Und ich bin doch von Johann Gottfried Herder

»Und ich bin doch
Vornehmer noch
Als Du, Frau Löwenkönigin!«
Und trippelt vor sie hin.
»Klein, als ich bin,
Vermehre
Zu meines Manns und meiner Kleinen Ehre
Ich mein Geschlecht doch immerzu
Jahrjährlich mehr als Du.«
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»Frau Hase,« sprach die Königin,
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»Gebär' Sie Hasen immerhin
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Und oft und viel und mancherlei
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Zu aller Hasen Ehre;
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Was einmal ich gebäre,
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Ist Leu.«
 
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A.
 
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Wie heißen doch, die alle Viertheil Jahr
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Wie Hasen hecken
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Und brüllen wie die Löwen gar
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Und Zähne blecken?
 
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B.
 
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Ei, Bibbeltheken!
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Scharteken!
 
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C.
 
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Und wie die semper Augusta- Hasenbrut
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Dich thut!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.7 KB)

Details zum Gedicht „Und ich bin doch“

Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
26
Anzahl Wörter
94
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht stammt von dem deutschen Dichter und Denker Johann Gottfried Herder, der von 1744 bis 1803 lebte. Er gehörte zur Epoche der Aufklärung und zählt neben Lessing, Wieland und Goethe zur Gruppe der Weimarer Klassik.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht humorvoll und spielerisch. Es handelt von einem Dialog zwischen einer Hasenmutter und einer Löwenkönigin, in dem die Hasenmutter zu zeigen versucht, dass sie trotz ihrer physischen Unterlegenheit und ihrer geringen Größe, in bestimmten Hinsichten der Löwenkönigin überlegen ist - sie kann nämlich mehr Nachkommen zur Welt bringen. Die Löwenkönigin erwidert jedoch, dass während die Hasenmutter viele Hasen gebärt, sie einen Löwen zur Welt bringt, was die Qualität über die Quantität stellt.

Die Aussage von dem lyrischen Ich, die Hasenmutter, könnte interpretiert werden als ein Plädoyer für die Wertschätzung der eigenen Stärken und Einzigartigkeit, unabhängig von den konventionellen Maßstäben oder Erwartungen. Es ist auch eine Erinnerung daran, dass Größe oder Stärke nicht immer ausschlaggebend für den Wert oder die Wichtigkeit eines Individuums sind.

Formal besteht das Gedicht aus sechs Strophen mit unterschiedlicher Versanzahl. Es folgt kein bestimmtes Reimschema. Die Sprache des Gedichts ist einfach und direkt, jedoch mit ironischen Untertönen. Einige Worte sind ungewöhnlich und erzeugen ein humorvolles Bild, zum Beispiel „Bibbeltheken“ und „Scharteken“.

Die Strophen 3 bis 6 scheinen dabei rätselhafte Fragen zu stellen, die an den Leser gerichtet sind und eventuell Aufforderungen zum Nachdenken oder zum Lachen darstellen sollen. Diese Rätselfragen und die humorvollen Begriffe könnten darauf hindeuten, dass der Autor das Gedicht nicht allzu ernst genommen haben möchte und dass es primär zur Unterhaltung gedacht ist.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Herders Gedicht „Und ich bin doch“ eine humorvolle und leichtfüßige Betrachtung über die Wertschätzung der individuellen Stärken und Unterschiede ist.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Und ich bin doch“ des Autors Johann Gottfried Herder. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Zwischen den Jahren 1760 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Die wesentlichen Merkmale des Sturm und Drang lassen sich als ein Auflehnen oder Rebellieren gegen die Epoche der Aufklärung zusammenfassen. Das philosophische und literarische Leben in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und die Literatur sollten dadurch maßgeblich beeinflusst werden. Die Autoren des Sturm und Drang waren zumeist Schriftsteller jüngeren Alters, häufig unter 30 Jahre alt. Die Autoren versuchten in den Dichtungen eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Werke vorangegangener Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Goethe, Schiller und natürlich die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Zeitlich lässt sich die Weimarer Klassik mit Goethes Italienreise im Jahr 1786 und mit Goethes Tod 1832 eingrenzen. Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert bewegt. Die Aufklärung und die gefühlsbetonte Strömung Sturm und Drang. Die Weimarer Klassik ist eine Verschmelzung dieser beiden Elemente. Wie der Name bereits verrät, liegen der Ausgangspunkt und das literarische Zentrum der Weimarer Klassik, die auch kurz Klassik genannt wird, in Weimar. Teilweise wird auch Jena als ein weiteres Zentrum dieser Literaturepoche angesehen. Statt auf Widerspruch und Konfrontation wie noch in der Aufklärung oder im Sturm und Drang strebte die Klassik nach Harmonie. Die wichtigsten Werte sind Toleranz und Menschlichkeit. Die Klassik orientierte sich an klassischen Vorbildern aus der Antike. Ziel der Klassik war es die ästhetische Erziehung des Menschen zu einer „charakterschönen“ Persönlichkeit voranzutreiben. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Klassik charakteristisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Klassik auf eine reglementierte Sprache. Goethe, Schiller, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Weimarer Klassik genannt werden. Aber nur Schiller und Goethe motivierten und inspirierten einander durch eine enge Zusammenarbeit und gegenseitige Kritik.

Das 94 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 26 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Der Dichter Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „An die Freundschaft“, „Apollo“ und „Bilder und Träume“. Zum Autor des Gedichtes „Und ich bin doch“ haben wir auf abi-pur.de weitere 413 Gedichte veröffentlicht.

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