Waldlied von Nikolaus Lenau
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Wie Merlin |
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möcht ich durch die Wälder ziehn; |
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was die Stürme wehen, |
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was die Donner rollen |
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und die Blitze wollen, |
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was die Bäume sprechen, |
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wenn sie brechen, |
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möcht ich wie Merlin verstehen. |
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Voll Gewitterlust |
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wirft im Sturme hin |
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sein Gewand Merlin, |
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daß die Lüfte kühlen, |
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Blitze ihm bespülen |
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seine nackte Brust. |
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Wurzelfäden streckt |
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Eiche in den Grund, |
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unten saugt versteckt |
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tausendfach ihr Mund |
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Leben aus geheimen Quellen, |
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die den Stamm gen Himmel schwellen. |
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Flattern läßt sein Haar Merlin |
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in der Sturmnacht her und hin, |
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und es sprühn die feurig falben |
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Blitze, ihm das Haupt zu salben, |
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die Natur, die offenbare, |
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traulich sich mit ihm verschwisternd, |
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tränkt sein Herz, wenn Blitze knisternd |
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küssen seine schwarzen Haare. – – |
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Das Gewitter ist vollbracht, |
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stille ward die Nacht; |
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heiter in die tiefsten Gründe |
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ist der Himmel nach dem Streite; |
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wer die Waldesruh verstünde |
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wie Merlin, der Eingeweihte! |
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Frühlingsnacht! Kein Lüftchen weht, |
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nicht die schwanksten Halme nicken, |
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jedes Blatt, von Mondesblicken |
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wie bezaubert, stille steht. |
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Still die Götter zu beschleichen |
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und die ewigen Gesetze, |
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in den Schatten hoher Eichen |
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wacht der Zaubrer, einsam sinnend, |
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zwischen ihre Zweige spinnend |
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heimliche Gedankennetze. |
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Stimmen, die den andern schweigen, |
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jenseits ihrer Hörbarkeiten, |
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hört Merlin vorübergleiten, |
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alles rauscht im vollen Reigen. |
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Denn die Königin der Elfen |
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oder eine kluge Norn |
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hält, dem Sinne nachzuhelfen, |
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ihm ans Ohr ein Zauberhorn |
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Rieseln hört er, springend schäumen |
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Lebensfluten in den Bäumen. |
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Vögel schlummern auf den Ästen |
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nach des Tages Liebesfesten, |
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doch ihr Schlaf ist auch beglückt; |
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lauschend hört Merlin entzückt |
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unter ihrem Brustgefieder |
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träumen ihre künftgen Lieder. |
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Klingend strömt des Mondes Licht |
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auf die Eich und Hagerose, |
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und im Kelch der feinsten Moose |
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tönt das ewige Gedicht. |
Details zum Gedicht „Waldlied“
Nikolaus Lenau
8
64
275
1802 - 1850
Biedermeier
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Waldlied“ stammt vom österreichischen Autor Nikolaus Lenau, der im 19. Jahrhundert lebte. Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht lebhaft und mystisch und scheint das tiefe Eintauchen in die Natur zu thematisieren. Darüber hinaus werden auch mythologische Elemente, hauptsächlich die Figur des Zauberers Merlin, verwendet.
Das lyrische Ich identifiziert sich im Gedicht mit der Figur des Merlin und beschreibt damit einen Wunsch nach tiefer Verbundenheit und Verständnis der Natur. Es möchte die Kräfte der Natur, repräsentiert durch Sturm und Gewitter, spüren und verstehen. Zudem zeigt sich eine gewisse Sehnsucht nach Erkenntnis und Einsicht in die Geheimnisse der Natur und des Lebens.
Formal besteht das Gedicht aus acht Strophen mit unterschiedlicher Länge. Die Verse sind größtenteils frei und reimlos, was zur allgemeinen Stimmung des Gedichts, die sowohl wild und ungestüm als auch tiefgründig und reflektierend ist, beiträgt. Lenau verwendet eine bildreiche und metaphernreiche Sprache, die dem Gedicht einen starken Ausdruck verleiht. Wichtige Metaphern sind dabei die des Gewitters und die Pflanzenwelt, welche die Energie und Lebendigkeit der Natur symbolisieren.
Die Sprache des Gedichts ist gehoben und teils altertümlich, was zu dem mystischen und zeitlosen Charakter des Gedichts beiträgt. Lenau verwendet zahlreiche Personifikationen und Metaphern, um die Natur zu beschreiben und zu charakterisieren. So werden etwa die Bäume als sprechend und die Blitze als willens beschrieben.
Die Figur des Merlin dient dabei als Identifikationsfigur für das lyrische Ich und symbolisiert sein Streben nach tieferem Verständnis und Verbundenheit mit der Natur. Es ist ein Gedicht der Romantik, in dem die Faszination für die Natur und das Streben nach Erkenntnis in den Vordergrund rücken.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Waldlied“ ist Nikolaus Lenau. Im Jahr 1802 wurde Lenau in Csatád geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1818 bis 1850 entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht der Epoche Biedermeier zuordnen. Lenau ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 275 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 64 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Nikolaus Lenau sind „An meine Rose“, „Winternacht“ und „Leichte Trübung“. Zum Autor des Gedichtes „Waldlied“ haben wir auf abi-pur.de weitere 51 Gedichte veröffentlicht.
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- Winternacht
- Leichte Trübung
- Herbstklage
- Herbstgefühl
- Herbstentschluß
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- Der Postillion
- An einem Grabe
- An die Entfernte
Zum Autor Nikolaus Lenau sind auf abi-pur.de 51 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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