Amor und Psyche von Johann Gottfried Herder

Ein Seufzer, der von Mund zu Munde fliegt,
Wenn Seele sich an Seele innig schmiegt,
Der Herzen Uebergang, da leis' und still
Das süße Wort zum Wort nicht werden will,
Das süße Wort zum Wort nicht werden kann:
Verloren schauen sich die Seelen an
Und schöpfen in der Gottheit reinstem Quell
Gedanken, Wünsche, Blicke zart und hell;
Der Hauch, der dann das Leben süß verlängt,
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Der Athem, der den Busen aus sich drängt,
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Der Augenblick, der Ewigkeit Genuß,
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Der Wesen reinste Wollust ist - ein Kuß.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (23.9 KB)

Details zum Gedicht „Amor und Psyche“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
86
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von Johann Gottfried Herder, einem bedeutenden Dichter und Philosophen des 18. Jahrhunderts. Es trägt den Titel „Amor und Psyche“, angelehnt an einen antiken Mythos und kann damit zeitlich in die Epoche der literarischen Strömung Sturm und Drang eingeordnet werden.

Beim ersten Lesen fällt auf, dass das Gedicht zärtlich und leidenschaftlich die Verbindung zweier Liebender beschreibt. Das lyrische Ich spricht von einem Seufzer, der zwischen zwei Seelen fliegt, wenn sie sich innig aneinander schmiegen. Er spricht von Gedanken, Wünschen und Blicken, die in göttlicher Klarheit ausgetauscht werden, von Atem, der den Busen füllt, und einem Augenblick, der wie die Ewigkeit schmeckt. Schlussendlich wird erklärt, dass all dies letztlich ein Ausdruck der reinen Lust der Wesen ist – ein Kuss.

Inhaltlich lässt sich feststellen, dass das Gedicht das innige und spirituelle Erleben von Zuneigung und Liebe beschreibt. Das lyrische Ich fasst die Erfahrung und den Wert eines Kusses in hohen Maße - die Verbundenheit zweier Seelen, das leise Wechseln von Herz zu Herz, das Austauschen von Göttlichkeit - poetisch zusammen. Alle diese Empfindungen, die in einem einfachen Kuss vereint sind, werden selbst zur Gotteserfahrung erklärt. Liebe wird hier als erhaben, mystisch und transzendent dargestellt.

Formal handelt es sich hierbei um eine einstrophige Dichtung aus zwölf Versen. Die Sprache ist gehoben und die Wortwahl ist sorgfältig gewählt, um die Zärtlichkeit und Tiefe der beschriebenen Ereignisse zu betonen. Dabei wird eine ausdrucksstarke und bildhafte Sprache genutzt, um die Betonung auf das Gefühl der Geliebten und die Spiritualität der Erfahrung zu legen. Darüber hinaus unterstreicht die durchgängige Verwendung von Endreimen die Harmonie und den Rhythmus des Gedichts.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Herders „Amor und Psyche“ ein berührendes Gedicht ist, dass die spirituelle Erfahrung von Liebe und Zuneigung betont und dabei die menschliche Sehnsucht und Hingabe zur Gotteserfahrung erhebt. Es handelt sich dabei um ein bedeutsames lyrisches Werk, das die Tiefe und die Transzendenz der Liebeserfahrung darstellt.

Weitere Informationen

Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „Amor und Psyche“. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1760 bis 1803 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird die Epoche des Sturm und Drang auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Auflehnen oder Rebellieren gegen die Aufklärung zusammenfassen. Das philosophische und literarische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Schriftsteller im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Goethe, Schiller und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik war geprägt durch die Französische Revolution mit ihren Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Der Kampf um eine Verfassung, die revolutionäre Diktatur unter Robespierre und der darauffolgende Bonapartismus führten zu den Grundstrukturen des 19. Jahrhundert (Nationalismus, Liberalismus und Imperialismus). Die Literaturepoche der Weimarer Klassik lässt sich zeitlich mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und mit Goethes Tod 1832 eingrenzen. Wie der Name bereits verrät, liegen der Ausgangspunkt und das literarische Zentrum der Weimarer Klassik, die auch kurz Klassik genannt wird, in Weimar. Zum Teil wird auch Jena als ein weiteres Zentrum der Literaturepoche angesehen. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Klassik nach Vollkommenheit, Harmonie, Humanität und der Übereinstimmung von Inhalt und Form gesucht. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik typisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die wichtigsten Schriftsteller der Weimarer Klassik sind: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried von Herder.

Das 86 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 12 Versen mit nur einer Strophe. Die Gedichte „An Auroren“, „An den Schlaf“ und „An die Freundschaft“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Zum Autor des Gedichtes „Amor und Psyche“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

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