Der gemachte Mann von Rudolf Lavant

Mit Kopf, Genie und Ellenbogen
Brach ich im Leben mir die Bahn.
Nun hab ich mich zurückgezogen
Und seh die Welt von oben an.
 
Wenn ich so aus dem Fenster gucke
Und unten geht ein armer Tropf,
- Nur Lumpen gehn zu Fuß - so spucke
Ich ihm recht huldvoll auf den Kopf.
 
Daß jeder aus dem Menschenknäuel
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Durch die Natur mein Bruder sei –
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Dies Wort ist mir ein wahrer Greuel,
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Und ich erklär's als Eselei.
 
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Tritt dieser Wahnsinn mir entgegen,
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Bekämpf ich schroff ihn bis zuletzt:
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Die andern sind nur meinetwegen
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Vom Schicksal auf die Welt gesetzt.
 
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Daß sie mir meinen Acker düngen
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Mit ihrem Schweiß, ist Schicksalsschluß,
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Und dafür, daß sie sich verjüngen,
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Ist ja gesorgt im Überfluß.
 
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Dem Arbeitsmann, dem schlichten, wackern,
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Sind feste Grenzen abgesteckt:
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Er hat für mich sich abzurackern,
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Und wer sich weigert, der verreckt.
 
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So ist's des Allerhöchsten Wille,
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Und dieser Fügung beug ich mich;
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Auch danke laut wie in der Stille
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Ich meinem Gott allsonntäglich.
 
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Schon in der Bibel kann man's lesen,
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Und darauf schwör ich Stein und Bein:
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So, wie es ist, ist's stets gewesen
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Und wird es auch in Zukunft sein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Der gemachte Mann“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
191
Entstehungsjahr
nach 1860
Epoche
Realismus,
Naturalismus,
Moderne

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der gemachte Mann“ wurde von Rudolf Lavant geschrieben, der von 1844 bis 1915 lebte. Somit ist es zeitlich der Epoche des Realismus zuzuordnen.

Auf den ersten Blick könnte man denken, der Sprecher, das lyrische Ich, präsentiert stolz seine Errungenschaften und seine Position der Macht und Überlegenheit. Es ist jedoch wichtig, den sarkastischen Ton zu beachten, der dem Gedicht eine kritische und spöttische Haltung gegenüber seinen Aussagen verleiht.

Das Gedicht spricht von einem Mann, der durch seine Anstrengungen und seinen Ehrgeiz eine erhöhte gesellschaftliche Stellung erreicht hat. Er sieht auf die weniger Glücklichen herab, glaubt, dass sie nur dazu da sind, ihm zu dienen, und dass es recht und korrekt ist, dass sie für ihn arbeiten und Schwierigkeiten ertragen müssen, während er in Wohlstand und Bequemlichkeit lebt. Sozialdarwinistische und elitistische Ansichten werden hier überzogen dargestellt.

Das Gedicht besteht aus acht Strophen, die jeweils vier Verse enthalten. Die Sprache ist direkt und schroff und kommuniziert so effektiv die rücksichtslose und abwertende Einstellung des lyrischen Ichs. Diese nüchterne und kaltherzige Darstellung ist eine bewusste Entscheidung des Autors, um eine Karikatur des „gemachten Mannes“ zu schaffen und die soziale Ungerechtigkeit und Ungleichheit seiner Zeit zu beleuchten.

Zusammenfassend ist „Der gemachte Mann“ ein scharfzüngiges und kritisches Gedicht, das die Selbstsucht und Gleichgültigkeit gegenüber anderen, die von einer übermächtigen sozialen und wirtschaftlichen Position aus resultieren kann, anprangert. Die harte und damit unfreundliche Sprache symbolisiert die gleichgültige Einstellung des Mannes gegenüber den weniger glücklichen Personen. Daher stellt das lyrische Ich möglicherweise eine Kritik an den herrschenden Klassen seiner Zeit dar und ist nicht notwendigerweise Ausdruck der persönlichen Ansichten Lavants.

Weitere Informationen

Rudolf Lavant ist der Autor des Gedichtes „Der gemachte Mann“. 1844 wurde Lavant in Leipzig geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1860 bis 1915 entstanden. Erschienen ist der Text in Berlin. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Realismus, Naturalismus, Moderne, Expressionismus oder Avantgarde / Dadaismus zuordnen. Vor Verwendung der Angaben zur Epoche prüfe bitte die Richtigkeit. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen und daher anfällig für Fehler. Das 191 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 32 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Die Gedichte „An Herrn Crispi“, „An das Jahr“ und „An den Herrn Minister Herrfurth Exzellenz“ sind weitere Werke des Autors Rudolf Lavant. Zum Autor des Gedichtes „Der gemachte Mann“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 96 Gedichte vor.

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