Der Eistanz von Johann Gottfried Herder

Wir schweben, wir wallen auf hallendem Meer,
Auf Silberkrystallen dahin und daher;
Der Stahl ist uns Fittig, der Himmel das Dach,
Die Lüfte sind heilig und schweben uns nach.
So gleiten wir, Brüder, mit fröhlichem Sinn
Auf eherner Tiefe das Leben dahin.
 
Wer wölbte Dich oben, Du goldenes Haus,
Und legte den Boden mit Demant uns aus
Und gab uns den flüchtigen Funken im Stahl,
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Zu tanzen, zu schweben im himmlischen Saal?
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So schweben wir, Brüder, mit fröhlichem Sinn
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Im himmlischen Saale das Leben dahin.
 
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Da stand sie, die Sonne, in Düfte gehüllt,
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Da rauchen die Berge, da schwebet ihr Bild,
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Da ging sie danieder, und siehe, der Mond,
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Wie silbern er über und unter uns wohnt!
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So wallen wir, Brüder, mit fröhlichem Sinn
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Durch Mond und durch Sonne das Leben dahin.
 
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Seht auf nun, da brennen im himmlischen Meer
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Die Funken und brennen im Frost um uns her.
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Der oben den Himmel mit Sonnen besteckt,
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Hat's unten mit Blumen des Frostes gedeckt.
23 
Wir gleiten, o Brüder, mit fröhlichem Sinn
24 
Auf Sternengefilden das Leben dahin.
 
25 
Er macht' uns geräumig den luftigen Saal
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Und gab uns in Nöthen die Füße von Stahl
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Und gab uns im Froste das wärmende Herz,
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Zu stehn auf den Fluthen, zu schweben im Scherz.
29 
Wir streben, o Brüder, mit ehernem Sinn
30 
Auf Fluthen und Abgrund das Leben dahin.
 
31 
Da kommt sie, die Göttin, und schwebet, ein Schwan,
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In lieblichen Wellen hinab und hinan,
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Gestalt wie der Juno, mit rosigem Knie;
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Die Lüfte, sie fühlen, sie tragen sie.
 
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Im Schimmer des Mondes, im schweigenden Tanz,
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Wie fließet ihr Schleier, wie schwebet ihr Kranz!
37 
Die liebenden Sterne, sie sanken hinab
38 
Zum Schleier, zum Kranz, der sie liebend umgab.
 
39 
Sie schwebte vorüber, da klang sie den Stahl,
40 
Da klangen und sangen im himmlischen Saal
41 
Die Sterne; da hat sich erröthend ihr Bild
42 
Wohin dort? - in silberne Düfte gehüllt.
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (27.1 KB)

Details zum Gedicht „Der Eistanz“

Anzahl Strophen
8
Anzahl Verse
42
Anzahl Wörter
310
Entstehungsjahr
1774
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das Gedicht „Der Eistanz“ stammt vom deutschen Dichter Johann Gottfried Herder, der in der Mitte des 18. Jahrhunderts lebte und schrieb. Herder gehört zur Epoche der Aufklärung und leistete wichtige Beiträge zur Entwicklung der deutschen Literatur und Philosophie.

Auf den ersten Blick schafft dieses Gedicht ein Bild von Leichtigkeit, Freude und Bewegung und gibt den Eindruck von Menschen, die auf funkelndem Eis tanzen.

„Der Eistanz“ handelt vom freudvollen, schwebenden Gefühl des Eistanzes und stellt dabei mehrere Aspekte dar. Das lyrische Ich und seine Begleiter gleiten auf dem Eis, wobei das Eis als „eherner Tiefe“ und der Himmel als Dach dargestellt wird. Die Sonne und der Mond, die auf das Eis scheinen, tragen zur magischen Atmosphäre bei. In den späteren Strophen erscheint eine figurative Göttin, die den Eistanz noch schöner und erhabener macht. Das lyrische Ich drückt das Gefühl der Freiheit und der Freude aus, die aus dieser Aktivität entstehen.

Das Gedicht besteht aus acht Strophen, die teils sechs, teils vier Verse umfassen. Es folgt kein striktes Reimschema, was dem Gedicht einen freien und fließenden Charakter verleiht. Jede Strophe endet mit einer ähnlichen Zeile, die den fröhlichen Geist der Eislaufbrüder betont. Die Sprache des Gedichts ist reichhaltig mit Metaphern und bildhafter Sprache, darunter Vergleiche des Eises mit Silberkristallen und des Himmels mit einem goldenen Haus.

Herder verwendet auch die Technik der Personifikation, um die Sonne, den Mond und die Göttin zum Leben zu erwecken. Die Leichtigkeit und Freude des Eistanzes werden durch die wiederholte Verwendung von Wörtern wie „schweben“, „gleiten“ und „wallen“ hervorgehoben.

Insgesamt ist „Der Eistanz“ ein äußerst lebendiges und sinnliches Gedicht, das die Magie und Freude des Eistanzes auf spielerische und poetische Weise darstellt. Es vermittelt den Lesern die Schönheit und Freude des Moments, in dem sie sich völlig frei und unbeschwert fühlen.

Weitere Informationen

Der Autor des Gedichtes „Der Eistanz“ ist Johann Gottfried Herder. Der Autor Johann Gottfried Herder wurde 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. Das Gedicht ist im Jahr 1774 entstanden. Das Gedicht lässt sich anhand der Entstehungszeit des Gedichtes bzw. von den Lebensdaten des Autors her den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zuordnen. Bei Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. Die Epoche des Sturm und Drang war die Phase der Rebellion junger deutscher Autoren, die sich gegen das gesellschaftliche System und die Prinzipien der Aufklärung wendeten. Die Autoren der Epoche des Sturm und Drangs waren häufig unter 30 Jahre alt. In den Gedichten wurde darauf geachtet eine geeignete Sprache zu finden, um die subjektiven Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die Nachahmung und Idealisierung von Künstlern aus vergangenen Epochen wie dem Barock wurde abgelehnt. Die alten Werke wurden dennoch geschätzt und dienten als Inspiration. Es wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit seinen beiden bedeutenden Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Die Epoche der Klassik beginnt nach herrschender Auffassung mit der Italienreise Goethes, die er 1786 im Alter von 36 Jahren machte. Das Ende der Epoche wird auf 1832 datiert. In der Klassik wurde die Literatur durch Einflüsse der Französischen Revolution, die ziemlich zu Beginn der Epoche stattfand, entscheidend geprägt. In der Französischen Revolution setzten sich die Menschen dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Ausgangspunkt und literarisches Zentrum der Weimarer Klassik (kurz auch oftmals einfach nur Klassik genannt) war Weimar. Humanität, Güte, Gerechtigkeit, Toleranz, Gewaltlosigkeit und Harmonie sind die bedeutenden Themen. Die Weimarer Klassik orientiert sich am antiken Kunstideal. In der Gestaltung wurde das Wesentliche, Gültige, Gesetzmäßige aber auch der Ausgleich und die Harmonie gesucht. Im Gegensatz zum Sturm und Drang, wo die Sprache oft roh und derb ist, bleibt die Sprache in der Klassik den sich selbst gesetzten Regeln treu. Die wichtigen Vertreter der Weimarer Klassik sind: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried von Herder.

Das 310 Wörter umfassende Gedicht besteht aus 42 Versen mit insgesamt 8 Strophen. Der Dichter Johann Gottfried Herder ist auch der Autor für Gedichte wie „Amor und Psyche“, „An Auroren“ und „An den Schlaf“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „Der Eistanz“ weitere 413 Gedichte vor.

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