Das Staatschristenthum von Johann Gottfried Herder
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Woher, Du Wolkenpalast, an die Säume |
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Der Erd' hinausgebreitet, fern |
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Vom Libanon zum Hekla, zu den Affen |
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Und Patagonen hin? |
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Woher, Du Himmelsstürmer, der den Zeiten |
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Verwüstung drohet? Wo dann ruhn |
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Die ew'gen Säulen, die Dich stützen? Hobest, |
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Erhobst Du Dich nicht selbst |
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Auf Trümmern nur versunkner Heiligthümer, |
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Im Sturz der Zeiten, namenlos? |
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So wie in Tagesneig' ein Moderwölkchen |
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Im fernen grauen Ost. |
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Das Moderwölkchen unbeahnet sammelt |
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Aus Höll- und Klüften Dämpfe sich, |
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Bis Mitternachts es hoch sein Haupt erhebet |
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Und deckt der Sterne Glanz, |
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Und überzieht den Himmel, stürzet nieder |
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Die Schlummernden in mehr als Nacht, |
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In Dampf und Trümmer. Schaut die Zauberwolke! |
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Sie hüllt das alte Rom, |
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Das Helden-Rom, die Königin der Welten, |
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Auf ihren sieben Thronen ein |
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Zur Zaubervettel mit dem vollen Becher, |
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Zur Herrscherin der Welt |
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Auf sieben neuen Thronen. Und die Erde |
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Floß über von des Bechers Wuth; |
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Die Völker taumelten; der Berg der Götter, |
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Der Berg der Musen wich; |
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Meerüber floh die Weisheit in die Zelte |
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Gastfreier wilder Araber. |
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Die Bücher brannten, und der Rauch der Bücher |
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Erhebt sie prächtiger, |
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Die Zauberwolk'. In schwarzen runden Wellen |
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Rollt sie von Erd' zu Erden hin, |
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Und in ihr klirren Ketten, heil'ge Waffen |
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Der Zwietracht, Paukenschall |
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Zum Morde der Vernunft. Die Banne blitzen, |
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Wie Höllengabeln heben sie |
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Die Kronen von der Königsschläfe, jagen |
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Im Strudel alle Welt |
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Gen Osten in das heil'ge Grab des Todes; |
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Da pranget nun, was Wolke war, |
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Als Palast des gekrönten Schuhs, der Thronen |
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Wie Sünden niedertrat. |
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Noch steht der alte Palast, aber öde; |
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Und immer sinkt der Nebel mehr. |
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Ihr Brüder, seht, die schöne helle Sonne |
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Steigt langsam schon empor! |
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Der Nebel sinkt, und mehr als Wolkenschlösser |
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Stehn glänzend uns vor Augen da. |
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So nahe wart Ihr, Hütten bessrer Menschen, |
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Und wir, wir sahn Euch nicht, |
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In Nacht begraben. Kommt, der Hütten Kinder! |
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Auf freiem Hügel wollen wir |
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Der Morgenkönigin, der Sonn', uns weihen, |
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Die Euch das Licht gebracht. |
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Ihr horchet, was dort in der letzten Wolke |
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Wegjammert? Brüder, horchet nicht! |
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Es ist der Circe Lied! sie wandelt Menschen |
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Zu Opferthieren um. |
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Kommt, vor dem Angesicht der Morgenröthe |
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Uns zu umarmen, und nur ihr, |
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Der Göttlichen, so lange, lange Sklavin, |
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Der Wahrheit uns zu weihn! |
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Und Menschenwürde, Menschenfreiheit wollen |
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Wir redlich anerkennen, rein |
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Anbeten Gott, bis einst allgegenwärtig |
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Der Welt die Sonne strahlt! |
Details zum Gedicht „Das Staatschristenthum“
Johann Gottfried Herder
17
68
381
1770
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Dieses Gedicht stammt von Johann Gottfried Herder, einem wichtigen Vertreter der Weimarer Klassik und der Aufklärung, der von 1744 bis 1803 lebte.
Beim ersten Lesen des Gedichts fällt auf, dass es Fragen zu Herkunft, Macht und Vernichtung stellt, gleichzeitig aber auch Hoffnung auf eine Erneuerung bringt. Es scheint sich mit einer Kritik am formalisierten Christentum der damaligen Zeit – dem sogenannten „Staatschristentum“ – zu befassen.
Das Gedicht beginnt mit der Frage nach dem Ursprung der mächtigen und ausbreitenden Kirche – der 'Wolkenpalast'. Es stellt die Frage, woher diese Macht kommt und wie sich die Kirche selbst erhob. Es wird ein Bild von Trümmern und Ruinen gezeichnet, das die Vergänglichkeit und Korruption des bestehenden Systems darstellt.
Die Gedichtzeilen deuten dann auf eine Wende hin. Es wird beschrieben, wie diese Wolke die glorreiche Stadt Rom bedeckt und sie zu einer 'Zaubervettel', einer Herrscherin der Welt, macht. Es wird dann deutlich, dass diese Macht auf Zerstörung hinausläuft, mit der Verwüstung von Wissen, der Vernichtung von Königen und der Anbetung des Todes.
Doch gegen Ende des Gedichts schimmert Hoffnung durch. Die 'schöne helle Sonne' beginnt aufzusteigen, die Nebel lichten sich und ein Bild einer besseren Welt wird deutlich. Es wird zu den 'Kindern der Hütten' gesprochen, der einfachen Bevölkerung, und zu einer Umarmung der 'Göttlichen' aufgerufen. Es schließt mit einer Aufforderung, die Wahrheit zu verehren und die Würde und Freiheit des Menschen anzuerkennen.
Formal besteht das Gedicht aus 17 je vierzeiligen Strophen. Das Reimschema ist dabei frei und variiert von Strophe zu Strophe. Die Sprache des Gedichts ist reich an Metaphern und bildhaften Beschreibungen, die Aspekte des Machtmissbrauchs, des Niedergangs und der Hoffnung effektvoll veranschaulichen. Besonders hervorzuheben sind die starken Bilder wie der 'Wolkenpalast', die 'Zauberwolke' und die 'Morgenkönigin', die eine metaphorische Sprache verwenden, um die Kontraste zwischen Korruption und Hoffnung zu unterstreichen. Insbesondere der 'Wolkenpalast' steht symbolisch für das Staatschristentum und die Macht der Kirche, wohingegen die 'Morgenkönigin', die Sonne, ein Symbol für Aufklärung und Hoffnung repräsentiert.
In Herders Gedicht „Das Staatschristenthum“ wird also die Kritik an der institutionalisierten Form des Glaubens zum Ausdruck gebracht, gleichzeitig aber auch eine Vision für eine Erneuerung skizziert. Es ist ein Aufruf, den wahren Glauben – vertreten durch die aufgehende Sonne – zu finden und sich gegen das institutionalisierte Christentum – symbolisiert durch den Wolkenpalast – zu stellen. Dabei vertritt Herder eine wichtige aufklärerische Position: Die Betonung der menschlichen Würde und Freiheit und dem Streben nach Wahrheit.
Weitere Informationen
Der Autor des Gedichtes „Das Staatschristenthum“ ist Johann Gottfried Herder. Geboren wurde Herder im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen). Im Jahr 1770 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.
Der Sturm und Drang reicht zeitlich etwa von 1765 bis 1790. Sie ist eine Strömung innerhalb der Aufklärung (1720–1790) und überschneidet sich teilweise mit der Epoche der Empfindsamkeit (1740–1790) und ihren Merkmalen. Häufig wird der Sturm und Drang auch als Genieperiode oder Geniezeit bezeichnet. Die Klassik knüpft an die Literaturepoche des Sturm und Drang an. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Schriftsteller der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde insbesondere darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Mit seinen beiden wichtigen Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.
Prägend für die Literatur der Weimarer Klassik war die Französische Revolution. Menschen setzten sich dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Der Beginn der Weimarer Klassik ist im Jahr 1786 auszumachen. Die Epoche der Klassik endete im Jahr 1832 mit dem Tod Johann Wolfgang von Goethes. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. Zu den wichtigsten Motiven der Klassik gehören unter anderem Toleranz und Menschlichkeit. In der Klassik wird eine einheitliche, geordnete Sprache verwendet. Allgemeingültige, kurze Aussagen sind oftmals in Werken der Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, legte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich oftmals an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Schiller, Goethe, Herder und Wieland bildeten das „Viergestirn“ der Klassik. Es gab natürlich auch noch weitere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.
Das Gedicht besteht aus 68 Versen mit insgesamt 17 Strophen und umfasst dabei 381 Worte. Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Das Glück“, „Das Kind der Sorge“ und „Das Orakel“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Das Staatschristenthum“ weitere 413 Gedichte vor.
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