An die Gräfin Brühl von Johann Gottfried Herder

Des Menschen Leben beschränkt ein enger Raum,
Ein engerer beschränket seinen Sinn,
Sein Herz den engsten. Um sich her zu sehn,
Zu ordnen, was man kann, unschuldig zu
Genießen, was uns die Vorsicht gönnt,
Und dankbar froh hinwegzugehn:
Das ist des Menschenlebens Geschichte, ist
Nicht Idee, es ist Gefühl.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „An die Gräfin Brühl“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
8
Anzahl Wörter
49
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „An die Gräfin Brühl“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, einem deutschen Dichter, Theologen und Philosophen der Aufklärungszeit, der zwischen 1744 und 1803 lebte. Da das exakte Datum der Entstehung des Gedichts nicht bekannt ist, lässt es sich somit zeitlich in die Zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts bis Anfang des 19. Jahrhunderts einordnen und damit in die Epoche der Aufklärung und der beginnenden Romantik.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt die melancholische Grundstimmung auf, die sich mit der Thematik des Daseins und den begrenzten Möglichkeiten des menschlichen Lebens beschäftigt. Es weist eine Ernsthaftigkeit und philosophische Tiefe auf, die typisch für Werke der Aufklärung ist.

Inhaltlich spricht das lyrische Ich über die Begrenzungen des menschlichen Lebens („Des Menschen Leben beschränkt ein enger Raum“), die Begrenzungen des menschlichen Verstandes („Ein engerer beschränket seinen Sinn“) und die noch engere Begrenzung des menschlichen Herzens („Sein Herz den engsten“). Es wird die Fähigkeit des Menschen betont, sein Umfeld wahrzunehmen und zu ordnen, aber auch die Notwendigkeit, unschuldig zu genießen, was das Schicksal ihm gewährt. Das lyrische Ich erhebt den Anspruch, dass dies die wahre Essenz und Geschichte des menschlichen Lebens ist - etwas, das nicht nur gedacht, sondern vor allem gefühlt wird („Nicht Idee, es ist Gefühl“).

Formal besteht das Gedicht aus einer einzigen Strophe mit acht Versen. Es gibt kein festes Reimschema und auch der Rhythmus folgt keiner konstanten Struktur, was einen freien und nachdenklichen Tonfall erzeugt. Die Sprache ist klar und direkt, aber gleichzeitig poetisch und bildreich. Die Wahl der Worte unterstreicht die philosophischen Überlegungen und Gefühle, die das lyrische Ich zum Ausdruck bringen möchte. Insbesondere das wiederholte Motiv der „Begrenzungen“ unterstreicht die zentrale Botschaft des Gedichts - dass das menschliche Leben, der Verstand und das Herz begrenzte Räume sind, aber dennoch die Fähigkeit besitzen, zu fühlen und zu genießen.

Abschließend lässt sich sagen, dass Herders Gedicht „An die Gräfin Brühl“ einen tiefsinnigen und zum Nachdenken anregenden Einblick in das menschliche Dasein und dessen Begrenzungen bietet. Es ist ein Gedicht, das nach unserer Rolle in der Welt und nach unserer Fähigkeit fragt, diese Welt zu begreifen, zu genießen und zu fühlen.

Weitere Informationen

Das Gedicht „An die Gräfin Brühl“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Gottfried Herder. Herder wurde im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1760 bis 1803 entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Die Epoche des Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet wird. Die Literaturepoche ordnet sich nach der Epoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Die Epoche des Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System wendeten. Bei den Autoren handelte es sich meist um junge Schriftsteller. Meist waren sie unter 30 Jahre alt. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit seinen beiden wichtigen Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist im Grund genommen eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und endete mit Goethes Tod im Jahr 1832. Das Zentrum der Literatur der Weimarer Klassik lag in Weimar. Oft wird die Epoche auch nur als Klassik bezeichnet. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Weimarer Klassik nach Harmonie, Vollkommenheit, Humanität und der Übereinstimmung von Inhalt und Form gesucht. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Klassik typisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Klassik auf eine reglementierte Sprache. Goethe, Schiller, Herder und Wieland bildeten das „Viergestirn“ der Weimarer Klassik. Es gab natürlich auch noch andere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.

Das 49 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 8 Versen mit nur einer Strophe. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „An den Schlaf“, „An die Freundschaft“ und „Apollo“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An die Gräfin Brühl“ weitere 413 Gedichte vor.

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