Lieber Tod, was soll das Leben? von Johann Gottfried Herder

»Lieber Tod, was soll das Leben?
Ist doch nur ein Bürdetragen!
Ist doch nur ein ängstlich Streben!
Lieber, hörst Du nicht mein Klagen?
Komm, o Tod, und nimm mich hin!«
Es kam der Tod und stellete sich hin;
Der Greis, erschrocken, änderte
Der Worte Sinn:
»Ach, so hörtest Du mein Klagen?
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Sieh, die Bürde muß ich tragen;
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Lieber Tod, drum hilf mir heben!
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Hilf mir! süß ist doch das Leben!
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Nimmst mich früh genug doch hin!«
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Es half ihm auf der Tod und ging
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Still seines Weges hin.
 
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Und rufet man nur so den Tod?
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Ruft man nicht täglich also Gott?
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Itzt will man dies, itzt das im lieben Lebenslauf,
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Und Er hilft immer auf.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Lieber Tod, was soll das Leben?“

Anzahl Strophen
2
Anzahl Verse
19
Anzahl Wörter
115
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorliegende Gedicht „Lieber Tod, was soll das Leben?“ wurde von Johann Gottfried Herder verfasst. Da Herder im Zeitraum von 1744 bis 1803 lebte, ist das Gedicht zeitlich der Epoche der Aufklärung zuzuordnen.

Beim ersten Lesen fällt die tiefe melancholische Melancholie auf, die sich durch das gesamte Gedicht zieht, und auch eine gewisse Auseinandersetzung mit dem Tod, die vielleicht als typisch für die Zeit der Aufklärung gilt, in der das Individuum, das Leben und der Tod verstärkt reflektiert wurden.

Das Gedicht beschreibt die Gedanken eines alten Mannes, der mit der Last des Lebens zu kämpfen hat und den Tod herbeiruft, um ihn zu erlösen. Als der Tod tatsächlich kommt, ändert der alte Mann jedoch seine Meinung, nimmt seine Klage zurück und bittet den Tod um Hilfe, damit er sein Leben weiterleben kann. In der zweiten Strophe zieht der Autor eine Analogie zwischen der Beziehung des Menschen zu Gott und dem Leben und Sterben. Er deutet an, dass Menschen oft unentschlossen sind und ihre Wünsche im Laufe des Lebens ändern, aber Gott hilft immer.

Inhaltlich liegt das Hauptaugenmerk des Gedichts auf der Zwiespältigkeit des menschlichen Wesens, das einerseits unter dem Druck des Lebens leidet und andererseits die Flüchtigkeit und Kostbarkeit des Lebens erkennt. Das lyrische Ich ist hier gleichzeitig die Stimme des alternden Mannes und der Stimme Gottes.

Das Gedicht besteht aus zwei Strophen, wobei die erste aus 15 Versen und die zweite nur aus vier Versen besteht. Es hat keinen regelmäßigen Reim, aber eine rhythmische Struktur, die den Fluss der Gedanken und Gefühle des lyrischen Ichs unterstreicht. Die Sprache ist einfach und verständlich, sie spiegelt die Alltagssprache wider, erscheint dabei aber eindringlich durch die Verwendung direkter Anreden und Ausrufe.

Abschließend lässt sich sagen, dass das Gedicht eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Thema Leben und Tod darstellt. Es fordert den Leser dazu auf, über die Einstellung zum Leben, den Tod und den Glauben nachzudenken, und zeigt auf poetische Weise die Widersprüche im menschlichen Wesen.

Weitere Informationen

Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „Lieber Tod, was soll das Leben?“. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1760 und 1803. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bei Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Sturm und Drang ist die Bezeichnung für die Literaturepoche in den Jahren von etwa 1765 bis 1790 und wird häufig auch Geniezeit oder zeitgenössische Genieperiode genannt. Diese Bezeichnung entstand durch die Verherrlichung des Genies als Urbild des höheren Menschen und Künstlers. Der Sturm und Drang knüpft an die Empfindsamkeit an und geht später in die Klassik über. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Auflehnen gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Die Schriftsteller des Sturm und Drang waren zumeist junge Autoren, häufig unter 30 Jahre alt. Um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Vorschein zu bringen, wurde im Besonderen darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden und in den Gedichten einzusetzen. Die Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Aber dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Schiller, Goethe und die anderen Autoren jener Zeit suchten nach etwas Universalem, was in allen Belangen und für jede Zeit gut sei und entwickelten sich stetig weiter. So ging der Sturm und Drang über in die Weimarer Klassik.

Auf zeitlicher Ebene lässt sich die Weimarer Klassik mit Goethes Italienreise 1786 und mit Goethes Tod im Jahr 1832 eingrenzen. Zwei gegensätzliche Anschauungen hatten das 18. Jahrhundert beeinflusst. Die Aufklärung und die gefühlsbetonte Strömung Sturm und Drang. Die Weimarer Klassik ist eine Synthese dieser beiden Elemente. Literarisches Zentrum und Ausgangspunkt der Weimarer Klassik (kurz auch häufig einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Zu den wichtigsten Motiven der Weimarer Klassik gehören unter anderem Toleranz und Menschlichkeit. In der Weimarer Klassik wird eine geordnete, einheitliche Sprache verwendet. Kurze, allgemeingültige Aussagen (Sentenzen) sind oftmals in Werken der Weimarer Klassik zu finden. Da man die Menschen früher mit der Kunst und somit auch mit der Literatur erziehen wollte, setzte man großen Wert auf formale Ordnung und Stabilität. Metrische Ausnahmen befinden sich häufig an Stellen, die hervorgehoben werden sollen. Die wichtigen Schriftsteller der Weimarer Klassik sind: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried von Herder.

Das Gedicht besteht aus 19 Versen mit insgesamt 2 Strophen und umfasst dabei 115 Worte. Der Dichter Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „An Auroren“, „An den Schlaf“ und „An die Freundschaft“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Lieber Tod, was soll das Leben?“ weitere 413 Gedichte vor.

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