Gedankenfreiheit von Johann Gottfried Herder

Sagt, Gebieter der Erde,
Warum eilet Ihr so, mit unsrer kleinen
Gabe, Gedankenfreiheit,
Euren eigenen Schatz, die Macht der Völker,
Schmählicher hinzurichten?
Der sein inneres Herz, der Wahrheit Tempel,
Sonst mit Freude des Jünglings
Aufschloß, murmelt anjetzt geheimnißbrütend,
Scheut, die Sonne zu nennen,
10 
Und verschmachtet im Gram, wenn Ihr am hellen
11 
Morgen tief in der Nacht seid.
12 
Ist's, im Dunkel zu wandeln, Götterfreude?
13 
Oder spaltet ein Lichtmeer
14 
Nicht das Seidegespinnst? In Lykomedes'
15 
Kammer verrieth Achilles
16 
Sich dem Forschenden doch und ging vor Troja.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Gedankenfreiheit“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
83
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Dieses Gedicht stammt von Johann Gottfried Herder, einem deutschen Dichter der Aufklärung. Herder lebte von 1744 bis 1803, daher kann das Gedicht zeitlich in diese Epoche eingeordnet werden.

Beim ersten Lesen fällt sofort die Anklage gegen die „Gebieter der Erde“ auf. Das lyrische Ich scheint sich gegen eine Art von Unterdrückung und Einschränkung seiner Gedankenfreiheit zu wehren. Dies passt ganz gut in die Epoche der Aufklärung, in der die Autonomie und Freiheit des Individuums eine große Rolle spielten.

Im Inhalt spricht das lyrische Ich direkt die Machthaber an und beklagt eine Art von Unterdrückung, die dazu führt, dass es sich nicht frei äußern kann. Der Ausdruck „Gedankenfreiheit“ wird hier als eine „Gabe“ und „Schatz“ bezeichnet, der durch die „Gebieter der Erde“ geschmäht und hingerichtet wird. Das lyrische Ich fühlt sich in der eigenen Meinungsäußerung beschränkt, es leidet unter dieser Unterdrückung („verschmachtet im Gram“) und hofft wahrscheinlich auf eine Besserung der Situation.

Die Form des Gedichts ist eine einzige Strophe von 16 Versen. Die Sprache ist eher gehoben und pathetisch, was zeigt, dass es dem lyrischen Ich ernst ist mit seiner Anklage. Stilistische Mittel wie Metaphern („Wahrheit Tempel“, „Sonnenunerwünschung“) und Anspielungen auf die griechische Mythologie („In Lykomedes' Kammer verrieth Achilles sich“) erzeugen eine intellektuelle und kulturelle Atmosphäre, die zu der gesellschaftlichen Schicht passt, an die sich das Gedicht wahrscheinlich richtet: die gelehrten und mächtigen Männer seiner Zeit. Es ist auch eine gewisse Dramatik zu spüren, die durch das Spiel mit Licht und Dunkelheit (als Metaphern für Wahrheit und Unwahrheit, Freiheit und Unterdrückung) erzeugt wird.

Weitere Informationen

Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „Gedankenfreiheit“. Der Autor Johann Gottfried Herder wurde 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1760 und 1803. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Die Epoche des Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System wendeten. Die Autoren der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die traditionellen Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.

Zeitlich lässt sich die Weimarer Klassik mit Goethes Italienreise 1786 und mit Goethes Tod im Jahr 1832 eingrenzen. Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert beeinflusst. Die Aufklärung und die gefühlsbetonte Strömung Sturm und Drang. Die Weimarer Klassik ist eine Synthese dieser beiden Elemente. Literarisches Zentrum und Ausgangspunkt der Weimarer Klassik (kurz auch häufig einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Menschlichkeit, Toleranz und Übereinstimmung von Mensch und Natur, von Gesellschaft und Individuum sind die Ideale der Klassik. Im Zentrum des klassischen Kunstkonzepts steht das Streben nach harmonischem Ausgleich der Gegensätze. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik charakteristisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die bedeutenden Dichter der Klassik sind: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Johann Gottfried von Herder und Christoph Martin Wieland.

Das Gedicht besteht aus 16 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 83 Worte. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „An Auroren“, „An den Schlaf“ und „An die Freundschaft“. Zum Autor des Gedichtes „Gedankenfreiheit“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

+ Wie analysiere ich ein Gedicht?

Daten werden aufbereitet

Fertige Biographien und Interpretationen, Analysen oder Zusammenfassungen zu Werken des Autors Johann Gottfried Herder

Wir haben in unserem Hausaufgaben- und Referate-Archiv weitere Informationen zu Johann Gottfried Herder und seinem Gedicht „Gedankenfreiheit“ zusammengestellt. Diese Dokumente könnten Dich interessieren.

Weitere Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder (Infos zum Autor)

Zum Autor Johann Gottfried Herder sind auf abi-pur.de 413 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.