Das Eine in der Natur von Johann Gottfried Herder

Ihr kleinen Sterne dort bei Nacht,
Die, funkelnd, unserm Angesicht
Mehr Zahl als Glanz erschaulich macht,
Ihr Heere, denen Raum gebricht:
Was seid Ihr all am Sonnenlicht?
 
Ihr frühen Veilchen auf der Flur,
Die Ihr in Purpurkleiderpracht
Als Erstgeborne der Natur
Um Euch so stolz, so spröde lacht:
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Was seid Ihr, wenn die Ros' erwacht?
 
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Ihr regen Sänger dort im Hain,
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Mit tausendfachem, muntern Schall,
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Als wäret Ihr, so schwach, so klein,
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Die Tonkunst alle: allzumal,
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Was seid Ihr zu der Nachtigall?
 
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So, wenn mit ihrem Götterblick
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Mein Mädchen eintritt in den Kreis
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Der Schönen, und ihr Götterblick
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Von aller Herrlichkeit nichts weiß:
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Wer läßt, wer giebt ihr nicht den Preis?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Das Eine in der Natur“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
111
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Das Eine in der Natur“ stammt von Johann Gottfried Herder, einem bedeutenden deutschen Dichter und Denker des 18. Jahrhunderts. Herder, der zwischen 1744 und 1803 lebte, kann damit in die Epoche der Aufklärung und des Sturm und Drang eingeordnet werden.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass das Gedicht die Natur und ihre Teilaspekte hervorhebt und sich fragend und vergleichend mit diesen auseinandersetzt.

Inhaltlich setzt sich das Gedicht mit den Schönheiten und der Einzigartigkeit der Natur und des Individuums auseinander. Es besteht aus vier Strophen, in denen das lyrische Ich unterschiedliche Aspekte der Natur thematisiert: die Sterne, die Veilchen, die Vögel und schließlich das Mädchen. Diese werden jedoch in Relation zueinander gesetzt und ihre Schönheit bzw. Besonderheit in Frage gestellt, immer mit einem Fokus auf das „Eine“, das jedes Mal hervorgehoben wird: das Sonnenlicht, die Rose, die Nachtigall und das geliebte Mädchen.

In dieser Weise versucht das lyrische Ich den Ausdruck einer Bewunderung sowohl für die Vielfalt der Natur als auch für die besondere Ausstrahlung und Einzigartigkeit einzelner Phänomene oder Individuen. Diese Betonung des Einzelnen im Kontext des Ganzen kann als ein zentrales Merkmal der Aufklärungsphilosophie und der Poetik des Sturm und Drang gelten, welche das Individuum in den Fokus rücken.

In Bezug auf die Form ist das Gedicht in vier gleich aufgebaute Strophen mit je fünf Versen gegliedert, was eine gewisse Ordnung und Regelhaftigkeit vermittelt. Die Sprache ist dabei bildreich und poetisch, mit starkem Gebrauch von Metaphern und Vergleichen, die der Natur und ihren Erscheinungen eine hohe ästhetische Wertigkeit zukommen lassen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Herders Gedicht „Das Eine in der Natur“ ein typischer Vertreter der dichterischen Auseinandersetzung mit dem Naturschönen und der Individualität während der Epoche der Aufklärung und des Sturm und Drang ist. Es thematisiert die Bewunderung für die Vielfalt der Natur und die Einzigartigkeit des Einzelnen und zeigt dabei eine deutliche Ausrichtung auf das Ästhetische und Sinnliche.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Das Eine in der Natur“ ist Johann Gottfried Herder. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. In der Zeit von 1760 bis 1803 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zu. Bei Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Zwischen den Literaturepochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren zwischen 1765 und 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig junge Autoren im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde insbesondere darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Schriftstellern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit der Hinwendung Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Die Weimarer Klassik ist eine Epoche der deutschen Literaturgeschichte, die von zwei bedeutenden Dichtern geprägt wurde: Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Die Literaturepoche beginnt im Jahr 1786 mit Goethes Italienreise und endet im Jahr 1832 mit Goethes Tod. Es gibt aber auch Definitionen, die die gemeinsame Schaffenszeit der beiden befreundeten Dichter Goethe und Schiller von 1794 bis zu Schillers Tod 1805 als Weimarer Klassik festlegen. Die Weimarer Klassik wird häufig nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen sind in der Literatur gebräuchlich. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Weimarer Klassik nach Vollkommenheit, Harmonie, Humanität und der Übereinstimmung von Inhalt und Form gesucht. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik typisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Goethe, Schiller, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Klassik bezeichnet werden. Aber nur Schiller und Goethe inspirierten und motivierten einander durch enge Zusammenarbeit und gegenseitige Kritik.

Das Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 4 Strophen und umfasst dabei 111 Worte. Weitere Werke des Dichters Johann Gottfried Herder sind „Amor und Psyche“, „An Auroren“ und „An den Schlaf“. Zum Autor des Gedichtes „Das Eine in der Natur“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.

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