Parallele von Johann Gottfried Herder

Mächtige Eiche,
Deutschen Stamms, Gotteskraft!
Wie oben im Wipfel braust der Sturm,
Sie bäumt mit hundertklauigen Armen
Dem Sturm entgegen und steht!
Sturm braust fort. 's liegen da
Der dürren veralteten Zweige
Zwo darniedergesaust. Sie steht!
Ist Luther!
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Unter die ewige Eiche
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Deutschen Stamms, Gotteskraft,
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Hier will ich mich setzen und Stimme des Herrn
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Hochahnend hören und ruhn.
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Wer bist Du, schlankes dürres Laub,
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Das um die Eiche sich stiehlt hinauf
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Durch alt Gemäuer, da durch sich stiehlt
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Und zehrt im Moos und saugt?
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Schlanker Epheu, Du bist Zinzendorf.
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Hinweg, hinweg von der Eiche!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „Parallele“

Anzahl Strophen
1
Anzahl Verse
19
Anzahl Wörter
94
Entstehungsjahr
1744 - 1803
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Parallele“ stammt von Johann Gottfried Herder, einem deutschen Dichter und Vertreter der Weimarer Klassik, die zwischen 1786 und 1832 stattfand.

Beim ersten Lesen fällt auf, dass das Gedicht eine Art Dialog ist, wobei das lyrische Ich mit der Natur, speziell mit einem Baum, spricht und diese in eine metaphorische Beziehung als Symbol für historische und kulturelle Phänomene setzt.

Im Inhalt des Gedichts wird die Eiche als mächtiger, deutscher Baum, der die Kraft Gottes repräsentiert, dargestellt. Es wird beschrieben, wie die Eiche – unerschütterlich und stolz – dem Brausen des Sturms trotzt und darin ihre Stärke unter Beweis stellt. Einige alte, dürre Äste fallen zwar, aber die Eiche bleibt standhaft. In Vers 9 wird diese Eiche dann mit Martin Luther gleichgesetzt, der wie die Eiche den Stürme der Zeit standhielt und eine bedeutende Figur der protestantischen Reformation war. In den folgenden Versen kündigt das lyrische Ich an, unter der Eiche sitzen und die Stimme Gottes hören zu wollen. Die Schlussverse des Gedichts stellen eine Konfrontation mit dem Epheu dar. Das lyrische Ich bezeichnet dieses als Zinzendorf (Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, Gründer der Herrnhuterbrüdergemeinde), der das stabile, deutsche Luthertum untergräbt und beendet mit der Aufforderung, von der Eiche wegzugehen.

In Bezug auf die Form des Gedichts findet sich keine spezielle Versform oder Reimschema, was es zu freier Lyrik macht.

Sprachlich ist das Gedicht geprägt von starken, kraftvollen Bildern und Vergleichen, insbesondere die Metapher der Eiche, die sowohl die Stabilität und Kraft des deutschen Volkes als auch Martin Luther repräsentiert. Auch das Epheu wird metaphorisch verwendet, um Zinzendorf und seine intellektuelle Bewegung zu repräsentieren, die als eine Art parasitäre Pflanze gesehen wird, die auf Kosten der mächtigen Eiche lebt. Insgesamt ist die Sprache des Gedichts recht pathetisch und feierlich, was die ernste und auch teilweise konfrontative Botschaft des Gedichts unterstreicht.

Weitere Informationen

Das Gedicht „Parallele“ stammt aus der Feder des Autors bzw. Lyrikers Johann Gottfried Herder. Der Autor Johann Gottfried Herder wurde 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Die Entstehungszeit des Gedichtes liegt zwischen den Jahren 1760 und 1803. Von der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her lässt sich das Gedicht den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Herder ist ein typischer Vertreter der genannten Epochen.

Zwischen den Epochen Empfindsamkeit und Klassik lässt sich in den Jahren von 1765 bis 1790 die Strömung Sturm und Drang einordnen. Zeitgenössische Genieperiode oder Geniezeit sind häufige Bezeichnungen für diese Literaturepoche. Die Epoche des Sturm und Drang war eine Protestbewegung, die aus der Aufklärung hervorging. Der Protest richtete sich dabei gegen den Adel und dessen höfische Welt, sowie andere absolutistische Obrigkeiten. Er richtete sich aber auch gegen das Bürgertum, das als freudlos und eng galt, und dessen Moralvorstellungen veraltet waren. Als Letztes richtete sich der Protest der Epoche des Sturm und Drang gegen Traditionen in der Literatur. Die Vertreter waren meistens junge Autoren, zumeist nicht älter als 30 Jahre. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit dem Hinwenden Goethes und Schillers zur Weimarer Klassik endete der Sturm und Drang.

Prägend für die Literatur der Weimarer Klassik war die Französische Revolution. Menschen setzten sich dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Der Beginn der Weimarer Klassik ist im Jahr 1786 auszumachen. Die Literaturepoche endete im Jahr 1832 mit dem Tod Goethes. Sowohl Klassik als auch Weimarer Klassik sind gebräuchliche Bezeichnungen für die Literaturepoche. Die Vertreter der Weimarer Klassik wollten die antiken Stoffe aufleben lassen. Mit der antiken Kunst beschäftigte sich Goethe während seiner Italienreise. Die Antike gilt nun als Ideal, um Harmonie und Vollkommenheit erreichen zu können. In der Lyrik haben die Autoren auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. So war beispielsweise die streng an formale Kriterien gebundene Ode besonders populär. Des Weiteren verwendeten die Dichter jener Zeit eine pathetische, gehobene Sprache. Schiller, Goethe, Herder und Wieland können als die Hauptvertreter der Klassik angesehen werden. Aber nur Goethe und Schiller motivierten und inspirierten einander durch eine enge Zusammenarbeit und gegenseitige Kritik.

Das vorliegende Gedicht umfasst 94 Wörter. Es baut sich aus nur einer Strophe auf und besteht aus 19 Versen. Weitere bekannte Gedichte des Autors Johann Gottfried Herder sind „An den Schlaf“, „An die Freundschaft“ und „Apollo“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Parallele“ weitere 413 Gedichte vor.

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