlich. Von zentraler Bedeutung für die Zeit der Klassik ist der Begriff Humanität. Menschlichkeit, Toleranz, Schönheit, Selbstbestimmung und Harmonie sind wichtige inhaltliche Merkmale der Klassik. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. In der Lyrik haben die Dichter auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders geschätzt. Darüber hinaus verwendeten die Dichter eine pathetische, gehobene Sprache. Die berühmtesten Schriftsteller der Klassik sind Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Weitere Schriftsteller der Klassik sind Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Die beiden letztgenannten arbeiteten jeweils für sich. Einen konstruktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.

Das vorliegende Gedicht umfasst 116 Wörter. Es baut sich aus 2 Strophen auf und besteht aus 17 Versen. Die Gedichte „Das Flüchtigste“, „Das Gesetz der Welten im Menschen“ und „Das Glück“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Zum Autor des Gedichtes „Die edlere Rache“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

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