Literatura von Johann Gottfried Herder

Das Reich der Wissenschaft ist Flora's großem Reich,
Voll Gras und Kraut und Blumen, gleich.
Die kommen da, die bunten Auen
Nur höflichst anzuschauen;
Der reißt die Faust voll Kraut und Gras
Und hat nun - was?
Der dürret, presset sehr genau
Sich - dürres Heu und Thau;
Der Vierte gar possirlich ist,
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Sogar das Gras er frißt;
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Der tändelt, und Der spielet gern
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Mit Farben und Gerüchen,
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Für Damen und für Herrn
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Holt sich Bouquette nah und fern,
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Bis Blümlein all verblichen;
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Der kränzt sich, eia! selbst sein Haar;
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Der gräbt sich ein in Blumen gar
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Und modert in Gerüchen;
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Viel sind, sehr viel der Herren zwar,
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Dort, dort kommt eine andre Schaar,
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Schwirrt fröhlich hin zur Blumenau.
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Die Morgenröthe lacht;
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Die holden Bräute stehn im Thau
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Und duften süße Pracht!
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Die Bienlein laben sich im Thau,
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Verschmähen nichts auf weiter Au,
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Zerstören nichts, gehn gar genau,
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Sie rauben sanft; der süße Raub
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Wird Honig und war Blumenstaub.
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Sie schwirren fort - die Sonn' erwacht!
31 
Sieh, wie die Aue lacht!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (25 KB)

Details zum Gedicht „Literatura“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
31
Anzahl Wörter
171
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Johann Gottfried Herder, ein bedeutender deutscher Philosoph, Theologe, Schriftsteller und Kulturphilosoph der Aufklärung. Das Gedicht entstammt dem 18. Jahrhundert, wie man anhand von Herders Lebensdaten (* 25. August 1744, † 18. Dezember 1803) feststellen kann.

Der erste Eindruck des Gedichtes ist geprägt von einer durchweg positiven Energie, die von der Beschreibung der Natur und der Handlungen und Empfindungen der darin dargestellten Figuren ausgeht.

Inhaltlich arbeitet Herder eine Reihe von zugespitzten Bildern aus der Natur heraus, um die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Welt der Wissenschaft zu illustrieren. Die bunten Auen stehen für Tausende von Wissensgebieten und die verschiedenen Moden, sich ihnen zu nähern: Während einige nur höflich hinschauen, reißen andere Hände voll gras und Grünzeug aus, pflücken Blumen für Damen und Herren oder frönen der Kunst, indem sie sich in der blühenden Pracht vergraben. Doch die wahren Helden, die bescheidenen Bienen, nehmen nur, was sie brauchen, um Honig herzustellen und zerstören nichts dabei.

In Bezug auf die Aussage des lyrischen Ichs, könnte man interpretieren, dass Herder die verschiedenen Ansätze der Wissenschaftskommunikation kritisiert und eine besondere Wertschätzung für jene zum Ausdruck bringt, die, wie die Bienen, nur das Nötigste entnehmen und dabei die natürliche Ordnung nicht stören. Das könnte als Metapher für eine Ethik der Forschung und des Lernens gedeutet werden, die auf Respekt, Bescheidenheit und Rücksichtnahme beruht.

Formal besteht das Gedicht aus einer einzigen langen Strophe, die in 31 Versen die verschiedenen Aspekte der Wissenschaft und ihrer Auseinandersetzung mit der Natur durchspielt. Die Sprache ist bildreich, metaphorisch und lebendig, mit einer Reihe von lebhaften und farbenfrohen Bildern, die eine starke sinnliche Atmosphäre schaffen. So entsteht eine bemerkenswerte Synthese von Natur und Wissenschaft, die das Gedicht zu einer faszinierenden Reflexion über die Beziehung zwischen den beiden und über die richtige Art und Weise, sich ihnen zu nähern, macht.

Weitere Informationen

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um das Gedicht „Literatura“ des Autors Johann Gottfried Herder. 1744 wurde Herder in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1760 und 1803. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zugeordnet werden. Der Schriftsteller Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Der Sturm und Drang (häufig auch Geniezeit oder Genieperiode genannt) ist eine literarische Epoche, welche zwischen 1765 und 1790 existierte und an die Empfindsamkeit anknüpfte. Später ging sie in die Klassik über. Der Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen die Prinzipien der Aufklärung und das gesellschaftliche System wendeten. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig Autoren im jungen Alter, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. In den Dichtungen wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Es wurde eine eigene Jugendsprache und Jugendkultur mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Halbsätzen und Wiederholungen geschaffen. Die traditionellen Werke vorangegangener Epochen wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Mit dem Hinwenden Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Die Epoche der Klassik beginnt nach heutiger Auffassung mit der Italienreise Goethes, die er 1786 im Alter von 36 Jahren machte. Das Ende der Epoche wird auf 1832 datiert. In der Klassik wurde die Literatur durch Auswirkungen der Französischen Revolution, die ziemlich zu Beginn der Epoche stattfand, entscheidend geprägt. In der Französischen Revolution setzten sich die Menschen dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Literarisches Zentrum und Ausgangspunkt der Weimarer Klassik (kurz auch oftmals einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Humanität, Güte, Gerechtigkeit, Toleranz, Gewaltlosigkeit und Harmonie sind die essenziellen Themen. Die Weimarer Klassik orientiert sich am antiken Kunstideal. Ein hohes Sprachniveau ist für die Werke der Weimarer Klassik charakteristisch. Während man in der Epoche des Sturm und Drangs die natürliche Sprache wiedergeben wollte, stößt man in der Weimarer Klassik auf eine reglementierte Sprache. Die Hauptvertreter der Weimarer Klassik sind Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland. Einen künstlerischen Austausch im Sinne einer gemeinsamen Arbeit gab es jedoch nur zwischen Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

Das Gedicht besteht aus 31 Versen mit nur einer Strophe und umfasst dabei 171 Worte. Weitere Werke des Dichters Johann Gottfried Herder sind „Bilder und Träume“, „Das Flüchtigste“ und „Das Gesetz der Welten im Menschen“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Literatura“ weitere 413 Gedichte vor.

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