Sie waren von der Welt verkannt von Johann Gottfried Herder
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»Er ruft Elias!« O Freund, o Freund, da stehn |
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Sie ums Kreuz in dunkler Hülle! verstehen's nicht! |
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Horchen in dunkler Hüll' und spotten |
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In ihrem Dunkel: »Er ruft Elias!« |
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O Freund, o Freund! sie verstehn uns nicht |
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In ihrer Hülle! da stehn sie, horchen |
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Und schreien, als ob wir, Thoren, Elias hofften, |
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Und Gott hab' uns verlassen! |
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Er hat uns nicht verlassen! verkannt, |
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In Spott verstorben, am Kreuz verstorben! |
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Und käm' auch keine bessere Nachwelt, |
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Er versteht uns. |
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Und säh's auch bessere Nachwelt nie! |
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Er ist's, der uns mit Preis der Engel krönt, |
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Daß wir am Tage der Noth Gebet und Flehn |
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Und stark Geschrei und Thräne geopfert. |
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Er weiß, es war nicht Menschenangst, |
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Nicht Tod des Leibes! der arme Tod! |
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Da wir vorm Schicksalskelche zagten, |
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Uns einsam fühlten in der Welt, |
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Und Menschenruhe störten, war nicht Menschenhaß. |
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Da wir sie schwach Geschöpf erkannten! 's war |
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Menschliche, freundliche Thräne, |
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Da wir aus Träumen, ach! einsam kamen |
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Und suchten und fanden Menschen und weinten; |
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Sie verstanden uns nicht! das hohe Graun der Nacht |
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Mit ihren Schöpfungs-Mitternachtsgedanken, |
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Sie verstanden's nicht und wandten sich: |
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»Mitternacht ist zur Ruhe geschaffen!« und schliefen neu! |
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Wir gingen einsam fürder; es kam |
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Ein Tröstungs-, kam ein Labungsengel, |
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Unserer Seele geschaffenes Bild kam, |
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Und wollte trösten! Freundverlassene! Weltverkannt! |
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Da kam der falsche Freundeskuß mit Heer |
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Und Fackel und Spieß und Unschuldsfessel! das tröstete! |
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Die Unschuldsfessel und falscher Freundekuß |
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Den Welt- und Freundverlassenen! ward Labung ihm, |
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Die Galle ward ihm Labung! »Ich bin's!« Ihm ward |
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Die Fessel Triumphkranz! »Sucht Ihr mich? nichts mehr?« |
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Und führten den prangenden König, |
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Voll hohen Unschuldsgefühls. »Ihr greift mich in der Nacht. |
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Ich hab' am Tage gelehrt, Ihr griffet mich nicht! |
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Ich bin's, und dies ist Eure Stunde, |
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Im Dunkeln!« |
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Und führten den Siegprangenden: |
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»Ich bin ein König!« und geißelten, spotteten sein: |
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»Seht, welch ein Mensch!« in Dornenkrone |
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Mit der Miene der Thronesunschuld. |
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»In den Wolken komm' ich!« »Er lästert Gott!« |
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Zerrissen die Kleider, huben ihn empor aufs Kreuz! |
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»Heut soll mein Paradies Dir sein!« |
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Und gaben ihm Galle! er trank der Labung |
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Triumphstrank. »'s ist, ist vollbracht!« |
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Und starb verkannt! - War nicht verkannt! |
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Die Thrän' und Blut, am Berge zu Staub geweint, |
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Ward Perl' der Krone! Gott kannt' ihn! |
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Er lebt, und alle Welten beseliget |
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Sein Nam', überwindet die Hölle, giebt sanften Tod! |
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Von der Welt verkannt, wir sehn ihn einst |
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In Wolken wiederkommen! |
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Verkennt, die ihn verkannten! erkennt, |
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Die ihn noch wiederfinden! O Freund, wie er, |
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Rufe Dein Eli! ach, und hör nicht |
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Das Geschrei der Dunkeln in öder Hülle! |
Details zum Gedicht „Sie waren von der Welt verkannt“
Johann Gottfried Herder
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1744 - 1803
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das vorliegende Gedicht mit dem Titel „Sie waren von der Welt verkannt“ wurde von Johann Gottfried Herder, einem der berühmtesten deutschen Dichter der Aufklärungszeit, verfasst. Herder lebte von 1744 bis 1803, also kann das Gedicht in das 18. Jahrhundert eingeordnet werden.
Beim ersten Lesen des Gedichts fällt auf, dass es intensiv mit den Themen Unverständnis und Ablehnung durch die Gesellschaft beschäftigt ist, sowie mit Glaube und Einsamkeit. Es klingt wie ein verzweifelter Aufruf, der in der Dunkelheit und Isolation verloren geht.
Inhaltlich geht es in dem Gedicht um das lyrische Ich und seine Erfahrungen mit der Ablehnung und dem Unverständnis der Welt. Es scheint, dass das lyrische Ich einen schweren emotionalen Kampf durchlebt, indem es von der Gesellschaft verkannt und verspottet wird. Dieser Kampf wird sowohl in geistiger, emotionaler als auch in physischer Hinsicht beschrieben. Das lyrische Ich leidet unter der Ablehnung seiner Mitmenschen, fühlt sich jedoch von Gott verstanden und getröstet. Trotz der Tatsache, dass es am Kreuz stirbt, wird betont, dass es nicht wirklich „verkannt“ wurde, da sein Leid und Tod zu einer himmlischen Krone wurden. Die letzte Strophe endet mit einem Appell: „Verkennt, die ihn verkannten! erkennt, Die ihn noch wiederfinden! O Freund, wie er, Rufe Dein Eli! ach, und hör nicht Das Geschrei der Dunkeln in öder Hülle!“, womit betont wird, dass das lyrische Ich trotz allem Unverständnis den Glauben und die Hoffnung nicht aufgibt.
Die Form des Gedichts ist bemerkenswert: Jede Strophe besteht aus vier Versen und das Gedicht hat insgesamt 16 Strophen. Die verwendete Sprache ist komplex und metaphorisch, verwoben mit biblischen- und geistlichen Anspielungen und Bezügen. Es nutzt starke, eindringliche Bilder, um das Leid und die Einsamkeit des lyrischen Ichs zu verdeutlichen. Es zeigt eine intensive persönliche Erfahrung und ist stark emotional aufgeladen. Es stellt das lyrische Ich als Außenseiter dar, dessen Leid und Isolation nur durch göttliche Intervention und das ewige Leben gelindert werden können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Herders „Sie waren von der Welt verkannt“ eine kraftvolle Darstellung der Erfahrung des Außenseitertums, der Isolation und des Leidens ist. Trotz der Dunkelheit und Verzweiflung, die durchwegs vorherrschen, endet das Gedicht mit einer gewissen Hoffnung und Aufopferung, was auf den starken Glauben des lyrischen Ichs hinweist. Dieses Werk ist ein beeindruckendes Beispiel für die Intensität und Tiefe des menschlichen Kampfs und der Sehnsucht nach Akzeptanz und Verständnis. Es verbindet die menschliche Erfahrung mit der spirituellen Suche und stellt damit wichtige Fragen nach dem Sinn und Ziel des Lebens.
Weitere Informationen
Das Gedicht „Sie waren von der Welt verkannt“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Gottfried Herder. Herder wurde im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Zwischen den Jahren 1760 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von 1765 bis 1790 und wird häufig auch Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Der Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Auflehnen oder Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung zusammenfassen. Das philosophische und literarische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig junge Autoren im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde insbesondere darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die alten Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.
Zwei sich deutlich unterscheidende Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt: die Aufklärung und eine gefühlsbetonte Strömung, die durch den Sturm und Drang vertreten wurde. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Die Weimarer Klassik nahm ihren Anfang mit der Italienreise Goethes im Jahr 1786 und endete mit dem Tod von Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1832. Das Zentrum dieser Literaturepoche lag in Weimar. Es sind sowohl die Bezeichnungen Klassik als auch Weimarer Klassik gebräuchlich. Toleranz, Menschlichkeit und Übereinstimmung von Mensch und Natur, von Gesellschaft und Individuum sind die Ideale der Klassik. Im Zentrum des klassischen Kunstkonzepts steht das Streben nach harmonischem Ausgleich der Gegensätze. Typisch ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal der Literaturepoche des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Vernunft und Gefühl. Die Vertreter der Epoche haben in der Weimarer Klassik auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Schiller, Goethe, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Klassik betrachtet werden. Aber nur Goethe und Schiller motivierten und inspirierten einander durch eine enge Zusammenarbeit und gegenseitige Kritik.
Das 419 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 64 Versen mit insgesamt 16 Strophen. Der Dichter Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Das Glück“, „Das Kind der Sorge“ und „Das Orakel“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Sie waren von der Welt verkannt“ weitere 413 Gedichte vor.
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Zum Autor Johann Gottfried Herder sind auf abi-pur.de 413 Dokumente veröffentlicht. Alle Gedichte finden sich auf der Übersichtsseite des Autors.
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