Der gelehrte Staar von Johann Gottfried Herder
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Ein Staar, entflohen seinem Stande |
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Der künstlichen Cultur, kam in den Hain zurück. |
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Die Vögel grüßten ihn: »Willkommen hier im Lande |
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Der fröhlichen Natur!« und wünscheten ihm Glück. |
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Die Lerche stieg hinauf in Kreisen, |
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Die Nachtigall sprang hier und dort, |
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Die Amsel schlug. »Ich bringe von den Reisen |
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Normal-Instruction, mein schwer erlerntes Wort. |
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Es ist gelehrt; von allen Facultäten |
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Ist's anerkannt. O seid darum gebeten |
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Und lagert Euch um mich sofort!« |
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Er sprach es aus, ohn' alle Varianten, |
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Wie einen wahren Rechtsbescheid. |
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Es höreten jetzt alle Reichsverwandten |
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Und sprachen: »Freund, es thut uns leid, |
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Wir waren einst Dir trauliche Bekannten; |
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Doch dieses Wort ist nicht für Ort und Zeit.« |
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Die Lerche schwang sich auf in Kreisen, |
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Die Nachtigall sang lieblich fort, |
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Die Amsel schlug, nach seinen langen Reisen |
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Begann der Storch und klappert' hie und dort; |
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Der Staar, wie alle Afterweisen, |
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Blieb einsam stehn und declamirt' sein Wort. |
Details zum Gedicht „Der gelehrte Staar“
Johann Gottfried Herder
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1744 - 1803
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der gelehrte Staar“ stammt von Johann Gottfried Herder, einem deutschen Dichter der Epoche der Aufklärung und Sturm und Drang. Anhand des Datums des Autors kann das Gedicht in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts eingestuft werden.
Beim ersten Lesen fällt auf, dass das Gedicht eine allegorische, leicht verspielte Erzählung darstellt. Der Text handelt von einem Star, der, nachdem er sich in einer kulturell künstlichen Umgebung aufgehalten hat, in seine natürliche Umgebung zurückkehrt. Die anderen Vögel begrüßen ihn und wünschen ihm Glück. Der Star bietet allerdings eine akademische oder „künstliche“ Lehre an und bittet die anderen Vögel, sich um ihn zu versammeln. Allerdings versteht kein anderer Vogel die gelehrte Sprache des Stars und sie fliegen weiter ihrer Wege. Der Star bleibt alleine zurück und wiederholt seine Botschaft.
Was das lyrische Ich hier zum Ausdruck bringen möchte, ist eine Kritik auf die geistige Elite, die in einer Sprache kommuniziert, die vom „normalen“ Volk nicht verstanden wird.
Form und Sprache sind typisch für die Epoche der Aufklärung. Das Gedicht ist in Versform verfasst und nutzt eine metaphernreiche Sprache, bei der Tiere symbolisch für Menschen und ihre Handlungen stehen. Der Star, der in einer künstlichen Sprache spricht, repräsentiert in dieser Allegorie die intellektuelle Elite. Die anderen Vögel, die seine Sprache nicht verstehen, repräsentieren das „Volk“. Ihren Gesang drückt ihre innige und einfache Lebensart aus, welche die künstlichen und komplizierten Strukturen des „akademischen Sprechens“ ablehnt. Das sorgt für eine Distanz zwischen beiden Gruppen und ein Unverständnis, das der Star („Elite“) nicht zu überbrücken vermag.
Insgesamt wirft Herder einen kritischen Blick auf die zeitgenössische Gesellschaft und teilt ein Plädoyer für mehr Einfachheit und Naturverbundenheit mit.
Weitere Informationen
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Der gelehrte Staar“ des Autors Johann Gottfried Herder. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1760 und 1803. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Die Epoche des Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet wird. Die Literaturepoche ordnet sich nach der Epoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Die Epoche des Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich aber auch gegen das Bürgertum, das als eng und freudlos galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest der Epoche des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Bei den Autoren handelte es sich meist um junge Schriftsteller. Meist waren sie unter 30 Jahre alt. Die Autoren versuchten in den Dichtungen eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit dem Hinwenden Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.
Die Epoche der Klassik beginnt nach herrschender Auffassung mit der Italienreise Goethes, die er im Jahr 1786 im Alter von 36 Jahren machte. Das Ende der Epoche wird auf 1832 datiert. In der Klassik wurde die Literatur durch Einflüsse der Französischen Revolution, die ziemlich zu Beginn der Epoche stattfand, entscheidend geprägt. In der Französischen Revolution setzten sich die Menschen dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Wie der Name bereits verrät, liegen das literarische Zentrum und der Ausgangspunkt der Weimarer Klassik, die auch kurz Klassik genannt wird, in Weimar. Zum Teil wird auch Jena als ein weiteres Zentrum dieser Literaturepoche angesehen. Zu den wichtigsten Motiven der Klassik gehören unter anderem Toleranz und Menschlichkeit. Kennzeichnend ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal der Literaturepoche des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Vernunft und Gefühl. Die Dichter haben in der Weimarer Klassik auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Die Hauptvertreter der Klassik sind Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.
Das Gedicht besteht aus 23 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 148 Worte. Der Dichter Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Apollo“, „Bilder und Träume“ und „Das Flüchtigste“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der gelehrte Staar“ weitere 413 Gedichte vor.
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