Nun, wie befindt man sich? von Johann Gottfried Herder

»Nun, wie befindt man sich?«
»Herr Doctor, wunderlich!
In den Gedärmen -« »Ei, recht gut!
So muß es gehn! Adieu! gesunden Muth!«
»Und heute, wie befindt man sich?«
»Herr Doctor, jämmerlich!
Kopfschmerzen! halbe Raserei!«
»Ich bleib' dabei:
Recht gut!
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Nur frischen Muth!«
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»Und heute?« »Ach, ich kann nicht mehr!
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Hier! da!« »Er zagt zu sehr,
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Mein Freund! Das muß so sein!«
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Sieh, da kam Todespein.
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Das muß so sein!
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Der Doctor wiegt' ihn ein.
 
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Ihr Philosophen, Doctors Panacee,
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Wie heißt sie Euch? Theodicee!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.3 KB)

Details zum Gedicht „Nun, wie befindt man sich?“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
18
Anzahl Wörter
83
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorgelegte Gedicht stammt von Johann Gottfried Herder, der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lebte. Dies lässt das Gedicht zeitlich der Epoche der Aufklärung zuordnen.

Beim ersten Lesen des Gedichts entsteht der Eindruck eines Dialogs zwischen einem Patienten und seinem Arzt. Der Patient schildert seine verschiedenen Beschwerden, doch der Arzt bleibt ungeachtet dessen stets optimistisch, bis der Patient stirbt. Am Ende wirkt das Gedicht beinahe zynisch in seiner Darstellung des Arztes und den Philosophen, die von einer heilsamen Ordnung der Welt ausgehen.

Im Inhalt des Gedichts ist ein Kritisieren der Ärzte und Philosophen zu erkennen. Das lyrische Ich ist der kranke Patient, der schrittweise seine Symptome schildert, von Magenbeschwerden über Kopfschmerzen bis hin zum Todesleiden. Der Arzt reagiert jedoch immer gleichgültig und optimistisch, ohne auf die konkreten Leiden des Patienten einzugehen. Das lyrische Ich repräsentiert so die leidende, hilflose Menschheit, während der Arzt die gleichgültige, dogmatische Wissenschaft und die Philosophen repräsentieren.

In Bezug auf die Form und Sprache ist das Gedicht in zwei Strophen unterteilt, wobei die erste Strophe den Hauptteil und die zweite Strophe die Schlussfolgerung darstellt. Die Verse sind in einem einfachen, direkten Stil verfasst, was die Botschaft des Gedichts klar und unmissverständlich macht.

Letztlich hinterfragt der Autor wohl die aus seiner Sicht naiv-optimistische Haltung der Aufklärung, die sich auf Vernunft und Wissen verlässt, ohne das Leid und die existenzielle Angst des Einzelnen zu berücksichtigen. Mit dem Verweis auf die „Theodizee“ - also die philosophische Frage, warum Gott das Leid in der Welt zulässt - wird dieser Kritikpunkt vertieft.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Nun, wie befindt man sich?“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Gottfried Herder. Geboren wurde Herder im Jahr 1744 in Mohrungen (Ostpreußen). Das Gedicht ist in der Zeit von 1760 bis 1803 entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang (häufig auch Geniezeit oder Genieperiode genannt) ist eine literarische Epoche, welche zwischen 1765 und 1790 existierte und an die Empfindsamkeit anknüpfte. Später ging sie in die Klassik über. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig junge Schriftsteller im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde insbesondere darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Mit seinen beiden wichtigen Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Die Weimarer Klassik war geprägt durch die Französische Revolution mit ihren Forderungen nach Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Der Kampf um eine Verfassung, die revolutionäre Diktatur unter Robespierre und der darauffolgende Bonapartismus führten zu den Grundstrukturen des 19. Jahrhundert (Nationalismus, Liberalismus und Imperialismus). Die Literaturepoche der Weimarer Klassik lässt sich zeitlich mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und mit Goethes Tod 1832 eingrenzen. Sowohl die Bezeichnung Klassik als auch die Bezeichnung Weimarer Klassik sind gebräuchlich. Das literarische Zentrum dieser Epoche lag in Weimar. Von zentraler Bedeutung für die Zeit der Weimarer Klassik ist der Begriff Humanität. Toleranz, Menschlichkeit, Selbstbestimmung, Schönheit und Harmonie sind wichtige inhaltliche Merkmale der Weimarer Klassik. Die Weimarer Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Typisch ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Gefühl und Vernunft. Die Dichter haben in der Weimarer Klassik auf Stil- und Gestaltungsmittel aus der Antike zurückgegriffen. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Goethe und Schiller.

Das 83 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 18 Versen mit insgesamt 2 Strophen. Die Gedichte „An den Schlaf“, „An die Freundschaft“ und „Apollo“ sind weitere Werke des Autors Johann Gottfried Herder. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Nun, wie befindt man sich?“ weitere 413 Gedichte vor.

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