Wind und Sonne machten Wette von Johann Gottfried Herder

Wind und Sonne machten Wette,
Wer die meisten Kräfte hätte,
Einen armen Wandersmann
Seiner Kleider zu berauben.
 
Wind begann;
Doch sein Schnauben
That ihm nichts; der Wandersmann
Zog den Mantel dichter an.
 
Wind verzweifelt nun und ruht;
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Und ein lieber Sonnenschein
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Füllt mit holder, sanfter Gluth
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Wanderers Gebein.
 
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Hüllt er nun sich tiefer ein?
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Nein!
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Ab wirft er nun sein Gewand,
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Und die Sonne überwand.
 
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Uebermacht, Vernunftgewalt
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Macht und läßt uns kalt;
19 
Warme Christusliebe
20 
Wer, der kalt ihr bliebe?
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.5 KB)

Details zum Gedicht „Wind und Sonne machten Wette“

Anzahl Strophen
5
Anzahl Verse
20
Anzahl Wörter
79
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Wind und Sonne machten Wette“ wurde von dem deutschen Dichter Johann Gottfried Herder verfasst, der als einer der Hauptvertreter der Weimarer Klassik und der Aufklärung gilt. Herder lebte von 1744 bis 1803, daher lässt sich das Gedicht zeitlich in das 18. Jahrhundert einordnen.

Beim ersten Lesen des Gedichts fällt auf, dass eine Art Fabel erzählt wird, in der der Wind und die Sonne eine Wette abschließen. Sie wollen herausfinden, wer von ihnen beiden stärker ist und versuchen, einen Wandersmann seiner Kleidung zu berauben.

Der Inhalt des Gedichts ist nachvollziehbar: Zunächst versucht der Wind, durch seine stürmische Kraft den Mann dazu zu bringen, seine Kleidung abzulegen. Doch der Mann zieht seine Kleidung nur fester an. Als der Wind aufgibt, kommt die Sonne zum Zuge. Sie bestrahlt den Wanderer mit warmer, sanfter Glut und dieser entledigt sich seiner Kleidung. Damit hat die Sonne die Wette gewonnen.

Durch diese simple Erzählung spricht das lyrische Ich eine Aussage über die Stärke von Sanftmut und Liebe aus. Es wird dargestellt, dass brutale Gewalt und Zwang weniger erfolgreich sind als die warme und liebevolle Herangehensweise.

Formal ist das Gedicht in Strophen unterteilt, die jeweils aus vier Versen bestehen. Es hat einen sehr einfache, klare Sprache und ist gut verständlich. Die Metaphern sind einfach gehalten und zielen darauf ab, die Message des Gedichts anschaulich zu vermitteln. Der Gebrauch von sinnlichen Bildern wie Schnauben des Windes und der sanften Glut der Sonne sorgen für eine lebendige Vorstellung der Szene.

Interessant ist auch die letzte Strophe, in der sich der Kontext der Botschaft ändert. Sie bringt das Christentum ins Spiel und betont die Kraft der Liebe – eine Anspielung darauf, dass auch Jesus durch Liebe und nicht durch Gewalt gehandelt hat. Damit verleiht der Autor seinem Gedicht eine tiefere, spirituelle Dimension.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Wind und Sonne machten Wette“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Gottfried Herder. Im Jahr 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Im Zeitraum zwischen 1760 und 1803 ist das Gedicht entstanden. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang (häufig auch Geniezeit oder Genieperiode genannt) ist eine literarische Epoche, welche zwischen 1765 und 1790 existierte und an die Empfindsamkeit anknüpfte. Später ging sie in die Klassik über. Der Epoche des Sturm und Drang geht die Epoche der Aufklärung voran. Die Ideale und Ziele der Aufklärung wurden verworfen und es begann ein Rebellieren gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System. Bei den Vertretern der Epoche des Sturm und Drang handelte es sich vorwiegend um junge Autoren. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die alten Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten weiterhin als Inspiration. Mit dem Hinwenden Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Die Weimarer Klassik ist eine Literaturepoche, die insbesondere von den Dichtern Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller geprägt wurde. Die Italienreise Goethes im Jahr 1786 markiert den Anfang der Epoche. Das Todesjahr von Goethe, 1832, markiert das Ende der Weimarer Klassik. In der Literaturepoche sind Einflüsse der Französischen Revolution festzustellen. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind häufig verwendete Bezeichnungen für die Literaturepoche. In Anlehnung an das antike Kunstideal wurde in der Klassik nach Vollkommenheit, Harmonie, Humanität und der Übereinstimmung von Form und Inhalt gesucht. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik charakteristisch. Während man im Sturm und Drang die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die bedeutenden Schriftsteller der Klassik sind Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe. Andere Schriftsteller der Klassik sind Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried Herder. Die beiden zuletzt genannten arbeiteten aber jeweils für sich. Einen konstruktiven Austausch im Sinne eines gemeinsamen Arbeitsverhältnisses gab es nur zwischen Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller.

Das Gedicht besteht aus 20 Versen mit insgesamt 5 Strophen und umfasst dabei 79 Worte. Weitere Werke des Dichters Johann Gottfried Herder sind „Das Flüchtigste“, „Das Gesetz der Welten im Menschen“ und „Das Glück“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Wind und Sonne machten Wette“ weitere 413 Gedichte vor.

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