Indien von Johann Gottfried Herder

Sanftes Gefühl der Indier gab dem Schalle zum Führer
Nicht die gröbere Luft, gab ihm den Aether zum Reich.
Er nur bildet den Ton zur zarten himmlischen Stimme,
Die die Empfindungen spricht, die die Empfindungen weckt,
Und entführet der gröberen Luft die Seelen der Menschen
In ein einsam Gebiet, in das ätherische Land,
Wo nicht rasselt der Wagen, der jetzt den Wolken entschwebet,
Wo nur häusliches Glück bildet der Götter Genuß,
Wo Sakontala lebt mit ihrem entschwundenen Knaben,
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Wo Duschmanta sie neu, neu von den Göttern empfängt.
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Sei mir gegrüßt, o heiliges Land, und Du Führer der Töne,
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Stimme des Herzens, erheb oft mich im Aether dahin!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24 KB)

Details zum Gedicht „Indien“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
12
Anzahl Wörter
107
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Der Autor des vorgestellten Gedichts ist Johann Gottfried Herder, der zur Epoche der Aufklärung und des Sturm und Drang zählt und von 1744 bis 1803 lebte. Das Gedicht ist eindeutig der Gattung Lyrik zuzuschreiben und behandelt Indien als Ort der Faszination und des Strebens.

Beim ersten Lesen fällt das hohe Maß an Romantik und Spiritualität auf, das den Kern des Gedichts bildet. Es wirkt wie eine Huldigung an Indien und seine Kultur, die durch ihre Empfindsamkeit und Ruhe einen starken Kontrast zu der rauen und unruhigen westlichen Welt darstellt.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich die subtile und emotionale Qualität der indischen Musik und Kunst, welche die grobe physische Welt überwindet und die menschlichen Seelen in ein ätherisches Land entführt - ein Gebiet der Stille und Ruhe. Dort ist es von weltlichem Lärm und Turbulenzen wie ratternden Wagen isoliert und beherrscht von häuslichem Glück und göttlichem Genuss. Es erzählt auch von Sakontala und ihrem verschwundenen Sohn Duschmanta, Charaktere aus dem indischen Epos Mahabharata, die im göttlichen Land leben und ihre Liebe neu entfachen.

Die Aussage des lyrischen Ichs ist eine Sehnsucht nach Flucht aus der Realität der physischen Welt in die feinere spiritualisierte Realität, die durch indische Kunst und Kultur symbolisiert wird. Es erfährt eine tiefe Verbundenheit mit dieser Kultur und strebt nach einer spirituellen Erhebung, indem es sich von der „Stimme des Herzens“ in die Ätherwelt tragen lässt, weit weg von der Grobheit der materiellen Welt.

Das Gedicht hat eine durchgängige Form und eine sehr bildliche, ausdrucksstarke Sprache mit starken Kontrasten zwischen der „gröberen Luft“ und dem „ätherischen Land“. Herder nutzt Symbolik, wie „Wagen“, „häusliches Glück“ und „Götter Genuß“, um seine Vorstellung von der physischen Welt und der ätherischen Welt darzustellen. Seine Sprache ist voller Ehrfurcht und Bewunderung, was sich besonders in der endgültigen Grußformel für das „heilige Land“ und den „Führer der Töne“ manifestiert.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Indien“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Gottfried Herder. Geboren wurde Herder im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen). Zwischen den Jahren 1760 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zu. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Die Epoche des Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird die Epoche des Sturm und Drang auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Schriftsteller im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Die Autoren versuchten in den Gedichten eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Autoren aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Goethe (geboren am 28. August 1749 in Frankfurt am Main; verstorben am 22. März 1832 in Weimar) ist einer der bekanntesten Dichter der Weimarer Klassik. Im Jahr 1786 unternahm Goethe eine Italienreise, diese wird heute als Beginn der Weimarer Klassik angesehen. Das Ende der Literaturepoche ist im Jahr 1832 auszumachen. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind oftmals verwendete Bezeichnungen für die Literaturepoche. Die Klassik geht von einer Erziehbarkeit des Menschen zum Guten aus. Ihr Ziel ist die Humanität, die wahre Menschlichkeit (das Schöne, Gute, Wahre). Die Vertreter der Klassik gingen davon aus, dass Gott den Menschen Gefühle und Vernunft gibt und die Menschen damit dem Leben einen Sinn geben. Das Individuum ist also von höheren Mächten bestimmt. In der Lyrik haben die Dichter auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders populär. Außerdem verwendeten die Dichter eine pathetische, gehobene Sprache. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Goethe und Schiller.

Das 107 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 12 Versen mit nur einer Strophe. Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Das Glück“, „Das Kind der Sorge“ und „Das Orakel“. Zum Autor des Gedichtes „Indien“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

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