Das Genesungsmittel von Johann Gottfried Herder

Um von der Achtung zu genesen,
Die ich unwürdig oft Autoren zugewandt,
Befahl der Arzt es mir, ein Tagebuch zu lesen:
»Es ist gelehrt gedruckt und heißt: Gelehrter Sand.
Da tummeln sich die Herrn für das gemeine Wesen
Oft ritterlich, doch eben nicht galant.
Was Akritik für Sold im Buche falsch gelesen,
Wird antikritisch dann für Zahlung aberkannt.
Es drängen sich die Herrn; zu aber- abermalen
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Wird Akritik bezahlt, Antikritik muß zahlen.«
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Ich folgte meinem Arzt. Mit lustigem Erstaunen
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Sah ich den Waffenplatz im deutschen Publicum,
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Die Ritter und ihr Glück und Beider tolle Launen;
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Das Krumme ward mir recht, und das Gerade krumm,
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Und jeder Buchstab schien mir in das Ohr zu raunen:
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»Hinweg von hier! hier ist ein böses Säculum.«
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Das literarische gemeine deutsche Wesen,
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Nach Pfennigen verkauft, sah ich und war genesen.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Das Genesungsmittel“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
135
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Genesungsmittel“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, einem bedeutenden Dichter der deutschen Aufklärung und Vorbereiter der Romantik, der von 1744 bis 1803 lebte. Das Gedicht lässt sich folglich in die kulturell und gesellschaftlich bewegte Epoche der Aufklärung einordnen.

Auf den ersten Blick scheint es sich um eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle von Gelehrten und Autoren zu handeln. Herder benutzt eine ironisch-humorvolle Tonebene, um seine Perspektive auf die literarische Szene seiner Zeit zum Ausdruck zu bringen.

Inhaltlich reflektiert das lyrische Ich zunächst seine unverdiente Hingabe und Achtung gegenüber Autoren. Um dies zu überwinden, wurde ihm seitens eines Arztes geraten, ein Tagebuch zu lesen, das einen Einblick in das Wirken von Gelehrten gibt. Das lyrische Ich stellt fest, dass diese nicht besonders galant oder ehrenhaft handeln und viel mehr auf das Geld als auf die Wertschätzung ihrer Arbeit fokussieren. Es sieht die Gelehrten als Ritter, die sich gegenseitig bekämpfen und bemerkt, dass in dieser literarischen Welt das „Krumme“ als „recht“ und das „Gerade“ als „krumm“ angesehen wird. Dies sorgt für ein gewisses amüsiertes Erstaunen. Durch diese Beobachtungen kann das lyrische Ich wohl von seiner zu großen Bewunderung für Autoren genesen.

Formal sticht das unregelmäßige Versmaß und das Fehlen eines Reimschemas hervor. Die Sprache ist an einige Stellen recht bildhaft und metaphorisch, so wenn zum Beispiel das Treiben der Gelehrten als ein ritterliches Turnier beschrieben wird.

Schlussendlich stellt „Das Genesungsmittel“ eine sardonische Kritik an der Literaturszene und ihren Akteuren dar. Das lyrische Ich bekommt einen realistischen Einblick in die Welt der Gelehrten, der ihm ermöglicht, seine übermäßige Achtung für Autoren zu überwinden. Dies wird durch die Verwendung satirischer Bilder und Sprache, sowie durch das Fehlen traditioneller lyrischer Elemente unterstützt.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Das Genesungsmittel“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Gottfried Herder. Der Autor Johann Gottfried Herder wurde 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1760 bis 1803 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Die Epoche des Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet wird. Die Literaturepoche ordnet sich nach der Epoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Der Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System wendeten. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Schriftsteller im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Die Autoren versuchten in den Dichtungen eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die traditionellen Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit der Hinwendung Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Einer der populärsten Vertreter der deutschen Klassik ist Johann Wolfgang von Goethe (* 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar). Seine Italienreise im Jahr 1786 wird als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Johann Wolfgang von Goethe prägte die Klassik ganz wesentlich. Sein Todesjahr (1832) ist gleichzeitig das Ende dieser Epoche. Das Zentrum der Weimarer Klassik lag in Weimar. Oft wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Weimarer Klassik nach Vollkommenheit, Harmonie, Humanität und der Übereinstimmung von Inhalt und Form gesucht. Typisch ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Vernunft und Gefühl. Die Autoren haben in der Weimarer Klassik auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Die bekanntesten Dichter der Weimarer Klassik sind: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried von Herder.

Das vorliegende Gedicht umfasst 135 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 18 Versen. Der Dichter Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „An den Schlaf“, „An die Freundschaft“ und „Apollo“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Genesungsmittel“ weitere 413 Gedichte vor.

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