Die Rettung von Johann Gottfried Herder
1 |
G'nug der drohenden unglückschwangern Stürme, |
2 |
G'nug des giftigen Nebels, der den Freunden |
3 |
Freunde birget und alte Treu in neuer |
4 |
Höllengestalt zeigt! |
|
|
5 |
G'nug des schrecklichen Hagels, der die Saaten |
6 |
Aller Wünsche zerschlägt, hat uns das Schicksal |
7 |
Zugesendet, das jüngst auf Thron' und Reiche |
8 |
Blitze geschleudert; |
|
|
9 |
Hat die Völker erschreckt mit jener Zeiten |
10 |
Rückkehr, da in Europa's dunkeln Wäldern |
11 |
Wölfe heuleten und mit mehr als Wolfsgier |
12 |
Heere sich würgten. |
|
|
13 |
Sahn wir, sehen wir nicht den Rhein, die Mosel, |
14 |
Maas und Rhone vom Blut unschuld'ger Völker, |
15 |
Roth vom Blute der Bürger? im Gefilde |
16 |
Berge von Leichen? |
|
|
17 |
Väter, Jünglinge, Kinder füllten Gräber |
18 |
Vor den Heeren, damit darüber stiegen |
19 |
Neue Heere der Brüder in die offne |
20 |
Höhle des Todes! |
|
|
21 |
Und weswegen? Du wirst es hören, Nachwelt, |
22 |
Wenn vom Grimme der Väter uns noch Enkel |
23 |
Bleiben, hören und richten uns, entkommne |
24 |
Weisere Nachwelt! |
|
|
25 |
Wen der Götter, o wen soll unser Flehen |
26 |
Niederrufen? Ihr heil'gen Vestalinnen, |
27 |
Treue Seelen, o wer soll unsern schweren |
28 |
Frevel entsühnen? |
|
|
29 |
Nicht der blutige Mavors, Kriege zeugen |
30 |
Kriege; Cypria nicht, ihr Band um Thronen, |
31 |
Fein und lose gespannt, verewigt unsre |
32 |
Sorge der Nachzeit; |
|
|
33 |
Nicht die Herrscherin Juno, sie verschwägert |
34 |
Nationen zu ihres Stolzes Zwietracht. |
35 |
Komm hernieder, o Du, ein Strahlenjüngling, |
36 |
Priester Apollo, |
|
|
37 |
Mit dem lindesten Griff in Deine Saiten |
38 |
Bändigend der Entbrannten Wuth; ein Lichtstrahl |
39 |
Deines goldenen Köchers trenne jeden |
40 |
Täuschenden Nebel, |
|
|
41 |
Daß sich Brüder erkennen, daß sich Völker, |
42 |
Wie von Träumen erwacht, mit Hilf' umarmen! |
43 |
Singe, singe den Menschen, Du der Völker |
44 |
Einziger Hilfsgott, |
|
|
45 |
Harmonieen des allgemeinen Wohllauts, |
46 |
Die des niedrigen Neides, der an sich nagt, |
47 |
Und der tollen Begier, die nie genießet, |
48 |
Schändliche Töchter, |
|
|
49 |
Habsucht, Sucht zu gebieten, in den Orcus |
50 |
Bannen; singe den Königen den schönsten |
51 |
Königsnamen, des Vaterlandes Vater, |
52 |
Tief in das Herz ein! |
|
|
53 |
Denn nur Licht erfreuet und schafft Gestalten; |
54 |
Nur die Muse beglückt, die aller Reiche |
55 |
Wohllaut ordnet und selbst den heulend-wilden |
56 |
Cerberus bändigt. |
Details zum Gedicht „Die Rettung“
Johann Gottfried Herder
14
56
307
1744 - 1803
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Die Rettung“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, einem deutschen Dichter, Theologen und Philosophen der Aufklärung. Er lebte von 1744 bis 1803 und zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen Literaturgeschichte. Das Gedicht kann somit zeitlich im Kontext der Aufklärung und des Sturm und Drang eingeordnet werden, eine Epoche, die durch ein gesteigertes Interesse an den Gefühlen und Gedanken des Individuums gekennzeichnet war.
Das Gedicht wirkt auf den ersten Eindruck sehr dramatisch und emotional. Es beschreibt die Zerstörungen und das Leid, die durch Kriege und Gewalt ausgelöst werden. Es ist eine Kritik an der menschlichen Gier nach Macht und Dominanz, die dazu führt, dass Brüder gegeneinander kämpfen und unschuldige Menschen sterben.
Das lyrische Ich im Gedicht ist ein starker Kritiker der Gewalt und des Krieges. Es fordert das Ende der Kampfhandlungen und bittet um Versöhnung und Frieden. Besondere Beachtung verdient die Anspielung auf die antiken Götter und die Macht der Musik. Diese Elemente verdeutlichen Herders Forderung nach kulturellem Fortschritt und Humanisierung der Gesellschaft.
Formal besteht das Gedicht aus 14 gleich aufgebauten vierzeiligen Strophen. Die Verwendung des Daktylus gibt dem Gedicht einen rhythmischen Schwung, der die Bedeutung der Worte verstärkt und die Lektüre lebendig macht. Auffallend ist die häufige Verwendung der Anrede, die die Leser direkt anspricht und zur Auseinandersetzung mit den angesprochenen Problemen auffordert.
In der Sprache des Gedichts spiegelt sich zum einen Herders Affinität zur Antike wider, zum anderen sein tiefes humanistisches Engagement. Er verwendet eine bildhafte und emotionale Sprache, die den Horror des Krieges und das Leid der Menschen dramatisch zum Ausdruck bringt. Gleichzeitig ist seine Wortwahl von einer hohen Gelehrsamkeit geprägt, die seine umfassende Bildung und seinen intellektuellen Hintergrund zeigt. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die abschließende Strophe, in der das Licht als Symbol für Aufklärung und Bildung erscheint, das alle Dunkelheit vertreibt und Harmonie und Frieden schafft.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Die Rettung“ ist Johann Gottfried Herder. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Zwischen den Jahren 1760 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von etwa 1765 bis 1790 und wird häufig auch Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Der Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter waren meistens junge Autoren, zumeist nicht älter als 30 Jahre. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.
Die Literaturepoche der Klassik beginnt nach herrschender Auffassung mit der Italienreise Goethes, die er 1786 im Alter von 36 Jahren machte. Das Ende der Epoche wird auf 1832 datiert. In der Klassik wurde die Literatur durch Einflüsse der Französischen Revolution, die ziemlich zu Beginn der Epoche stattfand, entscheidend geprägt. In der Französischen Revolution setzten sich die Menschen dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Ausgangspunkt und literarisches Zentrum der Weimarer Klassik (kurz auch oftmals einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Toleranz, Menschlichkeit und Übereinstimmung von Natur und Mensch, von Individuum und Gesellschaft sind die Ideale der Klassik. Im Zentrum des klassischen Kunstkonzepts steht das Streben nach harmonischem Ausgleich der Gegensätze. In der Lyrik haben die Dichter auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders beliebt. Außerdem verwendeten die Dichter eine gehobene, pathetische Sprache. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Goethe und Schiller.
Das vorliegende Gedicht umfasst 307 Wörter. Es baut sich aus 14 Strophen auf und besteht aus 56 Versen. Der Dichter Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Amor und Psyche“, „An Auroren“ und „An den Schlaf“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Die Rettung“ weitere 413 Gedichte vor.
+ Mehr Informationen zum Autor / Gedicht einblenden.
+ Wie analysiere ich ein Gedicht?
Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Johann Gottfried Herder
Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Johann Gottfried Herder und seinem Gedicht „Die Rettung“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.
- Weimarer Klassik (1794 - 1805) - die gemeinsame Schaffensperiode von Goethe und Schiller
- Rosegger, Peter - Ein bisschen mehr Frieden (Gedichtinterpretation)
- Goethe, Johann Wolfgang von - herausragende Persönlichkeit der Weltliteratur
- Schiller, Johann Friedrich von - Kabale und Liebe
- Goethe, Johann Wolfgang von - sein Leben
Weitere Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder (Infos zum Autor)
- Amor und Psyche
- An Auroren
- An den Schlaf
- An die Freundschaft
- Apollo
- Bilder und Träume
- Das Flüchtigste
- Das Gesetz der Welten im Menschen
- Das Glück
- Das Kind der Sorge
Zum Autor Johann Gottfried Herder sind auf abi-pur.de 413 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
Freie Ausbildungsplätze in Deiner Region
besuche unsere Stellenbörse und finde mit uns Deinen Ausbildungsplatz
erfahre mehr und bewirb Dich direkt