An den Kaiser von Johann Gottfried Herder

O Kaiser! Du von neunundneunzig Fürsten
Und Ständen, wie des Meeres Sand,
Das Oberhaupt, gieb uns, wornach wir dürsten,
Ein deutsches Vaterland
 
Und ein Gesetz und eine schöne Sprache
Und redliche Religion!
Vollende Deines Stammes schönste Sache
Auf Deines Rudolph's Thron!
 
Daß Deutschlands Söhne sich wie Brüder lieben,
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Und deutsche Sitt' und Wissenschaft,
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Von Thronen, ach! so lange schon vertrieben,
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Mit unsrer Väter Kraft
 
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Zurückekehren, daß die holden Zeiten,
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Die Friederich von ferne sieht
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Und nicht beförderte, sich um Dich breiten
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Und sei'n Dein ewig Lied!
Arbeitsblatt zum Gedicht
PDF (24.2 KB)

Details zum Gedicht „An den Kaiser“

Anzahl Strophen
4
Anzahl Verse
16
Anzahl Wörter
86
Entstehungsjahr
1778
Epoche
Sturm & Drang,
Klassik

Gedicht-Analyse

Das vorgestellte Gedicht ist „An den Kaiser“ von Johann Gottfried Herder, einem herausragenden Vertreter der Weimarer Klassik und der Erleuchtungszeit. Die genaue Datierung des Gedichts ist durch die Erwähnung erwähnter historischer Personen schwer zu verifizieren, jedoch ist eine zeitliche Einordnung in die späten Jahre der Aufklärung, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, wahrscheinlich.

Auf den ersten Eindruck wirkt das Gedicht eindringlich und emphatisch. Es scheint von einem lyrischen Ich ausgegeben zu sein, das den Kaiser direkt anspricht und Forderungen an ihn stellt.

Inhaltlich fordert das lyrische Ich vom Kaiser ein „deutsches Vaterland“, ein Gesetz und eine gemeinsame Sprache. Es verlangt nach einer „redlichen Religion“ und nach dem Schutz von Tradition und Wissenschaft. All diese Forderungen zeugen von einem starken Wunsch nach nationaler Einheit und Identität, einem Heiligtum von Tradition und Kultur und einem gerechten politischen System. Es ist ebenfalls ein Aufruf an den Kaiser, diese Forderungen zu erfüllen.

Das Gedicht ist in vier Strophen à vier Verse gegliedert, die einen regelmäßigen Rhythmus aufweisen und gereimt sind. Die verwendeten Bilder und Metaphern sind stark patriotisch und zielen darauf ab, die Wichtigkeit einer starken nationalen Identität und Gemeinschaft zu betonen. Die Sprache ist formell und angesichts der damaligen Zeit und des Kontextes angemessen. Es ist jedoch auch eine emotionale Sprache, die die dringende Notwendigkeit der genannten Veränderungen hervorhebt. Sie drückt sowohl Respekt für die Position des Kaisers aus, als auch eine bestimmte Frustration über dessen mangelnde Handlung und Anerkennung der deutschen Nation im Sinne eines einheitlichen Staates.

Abschließend kann man sagen, dass Herders „An den Kaiser“ mehr als nur ein persönliches Werk ist. Es ist ein politisches Statement, das die damals vorherrschenden Wünsche und Hoffnungen für ein vereintes Deutschland reflektiert und zudem die Rolle des Kaisers als Verantwortlichen für die Umsetzung dieser Veränderungen deutlich macht.

Weitere Informationen

Johann Gottfried Herder ist der Autor des Gedichtes „An den Kaiser“. Der Autor Johann Gottfried Herder wurde 1744 in Mohrungen (Ostpreußen) geboren. 1778 ist das Gedicht entstanden. Die Entstehungszeit des Gedichtes bzw. die Lebensdaten des Autors lassen eine Zuordnung zu den Epochen Sturm & Drang oder Klassik zu. Bei dem Schriftsteller Herder handelt es sich um einen typischen Vertreter der genannten Epochen.

Als Sturm und Drang (auch Genieperiode oder Geniezeit) bezeichnet man eine Literaturepoche, die auf die Jahre 1765 bis 1790 datiert werden kann. Sie knüpfte an die Empfindsamkeit an und ging später in die Klassik über. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dominierte der Geist der Aufklärung das literarische und philosophische Denken im deutschen Sprachraum. Der Sturm und Drang „stürmte“ und „drängte“ als Protest- und Jugendbewegung gegen die aufklärerischen Ideale. Ein wesentliches Merkmal des Sturm und Drang ist somit ein Auflehnen gegen die Epoche der Aufklärung. Die Vertreter der Epoche des Sturm und Drang waren häufig junge Autoren im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren, die sich gegen die vorherrschende Strömung der Aufklärung wandten. Die Autoren versuchten in den Dichtungen eine geeignete Sprache zu finden, um die persönlichen Empfindungen des lyrischen Ichs zum Ausdruck zu bringen. Die traditionellen Werke vorheriger Epochen wurden geschätzt und dienten als Inspiration. Dennoch wurde eine eigene Jugendkultur und Jugendsprache mit kraftvollen Ausdrücken, Ausrufen, Wiederholungen und Halbsätzen geschaffen. Mit seinen beiden bedeutenden Vertretern Schiller und Goethe entwickelte sich der Sturm und Drang weiter und ging in die Weimarer Klassik über.

Die Epoche der Klassik beginnt nach heutiger Auffassung mit der Italienreise Goethes, die er 1786 im Alter von 36 Jahren machte. Das Ende der Epoche wird auf 1832 datiert. In der Klassik wurde die Literatur durch Auswirkungen der Französischen Revolution, die ziemlich zu Beginn der Epoche stattfand, entscheidend geprägt. In der Französischen Revolution setzten sich die Menschen dafür ein, dass für alle die gleichen Rechte gelten sollten. Die Weimarer Klassik wird oft nur als Klassik bezeichnet. Beide Bezeichnungen sind in der Literatur gebräuchlich. Humanität, Güte, Gerechtigkeit, Toleranz, Gewaltlosigkeit und Harmonie sind die bedeutenden Themen. Die Weimarer Klassik orientiert sich am antiken Kunstideal. Typisch ist ein hohes Sprachniveau und eine reglementierte Sprache. Diese reglementierte Sprache verdeutlicht im Vergleich zum natürlichen Sprachideal des Sturm und Drang mit all seinen Derbheiten den Ausgleich zwischen Gefühl und Vernunft. Die Vertreter der Epoche haben in der Weimarer Klassik auf Gestaltungs- und Stilmittel aus der Antike zurückgegriffen. Die populärsten Autoren der Klassik sind: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Christoph Martin Wieland und Johann Gottfried von Herder.

Das vorliegende Gedicht umfasst 86 Wörter. Es baut sich aus 4 Strophen auf und besteht aus 16 Versen. Weitere Werke des Dichters Johann Gottfried Herder sind „Das Gesetz der Welten im Menschen“, „Das Glück“ und „Das Kind der Sorge“. Auf abi-pur.de liegen zum Autor des Gedichtes „An den Kaiser“ weitere 413 Gedichte vor.

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