An die Bäume im Winter von Johann Gottfried Herder

Guten Bäume, die Ihr die starren, entblätterten Arme
Reckt zum Himmel und fleht wieder den Frühling herab!
Ach, Ihr müßt noch harren, Ihr armen Söhne der Erde,
Manche stürmige Nacht, manchen erstarrenden Tag!
Aber dann kommt wieder die Sonne mit grünendem Frühling
Euch; nur kehret auch mir Frühling und Sonne zurück?
Harre geduldig, Herz, und birg in die Wurzel den Saft Dir!
Unvermuthet vielleicht treibt ihn das Schicksal empor.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „An die Bäume im Winter“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
8
Anzahl Wörter
69
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „An die Bäume im Winter“ stammt von Johann Gottfried Herder, einem bedeutenden deutschen Dichter der Aufklärung, der von 1744 bis 1803 lebte. Es zählt somit zur Literatur der Epoche der „Sturm und Drang“, die durch ihre Emotionalität und ihr Aufbegehren gegen gesellschaftliche Konventionen gekennzeichnet ist.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt ins Auge, dass eine melancholische Grundstimmung dominiert. Die kalte und stürmische Jahreszeit des Winters wird als schwere Last für die Natur dargestellt, die sich nach Wärme und Frühling sehnt. Die Metapher der Bäume, die Arme zum Himmel recken, verleiht den Bäumen fast menschliche Eigenschaften und verdeutlicht deren vermeintliches Leid.

Inhaltlich geht es in Herders Gedicht um Bäume im Winter, welche ihre entblätterten Äste gen Himmel recken, als würden sie den Frühling herabflehen. Doch es sind nicht nur die Bäume, die auf den Frühling warten. Auch das lyrische Ich sehnt sich nach Wärme und Licht, fragt sich jedoch, ob diese auch für es wiederkehren werden. Es zeigt damit eine tiefe Unsicherheit, ob es seine schwere Phase, symbolisiert durch den Winter, überwinden kann.

Die erste Hälfte des Gedichts konzentriert sich auf die Bäume und ihre Sehnsucht nach dem Frühling, während die zweite Hälfte dazu übergeht, diese Sehnsucht auf das lyrische Ich selbst zu projizieren. Damit scheint Herder auszudrücken, dass sich das lyrische Ich in einer Phase der Dunkelheit und Kalte befindet, ähnlich den Bäumen im Winter, und unsicher ist, ob es diese je überwinden kann.

Die Sprache Herders ist teils sehr bildhaft und metaphorisch. Es fallen Formulierungen wie „starren, entblätterten Arme“ oder „stürmige Nacht, erstarrenden Tag“ auf, welche die Kargheit und Kälte des Winters verdeutlichen. Im letzten Vers zeigt das lyrische Ich einen Hoffnungsschimmer, indem es den Saft, als Symbol für Lebenskraft, in der Wurzel (sich selbst) birgt, in Erwartung auf bessere Zeiten.

Die Form des Gedichts mit acht Versen und jeweils abwechselndem Kreuzreim unterstützt den melancholischen Inhalt durch ihren geordneten und ruhigen Rhythmus, der die Geduld und das Harren des lyrischen Ich und der Bäume widerspiegelt.

Zusammenfassend spricht Herders Gedicht von der Sehnsucht nach Wärme und Licht in Zeiten der Dunkelheit und Kälte, auf eine Weise, die das Leiden der Bäume im Winter auf das lyrische Ich projiziert und dabei dessen persönliche Lebenssituation widerspiegelt. Die Nutzung der Bäume als Metapher, gepaart mit der melancholischen Sprache, macht das Gedicht zu einem eingängigen Beispiel für die Literatur der „Sturm und Drang“ Epoche.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „An die Bäume im Winter“ des Autors Johann Gottfried Herder. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. In der Zeit von 1760 bis 1803 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zu. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang ist eine Strömung in der deutschen Literaturgeschichte, die häufig auch als Geniezeit oder Genieperiode bezeichnet wird. Die Epoche ordnet sich nach der Literaturepoche der Empfindsamkeit und vor der Klassik ein. Sie lässt sich auf die Zeit zwischen 1765 und 1790 eingrenzen. Der Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen das gesellschaftliche System und die Prinzipien der Aufklärung wendeten. Bei den Vertretern der Epoche des Sturm und Drang handelte es sich vorwiegend um Schriftsteller jüngeren Alters. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Schiller, Goethe und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Die Epoche der Klassik beginnt nach heutiger Auffassung mit der Italienreise Goethes, die er 1786 im Alter von 36 Jahren machte. Das Ende der Epoche wird auf 1832 datiert. In der Klassik wurde die Literatur durch Einflüsse der Französischen Revolution, die ziemlich zu Beginn der Epoche stattfand, entscheidend geprägt. In der Französischen Revolution setzten sich die Menschen dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind häufig verwendete Bezeichnungen für die Literaturepoche. Zu den essenziellen Motiven der Klassik gehören unter anderem Menschlichkeit und Toleranz. In der Lyrik haben die Dichter auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders beliebt. Darüber hinaus verwendeten die Autoren jener Zeit eine gehobene, pathetische Sprache. Goethe, Schiller, Herder und Wieland bildeten das „Viergestirn“ der Weimarer Klassik. Es gab natürlich auch noch weitere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.

Das Gedicht besteht aus 8 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 69 Worte. Die Gedichte „An die Freundschaft“, „Apollo“ und „Bilder und Träume“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Zum Autor des Gedichtes „An die Bäume im Winter“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

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