Der Hirsch sah sich im Bach von Johann Gottfried Herder
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Der Hirsch sah sich im Bach: |
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»Wie prächtiges Geweih! |
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Und ei, |
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Wie dürre Beine! |
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Sind sie auch meine?« |
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Die Jagd klang nach; |
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Nun auf die Beine! |
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Die dürren Läuft' sind sein, |
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Sie retten ihn; sein prächtiges Geweih |
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Hängt im Gesträuch; |
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Der Jäger hat ihn gleich. |
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Verachte nicht Dein armes Sein, |
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Dein Glück! |
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Erhebe nicht den leeren Schein, |
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Dein Unglück! |
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Im Mangel, nicht im Ueberfluß |
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Keimt der Genuß. |
Details zum Gedicht „Der Hirsch sah sich im Bach“
Johann Gottfried Herder
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67
1744 - 1803
Sturm & Drang,
Klassik
Gedicht-Analyse
Das Gedicht „Der Hirsch sah sich im Bach“ wurde von Johann Gottfried Herder geschrieben, der von 1744 bis 1803 lebte. Dies bedeutet, dass das Werk in der Epoche der Aufklärung entstanden sein könnte.
Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht recht einfach und klar, aber es hat eine tiefe Botschaft über Bescheidenheit und der Wertschätzung des eigenen Seins.
Im Gedicht sieht ein Hirsch sein Spiegelbild in einem Bach. Er bewundert sein prächtiges Geweih und ist im gleichen Moment überrascht von seinen dürren Beinen. Als die Jagd näher kommt, flieht der Hirsch. Seine dünnen Beine retten ihn, während sein prächtiges Geweih in den Büschen hängen bleibt und ihn quasi verrät.
In der zweiten Strophe wendet sich das lyrische Ich an den Leser. Es fordert auf, das eigene „arme“ Sein nicht zu verachten, denn darin liege das Glück. Hoher, leerer Schein wird als Unglück bezeichnet. Im Mangel, nicht im Überfluss, keimt Genuss.
Die Aussage des Gedichts ist eine Warnung vor Eitelkeit und Hochmut und eine Ermunterung zur Bescheidenheit und Dankbarkeit für das, was man hat.
Formal besteht das Gedicht aus zwei Strophen, die unterschiedlich lang sind. Die Verse sind recht kurz und knapp gehalten, die Sprache ist bildlich und einfach. Der Hirsch symbolisiert möglicherweise einen Menschen, der von Eitelkeit und Hochmut geblendet ist und dabei das Wesentliche - die eigenen „Beine“ oder Fähigkeiten - übersieht.
Die sprachliche Gestaltung ist geprägt von rhetorischen Fragen und im ersten Teil auch von direkter Rede. Die Verse sind reimlos, was das ernste Thema unterstreicht. Der Tonfall ist eher warnend und mahnend, besonders in der zweiten Strophe.
Zusammengefasst handelt es sich bei Herders Gedicht „Der Hirsch sah sich im Bach“ um eine erbauliche Fabel mit einer klaren Moral: Eitelkeit und Hochmut können zum Fall führen, wahres Glück liegt in Bescheidenheit und der Wertschätzung der eigenen Fähigkeiten.
Weitere Informationen
Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „Der Hirsch sah sich im Bach“. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Im Zeitraum zwischen 1760 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.
Der Sturm und Drang (häufig auch Geniezeit oder Genieperiode genannt) ist eine literarische Epoche, welche zwischen 1765 und 1790 existierte und an die Empfindsamkeit anknüpfte. Später ging sie in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen diese aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig junge Autoren im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Nachahmung und Idealisierung von Autoren aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Die Epoche des Sturm und Drang endete mit der Hinwendung Schillers und Goethes zur Weimarer Klassik.
Die Weimarer Klassik dauerte von 1786 bis 1832 an. Zentrale Vertreter dieser Epoche waren Goethe und Schiller. Die zeitliche Abgrenzung orientiert sich dabei an dem Schaffen Goethes. So wird dessen erste Italienreise 1786 als Beginn der deutschen Klassik angesehen, die dann mit seinem Tod 1832 ihr Ende nahm. Ausgangspunkt und literarisches Zentrum der Weimarer Klassik (kurz auch oftmals einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Die Klassik geht von einer Erziehbarkeit des Menschen zum Guten aus. Ihr Bestreben ist die Humanität, die wahre Menschlichkeit (das Schöne, Gute, Wahre). Die Dichter der Klassik gingen davon aus, dass Gott den Menschen Vernunft und Gefühle gibt und die Menschen damit dem Leben einen Sinn geben. Das Individuum ist also von höheren Mächten abhängig. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Klassik typisch. Während man in der Epoche des Sturm und Drangs die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Klassik auf eine reglementierte Sprache. Goethe, Schiller, Wieland und Herder bildeten das „Viergestirn“ der Weimarer Klassik. Es gab natürlich auch noch weitere Autoren, die typische Werke veröffentlichten, doch niemand übertraf die Fülle und die Popularität dieser vier Autoren.
Das Gedicht besteht aus 17 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 67 Worte. Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Apollo“, „Bilder und Träume“ und „Das Flüchtigste“. Zum Autor des Gedichtes „Der Hirsch sah sich im Bach“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 413 Gedichte vor.
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