Des Menschen Herz von Johann Gottfried Herder
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In ein Gewebe wanden |
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Die Götter Freud' und Schmerz; |
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Sie webten und erfanden |
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Daraus ein Menschenherz. |
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Du armes Herz, gewebet |
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Aus Lust und Traurigkeit, |
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Weißt Du, was Dich belebet? |
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Ist's Freude? ist es Leid? |
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Die Göttin selbst der Liebe |
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Sah es bedaurend an: |
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»O zweifelhafte Triebe, |
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Die dieses Herz gewann! |
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Im Wünschen nur und Sehnen |
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Wohnt seine Seligkeit, |
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Und selbst der Freude Thränen |
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Verkündigen ihm Leid.« |
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Mitleidig trat ihr Knabe |
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Hinzu mit seinem Pfeil: |
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»Auf! meine beste Gabe, |
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Sie werde Dir zu Theil! |
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Dein unbezwinglich Streben |
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Sei Liebe Dir, o Herz, |
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Sei Deiner Freude Leben, |
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Und Süßigkeit dem Schmerz!« |
Details zum Gedicht „Des Menschen Herz“
Johann Gottfried Herder
3
24
99
1744 - 1803
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das analysierte Gedicht trägt den Titel „Des Menschen Herz“ und wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, der im 18. Jahrhundert lebte und als Schlüsselfigur der Weimarer Klassik gilt.
Auf den ersten Blick beschreibt das Gedicht in einfacher, bildhafter Sprache die Gefühle des Menschen, insbesondere sein Verlangen und seine Gefühle von Freude und Leid. Herder nutzt dabei eine Mythologie, um komplexere psychologische und philosophische Ideen zu vermitteln.
Das Gedicht besteht aus drei Strophen, jede mit acht Versen. Die erste Strophe beschreibt, wie Götter Freude und Schmerz in einem Gewebe weben und daraus ein Menschenherz schaffen. Das Herz wird hier als etwas dargestellt, das aus gegensätzlichen Empfindungen besteht und nicht wirklich weiß, was es antreibt. Die zweite Strophe führt die Göttin der Liebe ein, die über die unberechenbaren Gefühle des Herzens klagt. Sie beobachtet, dass selbst Freudentränen Leid verkünden können. Die finale Strophe zeigt den Sohn der Liebesgöttin, der verspricht, die Liebe dem Herzen als unbewältigbares Streben und Süßigkeit dem Schmerz zu schenken.
Das lyrische Ich stellt in diesem Gedicht eine ganze Reihe von Fragen dar und wirft philosophische Fragen nach der Natur der menschlichen Emotionen, der Freude und des Schmerzes auf. Es zeigt die zentrale Rolle der Liebe im menschlichen Erleben.
Formal gesehen ist Herders Sprache klar und unverblümt, obwohl er klassische mythologische Figuren verwendet, um seine Ideen zu übermitteln. Das Gedicht verwendet eindeutige Reime und Metren und hält sich an die gängige Form der Klassik.
Insgesamt interpretiere ich das Gedicht als eine Untersuchung der Natur menschlicher Gefühle und insbesondere der Rolle der Liebe. Es stellt das Herz als den Ort dar, an dem sowohl Freude als auch Schmerz entstehen, und weist auf das Paradox hin, dass sogar die Freude oft mit Leid verbunden ist. Mit der Darstellung der Liebe als Schlüssel zur Linderung des Schmerzes und zur Steigerung der Freude betont Herder zudem die Zentralität der Liebe im menschlichen Leben.
Weitere Informationen
Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „Des Menschen Herz“. Herder wurde im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. In der Zeit von 1760 bis 1803 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Epoche der Literatur, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Jugend- und Protestbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, meistens nicht älter als 30 Jahre. Die Schriftsteller versuchten in den Dichtungen eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Mit seinen beiden bedeutenden Vertretern Goethe und Schiller entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.
Auf zeitlicher Ebene lässt sich die Weimarer Klassik mit Goethes Italienreise 1786 und mit Goethes Tod im Jahr 1832 eingrenzen. Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert beeinflusst. Die Aufklärung und die gefühlsbetonte Strömung Sturm und Drang. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Das Zentrum der Weimarer Klassik lag in Weimar. Oft wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. Die Vertreter der Weimarer Klassik wollten die antiken Stoffe aufleben lassen. Mit der antiken Kunst beschäftigte sich Goethe während seiner Italienreise. Die Antike gilt nun als Ideal, um Harmonie und Vollkommenheit zu erreichen. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik charakteristisch. Während man in der Epoche des Sturm und Drangs die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die berühmtesten Schriftsteller der Klassik sind: Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried von Herder und Christoph Martin Wieland.
Das vorliegende Gedicht umfasst 99 Wörter. Es baut sich aus 3 Strophen auf und besteht aus 24 Versen. Weitere Werke des Dichters Johann Gottfried Herder sind „Das Kind der Sorge“, „Das Orakel“ und „Das Ross aus dem Berge“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Des Menschen Herz“ weitere 413 Gedichte vor.
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