Der erste Mai von Karl Heinrich Heydenreich

Willkommen, Erstgebohrner des schönen Mays!
Tag heilger Wonne! Werth daß der edelste
Der Weine fließe und des Liebreiz
Göttinnen scherzend im Chortanz schweben!
 
Sey mir willkommen, Liebling und Stolz des Jahrs!
Willkommen, die du wiedererwachend jetzt
Uns lächelst, holde Lebensblüthe
Unsrer zum Alter schon flieh’nden Erde!
 
Einst, da des ersten Frühlings milder Geist
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Die neugebohrne schmeichelnd umsäußelte,
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Und jugendlich im heilgen Strahle
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Goldner Jahrhunderte sie sich wiegte.
 
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Da schwebte dieser freundliche Frühlingswind
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Mit nimmer müden Fittigen um die Flur,
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Und ohne Saat und Menschenpflege
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Glänzten die Felder von reichen Früchten.
 
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So sanft durchwehn die Inseln der Seeligen
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Wohlthät’ge Lüfte, wehn und verwehen nie,
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So wallen ewige laue Weste
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In der Unsterblichen heilgen Fluren.
 
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So säuselt’s durch den dämmernden stillen Hain
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Der stummen Schatten, lispelt mit Zauberhall
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Um der Vergessung holde Quelle,
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Spielt in der Trauercypressen Zweigen.
 
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Und wenn einst Gott mit heiliger Flammenglut
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Die Erde läutert, und die Jahrhunderte
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Des goldnen Friedens und der Unschuld
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Jugendlich prangend ihr wiederkehren,
 
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Dann wallet, ahnd’ ich, eben der sanfte Geist
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Um die verjüngte, wallt und verwallet nie,
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Und unsrer Seelen Aetherhüllen
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Leben des ewigen Frühlings Lüfte.
 
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O, sey gegrüßt mir, Erster des schönen Mays!
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Tag hoher Ahndung! Sey mir gegrüßt, du Bild
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Des Jugendlebens unsrer Erde
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Und der verjüngenden heilgen Zukunft!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26.8 KB)

Details zum Gedicht „Der erste Mai“

Anzahl Strophen
9
Anzahl Verse
36
Anzahl Wörter
211
Entstehungsjahr
1792
Epoche
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der erste Mai“ wurde von Karl Heinrich Heydenreich, einem deutschen Schriftsteller und Historiker, der im späten 18. und beginnenden 19. Jahrhundert lebte, verfasst. Geprägt durch die Ära der Aufklärung und den Übergang zur Romantik, ist sein Gedicht charakterisiert durch eine tiefe Naturbewunderung, idealistischen Optimismus und ein hohes Maß an bildlicher Sprache.

Beim ersten Lesen fällt eine starke Hervorhebung des Frühlings und insbesondere des ersten Mai als Beginn des Monats auf. Der Dichter wendet eine verherrlichende und ehrfurchtvolle Sprache an, um das Erwachen der Natur und die damit verbundenen positiven Gefühle zu betonen.

Inhaltlich feiert das lyrische Ich den ersten Mai als Symbol des Neuanfangs, der Jugend und der Fruchtbarkeit. Die Personifizierung dieses Tages durch Begriffe wie „Erstgebohrner“, „Liebling“ und „Stolz des Jahrs“ deutet darauf hin, dass der Mai eine besondere Bedeutung hat, möglicherweise als ein Moment der Wiedergeburt oder Verjüngung. Darüber hinaus sieht das lyrische Ich diesen Tag als einen Vorgeschmack auf eine heilige, verjüngte Zukunft, wo die Seelen ewigen Frühling erleben. Es sieht also den ersten Mai nicht nur als bloßen Anfang eines neuen Monats, sondern vielmehr als eine Metapher für ewige Erneuerung und Hoffnung.

Formal besteht das Gedicht aus neun Strophen mit jeweils vier Versen. Die Sprache ist hochpoetisch und enthält reiche, bildliche Ausdrücke, die zur Darstellung der erhabenen Natur und des idealisierten Bild des ersten Mais verwendet werden. Die Stimmung ist feierlich und erhebend und spiegelt die Hochachtung des lyrischen Ichs für die Schönheit des Frühlings und die Hoffnung auf eine strahlende Zukunft wider.

Insgesamt ist das Gedicht „Der erste Mai“ eine Verkörperung des aufklärerischen Optimismus und der naturbewundernden Romantik, die das Schaffen von Heydenreich kennzeichneten. Durch die bildhafte und emotionale Sprache wird das lyrische Ichs Bewunderung für die Natur und seine Hoffnung auf eine strahlende, erneuerte Zukunft zum Ausdruck gebracht.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der erste Mai“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Karl Heinrich Heydenreich. 1764 wurde Heydenreich in Stolpen geboren. Entstanden ist das Gedicht im Jahr 1792. Leipzig ist der Erscheinungsort des Textes. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zur Epoche Klassik zu. Die Zuordnung der Epoche ist ausschließlich auf zeitlicher Basis geschehen. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben bei Verwendung. Das Gedicht besteht aus 36 Versen mit insgesamt 9 Strophen und umfasst dabei 211 Worte. Ein weiteres Werk des Dichters Karl Heinrich Heydenreich ist „Die griechische Tonkunst“. Zum Autor des Gedichtes „Der erste Mai“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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