An den Spiegel von Johann Gottfried Herder
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Blankes, künstliches Glas, das, wenn es kothiges Silber |
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Nur von hinten bestrich, alle Gestalten uns zeigt |
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Und schnell alle Gestalten ohn' alle Spuren hinwegnimmt, |
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Du, des Höflinges Bild, Spiegel der artigen Welt! |
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Dich zum Freunde begehrt jedwede buhlende Schöne; |
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Weder haben noch sein mag ich Dein thörichtes Ding. |
Details zum Gedicht „An den Spiegel“
Johann Gottfried Herder
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1744 - 1803
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „An den Spiegel“ stammt von dem deutschen Dichter Johann Gottfried Herder, der von 1744 bis 1803 lebte. Damit ist es zeitlich der Epoche der Aufklärung zuzuordnen, welche vom späten 17. Jahrhundert bis zum späten 18. Jahrhundert andauerte.
Beim ersten Lesen weckt das Gedicht den Eindruck, dass es sich um eine gemischte Betrachtung des physikalischen Aspekts eines Spiegels und der metaphorischen Bedeutung dessen im menschlichen Leben handelt. Der Spiegel wird dabei sowohl als alltägliches Objekt als auch als Ausdruck menschlicher Eigenheiten dargestellt.
Inhaltlich geht es in dem Gedicht um einen Spiegel, der trotz seiner künstlichen und einfachen Materialeigenschaften die Fähigkeit hat, alle Formen und Gestalten zu zeigen und gleichzeitig wieder verschwinden zu lassen. Er wird mit der Welt, insbesondere der Welt der Höflinge und der gesellschaftlichen Schönheit, gleichgesetzt. Es endet jedoch mit der Ablehnung des lyrischen Ichs, der den Spiegel als „thörichtes Ding“ bezeichnet und weder sein noch dessen „Freund“ haben möchte.
Aus diesen Worten lässt sich die Vermutung ableiten, dass es dem lyrischen Ich um eine Kritik an der Oberflächlichkeit der Gesellschaft geht, die nur auf Äußerlichkeiten, hübsche Fassaden und vergängliche Schönheit achtet, während innere Werte und Beständigkeit missachtet oder übersehen werden.
Formal besteht das Gedicht aus einer Strophe mit sechs Versen. Die Sprache ist eher formell und altmodisch, etwa durch den Gebrauch des veralteten Wortes „kothig“ für „schmutzig“ oder „thöricht“ für „dumm“. Dies könnte als zusätzliches Mittel zur kritischen Distanzierung des Autors von der beschriebenen Gesellschaft gesehen werden.
Zusammenfassend stellt das Gedicht „An den Spiegel“ von Herder eine kritische Betrachtung der Oberflächlichkeit und Vergänglichkeit der Gesellschaft dar und betont die Notwendigkeit, den Blick auf innere Werte und Beständigkeit zu richten.
Weitere Informationen
Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „An den Spiegel“. Herder wurde im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. In der Zeit von 1760 bis 1803 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren zwischen 1765 und 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das philosophische und literarische Denken in Deutschland. Der Sturm und Drang kann als eine Protest- und Jugendbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale verstanden werden. Das Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung brachte die wesentlichen Merkmale dieser Epoche hervor. Die Schriftsteller des Sturm und Drang waren zumeist junge Autoren, häufig unter 30 Jahre alt. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde besonders darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Goethe, Schiller und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.
Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der deutschen Literaturgeschichte, die von zwei bedeutenden Dichtern geprägt wurde: Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die Literaturepoche beginnt im Jahr 1786 mit Goethes Italienreise und endet im Jahr 1832 mit dem Tod Goethes. Es gibt aber auch zeitliche Eingrenzungen, die die gemeinsame Schaffenszeit der beiden befreundeten Dichter Goethe und Schiller von 1794 bis zu Schillers Tod 1805 als Weimarer Klassik festlegen. Die Weimarer Klassik wird häufig nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen sind in der Literatur gebräuchlich. Statt auf Widerspruch und Konfrontation wie noch in der Aufklärung oder im Sturm und Drang strebte die Klassik nach Harmonie. Die wichtigsten Werte sind Toleranz und Menschlichkeit. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Ziel der Literaturepoche der Klassik war es die ästhetische Erziehung des Menschen zu einer „charakterschönen“ Persönlichkeit zu forcieren. In der Lyrik haben die Dichter auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Beispielsweise war so die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders geschätzt. Außerdem verwendeten die Autoren jener Zeit eine pathetische, gehobene Sprache. Schiller, Goethe, Wieland und Herder bildeten das „Viergestirn“ der Weimarer Klassik. Es gab natürlich auch noch andere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.
Das vorliegende Gedicht umfasst 48 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 6 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „Das Gesetz der Welten im Menschen“, „Das Glück“ und „Das Kind der Sorge“. Zum Autor des Gedichtes „An den Spiegel“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.
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