Der große Christoph von Joachim Ringelnatz
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Wer Rigas Hafen kennt, |
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Kennt auch das Holzmonument, |
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Das man den großen Christoph nennt. |
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Der Heilige mit seinem Wanderstabe. |
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Auf seiner Schulter sitzt der Jesusknabe. |
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Den hat er, wie die Leute dort sagen, |
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Durch die Düna getragen. |
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Die Flößer und die Schiffersleute schenken |
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Ihm Blumen, Bänder hin und andrerlei |
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Und bitten frömmig ihn dabei, |
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Er möge dies und das zum Guten lenken. |
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Es kommen viele Leute so und gehn. |
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Der Christoph trägt um seine Lenden |
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Ein Hemd, vier Hemden, manchmal zehn, |
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So je nachdem, was sie ihm spenden |
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Und andermal auch wieder stehlen. |
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Er trägt und gibt das Gerngewollte. |
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Und Christus schweigt; er ist ja noch so klein, |
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Und beide lächeln ob der simplen Seelen. |
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Und wenn sie wirklich etwas wurmen sollte, |
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Dann kann das nur ein Holzwurm sein. |
Details zum Gedicht „Der große Christoph“
Joachim Ringelnatz
5
21
129
1929
Moderne,
Expressionismus
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der große Christoph“ wurde von Joachim Ringelnatz verfasst, einem deutschen Schriftsteller und Kabarettist, der von 1883 bis 1934 lebte. Somit lässt es sich zeitlich der Moderne zuordnen.
Auf den ersten Blick wirkt das Gedicht beruhigend und erzählt eine Art des Heiligenbildes. Der Protagonist ist die Figur des großen Christophorus, ein Heiliger, der laut Legende das Jesuskind auf seinen Schultern über einen Fluss getragen hat.
Ringelnatz porträtiert diese Figur in einem Holzdenkmal, das die Menschen in Riga, einer Hafenstadt, verehren. Er zeigt, wie die Menschen, insbesondere die Flößer und Schiffersleute, ihm Gaben darbringen und ihn um Hilfe bitten. Christophorus wird dargestellt als jemand, der gibt und nimmt.
Die Form des Gedichts, mit seinen unterschiedlich vielen Versen pro Strophe und den Reimen, wirkt eher locker und erzählerisch. Die Umgebung und das Leben der Menschen wird dabei lebendig und plastisch dargestellt. Ringelnatz verwendet alltägliche, einfache Sprache, verzichtet auf Blumenformulierungen oder antiquierte Formen.
Inhaltlich wird das Thema Religiosität, Glaube und Verehrung behandelt. Dabei zeigt Ringelnatz einerseits das einfache, volkstümliche Glaubensleben der Menschen in Riga, andererseits scheint er durch das Spiel mit der Holzwurmmetapher eine gewisse Ironie und distanzierte Betrachtungsweise zu haben. So könnten die „simplen Seelen“, die den Heiligen verehren, durchaus auch kritisch als naiv dargestellt werden.
Die Sprache und Wortwahl in „Der große Christoph“ ist direkt und unverblümt, was eine klare Bildlichkeit schafft. Der Dialekt und die lokalen Bezüge tragen zur Authentizität dieses Eindrucks bei.
Die Wahl des armen, volkstümlichen Heiligen spiegelt dabei möglicherweise auch Ringelnatz' eigene Position als Künstlerunter den politischen Bedingungen der Weimarer Republik wider. Insgesamt kombiniert „Der große Christoph“ also eine lebendige Darstellung des Glaubenslebens mit einer ambivalenten Haltung zur Religion.
Weitere Informationen
Joachim Ringelnatz ist der Autor des Gedichtes „Der große Christoph“. Geboren wurde Ringelnatz im Jahr 1883 in Wurzen. 1929 ist das Gedicht entstanden. Erscheinungsort des Textes ist Berlin. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Moderne oder Expressionismus kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Ringelnatz handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen. Das 129 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 21 Versen mit insgesamt 5 Strophen. Joachim Ringelnatz ist auch der Autor für Gedichte wie „7. August 1929“, „Abendgebet einer erkälteten Negerin“ und „Abermals in Zwickau“. Zum Autor des Gedichtes „Der große Christoph“ haben wir auf abi-pur.de weitere 560 Gedichte veröffentlicht.
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