Grabschriften von Johann Gottfried Herder

1.
Freundschaft trennet sich nicht. Ihr Band wird in der Entfernung
Fester; der Liebenden Herz folget dem Liebenden nach.
 
2.
Auch die Erinnrung ist süß. Mit vollendeten Seelen zu leben,
Himmlische Freundin, ist Trost, ist der Andenkenden Ruh.
 
3.
Erdenhoheit geht mit der Abendsonne danieder,
Himmlische steigt mit dem ewigen Morgen empor.
 
10 
4.
11 
Alles verwandelt sich; nichts stirbt. In schöner Verwandlung
12 
Wird die Hoffnung Genuß und das Verlorne Gewinn.
 
13 
5.
14 
Unverwelklich blüht im Herzen die Blume der Freundschaft,
15 
Hier und dort ein Elysium.
 
16 
6.
17 
Oft erlischt dem Guten zu früh die Fackel des Lebens,
18 
Daß ihm früher der Kranz ew'ger Belohnungen blüh'.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.4 KB)

Details zum Gedicht „Grabschriften“

Anzahl Strophen
6
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
96
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das besprochene Gedicht heißt „Grabschriften“ und stammt aus der Feder des deutschen Dichters, Theologen und Philosophen Johann Gottfried Herder, der vom 25. August 1744 bis zum 18. Dezember 1803 lebte. Demzufolge ordnen wir das Gedicht in die Epoche der Aufklärung bzw. des Sturm und Drangs ein.

Auf den ersten Blick vermittelt das Gedicht eine tiefe Emotionalität und eine leistungsfähige geometrische Metaphorik. Es handelt von Freundschaft, Tod, Erinnerung und ewigem Leben und zeichnet dabei ein Bild von einer Ewigkeit, in der nichts vergeht, sondern sich nur verwandelt.

Inhaltlich beschreibt das lyrische Ich, wie Freundschaft, Liebe und Erinnerungen trotz der physischen Entfernung oder sogar dem Tod weiterleben. Es betont, dass das Band der Freundschaft in der Entfernung fester wird und dass der Verlust von geliebten Menschen nicht abschließend ist, sondern eine Art Transformation darstellt. Es zeigt eine positive Vorstellung von dem Leben nach dem Tod, wo die „irdische Höheit“ aufgeht und die „himmlische“ aufsteigt.

Was die Form und Sprache betrifft, besteht das Gedicht aus sechs sich reimenden Zweizeilern, benutzt also den distischen Vers. Herders klare und flüssige Sprache lässt komplexe Ideen zugänglich erscheinen und seine Metaphern und Bilder verleihen den philosophischen und emotionalen Aspekten des Gedichts eine zusätzliche Tiefe. Es ist bemerkenswert, dass trotz der Schwere des Themas - Tod und Trauer - das Gedicht nicht düster oder melancholisch wirkt, sondern stattdessen Hoffnung und Trost vermittelt.

Herders Gedicht „Grabschrift“ setzt sich mit schweren, universellen Themen auseinander und stellt eine bewegende Reflexion über den Tod, die Freundschaft, das Gedenken und das ewige Leben dar. Es ist ein eindrucksvolles Beispiel für Herders dichterisches Talent und seine Fähigkeit, tiefgründige und komplexe Gedanken in klare und emotional resonante Verse zu fassen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Grabschriften“ ist Johann Gottfried Herder. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1760 bis 1803 entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang (häufig auch Geniezeit oder Genieperiode genannt) ist eine literarische Epoche, welche zwischen 1765 und 1790 existierte und an die Empfindsamkeit anknüpfte. Später ging sie in die Klassik über. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Rebellieren oder Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung zusammenfassen. Das literarische und philosophische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Bei den Autoren handelte es sich meist um junge Schriftsteller. Meist waren sie unter 30 Jahre alt. Die Autoren versuchten in den Gedichten eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der deutschen Literaturgeschichte, die von zwei bedeutenden Dichtern geprägt wurde: Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die Literaturepoche beginnt im Jahr 1786 mit Goethes Italienreise und endet im Jahr 1832 mit Goethes Tod. Es gibt aber auch zeitliche Eingrenzungen, die das gemeinsame Schaffen der beiden befreundeten Dichter Goethe und Schiller von 1794 bis zu Schillers Tod 1805 als Weimarer Klassik zeitlich festlegen. Wie der Name bereits verrät, liegen das literarische Zentrum und der Ausgangspunkt der Weimarer Klassik, die auch kurz Klassik genannt wird, in Weimar. Zum Teil wird auch Jena als ein weiteres Zentrum der Literaturepoche angesehen. Statt auf Konfrontation und Widerspruch wie noch in der Aufklärung oder im Sturm und Drang strebte die Klassik nach Harmonie. Die wichtigsten Werte sind Menschlichkeit und Toleranz. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Ziel der Literaturepoche der Klassik war es die ästhetische Erziehung des Menschen zu einer „charakterschönen“ Persönlichkeit voranzutreiben. In der Weimarer Klassik wird eine einheitliche, geordnete Sprache verwendet. Allgemeingültige, kurze Aussagen sind oftmals in Werken der Weimarer Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, legte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich oftmals an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Die bedeutenden Schriftsteller der Klassik sind Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Andere Schriftsteller der Klassik sind Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Die beiden zuletzt genannten arbeiteten aber jeweils für sich. Einen produktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Goethe und Schiller.

Das 96 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 18 Versen mit insgesamt 6 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „Das Flüchtigste“, „Das Gesetz der Welten im Menschen“ und „Das Glück“. Zum Autor des Gedichtes „Grabschriften“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

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