Der alte Wirth in Lancashire von Georg Weerth

Lieder aus Lancashire

Der alte Wirth in Lancashire
Der zapft ein jämmerliches Bier;
Er zapft’ es gestern, zapft es heut’,
Er zapft es nur für arme Leut’.
 
Die armen Leut’ in Lancashire
Die gehen oft durch seine Thür;
Sie geh’n in Schuhen, die entzwei,
Sie geh’n in Röcken, die nicht neu.
 
Der erste von dem armen Pack,
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Das ist der bleiche, stille Jack.
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Der spricht: „Wie auch die Händ’ ich rührt’,
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„Zum Glücke hat’s mich nie geführt.“
 
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Und Tom begann: „Schon manches Jahr
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„Spann ich die Fäden fein und klar;
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„Das wollne Kleid war Manchem lieb,
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„Und doch ich selber dürftig blieb!“
 
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Und Bill darauf: „Mit treuer Hand
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„Führt ich den Pflug durch brittisch Land;
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„Die Saaten sah’ ich lustig stehn –
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„Doch hungrig mußt zu Bett ich geh’n.“
 
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Und weiter schallt’s: „Aus tiefem Schacht
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„Hat Ben manch Fuder Kohlen bracht;
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„Doch als sein Weib ein Kind gebor –
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„God-dam, das Weib und Kind erfror.“
 
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Und Jack und Tom und Bill und Ben –
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Sie riefen allesammt: „God-dam!“ –
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Und selbe Nacht auf weichem Flaum
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Ein Reicher lag in bösem Traum.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (26 KB)

Details zum Gedicht „Der alte Wirth in Lancashire“

Autor
Georg Weerth
Anzahl Strophen
7
Anzahl Verse
28
Anzahl Wörter
179
Entstehungsjahr
nach 1838
Epoche
Junges Deutschland & Vormärz

Gedicht-Analyse

Der Autor des Gedichts ist Georg Weerth, der von 1822 bis 1856 lebte, was das Werk in die Ära des Vormärz, einer kritischen und revolutionären Phase der deutschen Geschichte, einordnet.

Das Gedicht erzählt von der harten Realität der Arbeiterklasse im industriellen England. Der alte Wirt in Lancashire zapft Bier für die armen Leute der Stadt, die trotz ihres harten Lebens Einkehr bei ihm suchen. Diese Menschen befinden sich in einem Zustand kontinuierlicher Armut: Ihre Schuhe sind zerbrochen, ihre Röcke sind alt und abgenutzt. Einige von ihnen, wie Jack, Tom, Bill und Ben, teilen ihre persönlichen Geschichten von Elend und enttäuschender Härte. Ihre Arbeit auf dem Feld, in der Weberei und in den Kohlegruben hat ihnen weder Wohlstand noch Glück gebracht.

Das lyrische Ich beobachtet und berichtet von diesen Menschen und ihren Schicksalen. Es scheint, dass der Dichter die soziale Ungerechtigkeit und die Kluft zwischen den Klassen ansprechen möchte. Die Arbeiter werden als fleißig, loyal und hartherzig dargestellt, erhalten aber für ihren Einsatz keine angemessene Belohnung. Die wiederholte Verwendung des Ausrufes „God-dam“ unterstreicht ihre Frustration und Verzweiflung.

In Bezug auf die Form folgt das Gedicht einer klaren Struktur: Sieben Strophen mit jeweils vier Versen. Die Sprache ist einfach und direkt, was die Botschaft noch eindringlicher macht. Die Charaktere im Gedicht sprechen in der ersten Person und in direkter Rede, was ihren Worten ein hohes Maß an Authentizität verleiht. Ihre Erzählungen sind voller Details, die ihre prekären Lebensbedingungen und den Mangel an Perspektiven veranschaulichen.

Im Schlussvers wird eine starke Ironie aufgebaut: Während die Armen vor ungelösten Problemen stehen, hat der Reiche, der scheinbar im Komfort und Wohlstand lebt, Albträume. Das lässt vermuten, dass das lyrische Ich die Leser zur Reflexion über die wahren Kosten von Reichtum und die moralischen Implikationen von sozialer Ungleichheit anregen möchte.

Weitere Informationen

Georg Weerth ist der Autor des Gedichtes „Der alte Wirth in Lancashire“. Weerth wurde im Jahr 1822 in Detmold geboren. Zwischen den Jahren 1838 und 1856 ist das Gedicht entstanden. Der Erscheinungsort ist Zürich. Aufgrund der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. der Lebensdaten des Autors kann der Text der Epoche Junges Deutschland & Vormärz zugeordnet werden. Weerth ist ein typischer Vertreter der genannten Epoche. Das 179 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 28 Versen mit insgesamt 7 Strophen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Georg Weerth sind „Gebet eines Irländers“, „Herüber zog eine schwarze Nacht“ und „Sie saßen auf den Bänken“. Zum Autor des Gedichtes „Der alte Wirth in Lancashire“ liegen auf unserem Portal abi-pur.de weitere 12 Gedichte vor.

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