Der arme Spielmann von Guido Moritz Görres

Zu Mainz gieng einst voll Harm und Leid
Ein Spielmann alt und arm,
Mit weißem Haar, im Bettelkleid,
Die Geige in dem Arm.
 
Wie frieret mich! wie hungert mich!
Wie bin ich alt und schwach!
Wer, ach! erbarmet meiner sich
Und nimmt mich unter Dach?
 
Als noch der Jüngling fröhlich sang,
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Da priesen sie ihn sehr;
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Wenn meine Geige hell erklang,
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War Alles froh umher.
 
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Nun geh ich armer Greis allein,
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Der nimmer singen kann;
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Sie sprechen: stell dein Geigen ein,
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Du altersschwacher Mann.
 
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Der Alte gieng bekümmert fort,
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Zu Mainz den Rhein entlang,
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Ein altes Kirchlein sah er dort,
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Wo hell ein Glöcklein klang.
 
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Er stellte still sich in die Thür
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Und sah auf dem Altar
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Ein goldnes Bild in reicher Zier
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Von einer Jungfrau klar.
 
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Voll Andacht sah er nach dem Bild
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Und klagte seinen Schmerz;
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Ihm war, als spräch es süß und mild
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Ihm Trost ins kranke Herz.
 
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Da weinte lang und weinte heiß
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Vor ihm der alte Mann,
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Er spielt dem Bild zu Lob und Preis
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Das Beste was er kann.
 
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Er singt dazu sein Lied und spricht:
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Du kennst der Armuth Schmerz,
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Du hörst die alte Geige nicht,
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Du hörst mein warmes Herz.
 
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Und als das Lied geendet war,
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Er weiter wollte ziehn:
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Da warf den Schuh von Gold so klar
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Das Bild zum Lohn ihm hin.
 
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Der Alte hob ihn küssend auf
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Und dankte tausendmal,
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Zur Stadt dann gieng er freudig hin,
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Ihn trieb des Hungers Qual.
 
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Die Häscher aber faßten ihn
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Und riefen hart ihm zu:
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Ei halt, wo eilst du Alter hin?
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Gestohlen ist der Schuh.
 
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Mir schenkte ihn das Bild zum Lohn,
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So rief der Alte bang;
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Sie aber sprachen drauf mit Hohn:
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Dem Dieb gebührt der Strang.
 
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Sie glaubten seinem Schwure nicht,
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Verdammten ihn zum Strang,
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Sie schleppten ihn zum Hochgericht
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Den stillen Rhein entlang.
 
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Und als er auf der harten Bahn
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Zum kleinen Kirchlein kam;
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Da hielt er bei dem Bilde an
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Und sprach in seinem Gram.
 
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Du selber littest größren Schmerz
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Und gabst für Gott dein Blut;
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Ich opfre dir mein armes Herz,
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Nimm mich in deine Hut.
 
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Zum Letzten nimmt der alte Mann
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Die alte Geig hervor
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Und singt dazu, so gut er kann,
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Sein Lied dem Bilde vor.
 
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Doch als das Lied geendet war
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Er weiter wollte ziehn;
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Den zweiten Schuh von Gold so klar
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Warf ihm die Heilge hin.
 
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Voll Staunen und voll Rührung sah
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Das Volk dem Wunder zu,
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Sie sprachen: Gott der Herr ist nah,
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Geschenkt ward ihm der Schuh.
 
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Sie fielen reuig auf das Knie
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Und beteten im Kreis,
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Und mit dem Spielmann sangen sie
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Dann Gottes Lob und Preis.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (29.8 KB)

Details zum Gedicht „Der arme Spielmann“

Anzahl Strophen
20
Anzahl Verse
80
Anzahl Wörter
438
Entstehungsjahr
1844
Epoche
Biedermeier,
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der arme Spielmann“ wurde von Guido Moritz Görres geschrieben, einem deutschen Sprach- und Literaturwissenschaftler des 19. Jahrhunderts. Görres war ein hochgebildeter Gelehrter und Übersetzer, der stark vom romantischen Kulturideal beeinfluscht war.

Auf den ersten Blick präsentiert uns das Gedicht die leidvolle Reise eines alten, armen Spielmanns. Das lyrische Ich vergleicht seine gegenwärtige Not und Einsamkeit mit den alten Tagen, in denen er noch jung und geachtet war. Angesichts von Hunger und Kälte sucht er verzweifelt nach Mitgefühl und Hilfe, stößt jedoch auf Ablehnung und Hohn.

Inhaltlich geht das Gedicht darum, dass der Spielmann in einem Kirchlein Trost findet. Er spielt und singt aus tiefstem Herzen heraus für das Bild einer Jungfrau, das ihm ein goldenes Bild zum Lohn hinwirft. Glücklich und dankbar geht er zurück in die Stadt, wird dort jedoch der Diebstahls bezichtigt und verhaftet. Obwohl er beteuert, dass ihm der Schuh als Geschenk gegeben wurde, glaubt man ihm nicht und verurteilt ihn zum Tode.

In Form und Sprache ist das Gedicht recht schlicht gehalten. Jede Strophe besteht aus vier Versen, die im Kreuzreim verfasst sind. Die Sprache ist bildhaft und emotional, jedoch nicht übermäßig komplex oder schwierig zu verstehen. Die wiederkehrenden Themen sind Armut, Alter, Einsamkeit und die Suche nach Mitgefühl und Anerkennung.

Die entscheidende Wende tritt ein, als der Spielmann auf dem Weg zum Gericht erneut an dem Kirchlein Halt macht und wieder vor dem Bild der Jungfrau spielt und singt. Diesmal wirft das Bild ihm einen zweiten goldenen Schuh zu und das beobachtende Volk erkennt das Wunder und seine Unschuld. Das Gedicht endet damit, dass das Volk demütig auf die Knie fällt und dem Spielmann in seinem Lobgesang auf Gott folgt.

Unterm Strich handelt es sich also um ein bewegendes und lehrreiches Gedicht, das Fragen von Mitgefühl, Gerechtigkeit und Glauben thematisiert. Der unerschütterliche Glaube und die Reinheit des Herzens des Spielmanns ermöglichen schlussendlich seine Rettung und Rehabilitation. Es ist eine Geschichte über die Kraft der Musik, die Fähigkeit zu Vergebung und die Wichtigkeit, an das Gute im Menschen zu glauben, selbst in Zeiten der Not und Verzweiflung.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Der arme Spielmann“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Guido Moritz Görres. Der Autor Guido Moritz Görres wurde 1805 in Koblenz geboren. 1844 ist das Gedicht entstanden. In München ist der Text erschienen. Eine Zuordnung des Gedichtes zu den Epochen Biedermeier oder Junges Deutschland & Vormärz kann aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors vorgenommen werden. Bitte überprüfe unbedingt die Richtigkeit der Angaben zur Epoche bei Verwendung. Die Zuordnung der Epochen ist ausschließlich auf zeitlicher Ebene geschehen. Das vorliegende Gedicht umfasst 438 Wörter. Es baut sich aus 20 Strophen auf und besteht aus 80 Versen. Zum Autor des Gedichtes „Der arme Spielmann“ haben wir auf abi-pur.de keine weiteren Gedichte veröffentlicht.

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