Der Löwe schlief und fuhr von Johann Gottfried Herder

Der Löwe schlief und fuhr
Im Schlaf auf ob dem gräßlichen Geschrei.
»Ist Aufruhr
In meinem Reich?« Er eilt herbei;
'S war Froschgeschrei.
»Was lohnte mir's, die Kreischer zu zerbaxen?
Es ist so schöner Tag; laß sie coaxen!«
 
Kunstrichter! Ist im wärmsten Sommerpfuhl
Geschrei wie dort Coax auf Euerm Richterstuhl?
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»Der König Löwe selbst soll's hören!«
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Ihr könnt ihn auch einmal im Mittagsschlafe stören;
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Doch seid getrost! er gönnt Euch Euern Pfuhl,
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Den Richterstuhl.
Arbeitsblatt zum Gedicht
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Details zum Gedicht „Der Löwe schlief und fuhr“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
13
Anzahl Wörter
74
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Der Löwe schlief und fuhr“ stammt vom deutschen Dichter Johann Gottfried Herder, der zur Zeit der Aufklärung lebte und wirkte. Bekannt als Philosoph, Theologe und Schriftsteller, prägte er signifikant die literarische Bewegung der Sturm- und Drang-Epoche.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht durch seine Tiermetaphorik leicht verständlich und zugänglich. Es erzählt eine Geschichte, in der die Charaktere – der Löwe und die Frösche – allegorisch für menschliche Gruppen oder Rollen stehen könnten.

Inhaltlich geht es in der ersten Strophe um einen schlafenden Löwen, der durch ein lautes Geschrei geweckt wird. Der Löwe, der als König der Tiere gilt, ist aufgebracht und will wissen, was in seinem Reich vor sich geht. Als er jedoch feststellt, dass das Geschrei lediglich von Fröschen stammt, entscheidet er sich, sie gewähren zu lassen, anstatt einzugreifen.

In der zweiten Strophe spricht das lyrische Ich die „Kunstrichter“ an und stellt einen Vergleich zum vorigen Ereignis her. Die Kunstrichter, die als Ausdruck der Kritik gelten können, werden mit dem Froschgeschrei verglichen. Sie können den Löwen, hier als Metapher für einen mächtigen oder einflussreichen Akteur verstanden, mit ihrem Geschrei zwar stören, doch letztlich duldet er sie in seiner Welt.

In dem Gedicht spricht das lyrische Ich eine Kritik am künstlerischen Establishment und dessen Urteilskraft aus. Es weist auf die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Macht (der Löwe) und dem Anspruch darauf (die Frösche) hin. Der Löwe steht für die wirklich wichtigen und einflussreichen Kräfte, während die Frösche für diejenigen stehen, die meinen, sie hätten beeinflussende Macht, tatsächlich aber nur Lärm erzeugen.

Formal besteht das Gedicht aus zwei Strophen unterschiedlicher Länge, die jeweils aus sieben und sechs Versen bestehen. Die Sprache ist klar und unkompliziert, die Aussage durch den Gebrauch der Tiermetaphorik und die Anrede direkt. Es gibt keinen festen Reim, doch durch die Erzählform und das sprachliche Bild bleibt das Gedicht einprägsam. Das Gedicht ist ein kritisches Werk, dass mit Hilfe symbolischer Figuren eine gesellschaftliche Aussage trifft.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Löwe schlief und fuhr“ ist Johann Gottfried Herder. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Das Gedicht ist in der Zeit von 1760 bis 1803 entstanden. Anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von 1765 bis 1790 und wird häufig auch zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Die Epoche des Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. Der Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen das gesellschaftliche System und die Prinzipien der Aufklärung wendeten. Die Vertreter waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, meistens nicht älter als 30 Jahre. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Schiller, Goethe und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Die Literaturepoche der Klassik beginnt nach heutiger Auffassung mit der Italienreise Goethes, die er im Jahr 1786 im Alter von 36 Jahren machte. Das Ende der Epoche wird auf 1832 datiert. In der Klassik wurde die Literatur durch Einflüsse der Französischen Revolution, die ziemlich zu Beginn der Epoche stattfand, entscheidend geprägt. In der Französischen Revolution setzten sich die Menschen dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Literarisches Zentrum und Ausgangspunkt der Weimarer Klassik (kurz auch häufig einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Die Klassik orientiert sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Sie strebt nach Harmonie ganz im Gegensatz zur Epoche der Aufklärung und des Sturm und Drangs. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik typisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.

Das Gedicht besteht aus 13 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 74 Worte. Weitere Werke des Dichters Johann Gottfried Herder sind „Amor und Psyche“, „An Auroren“ und „An den Schlaf“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Löwe schlief und fuhr“ weitere 413 Gedichte vor.

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