Seligkeit der Liebe von Johann Gottfried Herder

Auf, Liebe! laß kein Mißbehagen
Anfechten unsre Himmelsruh,
Nicht Thorenfurcht noch Stolz uns plagen
Und schließen Gottes Eden zu!
Wie? weil uns Fürsten nicht beschweren
Mit Adeltiteln unser Blut?
So glänzen wir in bessren Ehren,
Sind wahrlich edel - denn sind gut!
 
Wo immer unser Nam' erschalle,
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Wird immer er erschallen süß;
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Bewundern selbst die Großen alle
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Dies kleine hohe Völklein, dies!
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Und wie? weil Glückes Narrengüte
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Uns keine Krösusschätze leiht?
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In Mäßigung ist Lebensblüthe;
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Die Tugend selbst ist Mäßigkeit!
 
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Uns wird jedwedes Wiederkehren
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Des Jahres Wünschen g'nug verleihn,
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Und Leben der Vernunft zu Ehren;
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Welch Leben kann sonst Leben sein!
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Durch Jugend, Alter in die Wette
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Uns liebend, wallen wir daher,
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Mit Ruh die Hütte, unser Bette
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Gekrönt mit Kindern lieblicher!
 
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Wie will ich meine Kleinen herzen,
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Mir angeschlungen um mein Knie!
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Ihr Lächeln - ja, der Mutter Scherzen!
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Ihr Stammeln - ja, die Mutter - sie!
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Von Neideszeit einst fortgerissen,
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Noch werden wir nie freudlos sein;
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Du siehst Dich jung in Töchterküssen,
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Ich geh' in meinen Buben frein.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Seligkeit der Liebe“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
32
Anzahl Wörter
170
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Seligkeit der Liebe“, wurde von Johann Gottfried Herder verfasst, einem Schriftsteller und Philosophen der deutschen Aufklärung und Frühromantik am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts.

Auf den ersten Blick scheint das Gedicht eine ausgelassene, hingebungsvolle und tiefe Freude und Ehrfurcht vor der Liebe und dem Leben auszudrücken. Es dreht sich um Themen wie Einfachheit, Mäßigung, Liebe und Fröhlichkeit, und scheint eine Kritik an übermäßigem Prunk und Reichtum zu enthalten.

Im Kern beschäftigt sich das lyrische Ich mit der Freude und dem Glück, die durch ein einfaches Leben mit und in der Liebe gefunden werden können. Es preist die Mäßigung und den Wert der Einfachheit gegenüber materiellem Reichtum und Adelstiteln. Tugend wird als die größte Auszeichnung und Ehre dargestellt. Es hebt die schönen Aspekte des Familienlebens mit Kindern hervor und betont, dass die Freude am eigenen Nachwuchs unabhängig von materiellen Gütern oder Status ist.

Form und Sprache sind religiös aufgeladen, was im Kontext der Zeit, in der das Gedicht entstand, nicht ungewöhnlich ist. Es ist in vier gleich lange Strophen mit je acht Versen unterteilt. Die Verse sind recht lang und rhythmisert, und der Sprachstil ist feierlich und erhaben, was zum Inhalt des Gedichts und dem Ausdruck tiefer emotionaler Intensität beiträgt. Die religiöse Symbolik des „Himmels“, des „Gottes Eden“ und der „Vernunft zu Ehren“ spiegelt typische Elemente der Aufklärungsphilosophie wider.

Insgesamt betont das Gedicht, dass Freude und Glück nicht durch materiellen Reichtum oder sozialen Status gefunden werden, sondern durch die einfache und reine „Seligkeit der Liebe“. Diese Botschaft ist eine leistungsstarke und berührende Kritik an den Werten der Gesellschaft und ein Aufruf zur Besinnung auf das Wesentliche im Leben.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Seligkeit der Liebe“ des Autors Johann Gottfried Herder. Geboren wurde Herder im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen). Das Gedicht ist in der Zeit von 1760 bis 1803 entstanden. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Rebellieren gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Autoren der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit dem Hinwenden Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Zeitlich lässt sich die Weimarer Klassik mit Goethes Italienreise 1786 und mit Goethes Tod im Jahr 1832 eingrenzen. Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert beeinflusst. Die Aufklärung und die gefühlsbetonte Strömung Sturm und Drang. Die Weimarer Klassik ist eine Synthese dieser beiden Elemente. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. Die Klassik orientiert sich an traditionellen Vorbildern aus der Antike. Sie strebt nach Harmonie ganz im Gegensatz zur Epoche der Aufklärung und des Sturm und Drangs. In der Gestaltung wurde das Wesentliche, Gültige, Gesetzmäßige aber auch die Harmonie und der Ausgleich gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache oftmals roh und derb ist, bleibt die Sprache in der Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Die bedeutendsten Autoren der Klassik sind: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried von Herder.

Das vorliegende Gedicht umfasst 170 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 32 Versen. Weitere Werke des Dichters Johann Gottfried Herder sind „Das Kind der Sorge“, „Das Orakel“ und „Das Ross aus dem Berge“. Zum Autor des Gedichtes „Seligkeit der Liebe“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.

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